Die instabile Konvergenz und das altmodische Saalblatt

Barbara Reisinger

Mein Ausgangspunkt für unser Gespräch sind Überlegungen zur Ausstellung als Format und auch dazu, wie Text oder Theorie in Ausstellungen funktioniert. Das scheint mir besonders virulent, wenn es um Themen- oder Gruppenausstellungen geht, die implizit voraussetzen, dass sie etwas über diese Themen aussagen, was über die gezeigten Werke oder Positionen hinausgeht. Diese Prämissen werden, wie mir scheint, selten thematisiert; es werden oft einfach Arbeiten unter einem Thema gruppiert und das ist dann eben eine Ausstellung. Die Verknüpfungen und die Beschaffenheit des Zusammenhangs zwischen künstlerischen Positionen werden eher vorausgesetzt als reflektiert.

Ihre Ausstellungen, etwa zu Marcel Broodthaers’ Videoarbeiten oder zur Systematik in der zeitgenössischen Kunst, sind stark von einzelnen Positionen oder Arbeiten geprägt.[1] Wovon gehen Sie aus, wenn Sie eine Ausstellung machen? Was steht am Anfang, ein Konzept, eine bestimmte Arbeit, oder entsteht beides parallel?

Søren Grammel

Sicherlich gibt es bei unterschiedlichen Ausstellungen auch sehr unterschiedliche Hergänge. Es sind meist unterschiedliche Prozesse, die parallel und unverknüpft stattfinden, lange bevor sie zu einem Ausstellungskonzept führen. Zum Beispiel das Interesse an bestimmten KünstlerInnen, das Lesen bestimmter Bücher, Zeitschriften und die Auseinandersetzung mit Theorie, das Gucken von Filmen oder die Frage, wie die Welt aussieht, in der man sich bewegt, und wo die eigenen Reibungsflächen liegen. Und natürlich Gespräche mit anderen, mit KollegInnen und KünstlerInnen. Das sind viele heterogene und widersprüchliche Stränge, die nicht chronologisch verlaufen und die eine Ausstellung dann temporär und in besonderer Weise verknüpfen kann.

Hinzu kommen noch andere Umstände, die nicht nur den eigenen Begehren und Interessen entspringen, zum Beispiel der konkrete Anlass, eine Ausstellung zu machen, und daran gekoppelt bestimmte technische, finanzielle, zeitliche oder auch architektonische Rahmenbedingungen. In Basel kann ich etwa auf eine Sammlung zurückgreifen, die fantastische Arbeiten beherbergt, und es gibt das wichtige Depositum der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Man kann da – nur ein Beispiel – einfach mal einen Schatz wie elf Marcel-Broodthaers-Filme finden. Diese Möglichkeiten hatte ich zuvor nicht, weil es in Kunstvereinen ja keine Sammlungen gibt oder jedenfalls keine relevanten. Mit der eigenen Position und den Einladungen, die man bekommt, sind immer bestimmte Erwartungshaltungen und Möglichkeiten verknüpft. All diese Aspekte vermischen sich in einem bestimmten Moment oder besser gesagt: sie bringen diesen Moment, in dem ein Ausstellungskonzept Form annimmt, überhaupt erst hervor. Die Idee für eine Ausstellung beginnt also nicht damit, dass ich mich frage, was mache ich denn jetzt? Sondern eher: Was von alldem, was ich schon habe, kann ich hier einbringen, welche spezifischen Möglichkeiten und Probleme gibt es und wie kann ich auf die reagieren? Deswegen ist kuratorische Praxis ja auch viel mehr als Ausstellungen-Machen.

BR. Es sind dann also Konvergenzen von Umständen und Interessen, von Prozessen, die schon länger laufen, und Gelegenheiten, die dazu führen bestimmte Arbeiten als Ausgangspunkt für eine Ausstellung zu verwenden oder ein bestimmtes Thema.

SG. Ja, ich denke schon. Man hat im Prinzip immer bestimmte künstlerische und theoretische Positionen im „Gepäck“. Die trage ich sozusagen mit mir rum, sie verändern sich, entwickeln sich weiter, wie auch eine bestimmte Auffassung davon, welche Formen und Haltungen kultureller Produktion ich wichtig finde. Und an diesen Ideen, Interessen und Haltungen bastelt man ständig weiter. Das ist es, was ich als meine „Arbeit“ betrachte. Und dann gibt es die unterschiedlichen Jobs, die in meinem Fall auch häufig gewechselt haben und die die Möglichkeit bieten, die zuvor skizzierte Form von Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur temporär in eine Form zu bringen, durch eine Ausstellung zu konkretisieren, auszutesten.

BR. Dann stellt sich im Weiteren die Frage, was dabei herauskommt, was bei einer Ausstellung eigentlich entsteht. Es entsteht ja kein theoretischer Text, keine Vorlesung – was zwar durchaus ein Teil des Rahmens sein kann, aber nicht das eigentliche Ziel. Im Unterschied zu den üblichen Formen der Theoriebildung und -vermittlung: Welche Form von Wissen oder Theorie im weitesten Sinne wird durch eine Ausstellung produziert?

SG. Für mich ist eine Ausstellung keine Formulierung von Theorie. Sondern für mich reicht es völlig aus, wenn eine Ausstellung zum Ausgangspunkt für die Formulierung von Theorien werden kann. Und das ist ein Prozess, der nicht oder nicht allein in meinen Händen liegen soll. Eine interessante Ausstellung enthält die Möglichkeit sich zu verselbstständigen – durch die Rezeption, durch das, was andere Leute damit machen, genau wie ein Buch oder Kunstwerk. Theorie ist ja kein Garant für eine gute Ausstellung. Die Ausstellung muss etwas anderes sein, sie muss selbst eine ästhetische Erfahrung bieten. Dann können sich daraus auch relevante Theorien generieren.

Man merkt nicht vorher – während des Konzeptionsprozesses, während man aufbaut oder darüber nachdenkt – sondern wirklich erst, wenn sie steht, ob die Ausstellung in diesem Sinne produktiv ist und ein Nachleben generieren kann; etwas öffnet – oder nur etwas eingrenzt. Wenn eine Ausstellung fertig ist oder kurz davor ist, fertig zu werden, merkt man das. Man steht davor und man merkt es einfach.

BR. Das interessiert mich jetzt schon, wie man das einfach merkt.

SG. Indem man wahrnimmt, dass die Ausstellung etwas aktiviert, dass sie den Boden für Assoziationen liefert anstatt nur eine Schublade zuzumachen. Die Arbeiten in der Ausstellung sprechen miteinander – oder sie tun es nicht. Es passiert etwas Neues zwischen den Teilen, das nicht programmierbar war. Die Situation geht über die Ideen hinaus, die im Vorfeld formuliert wurden. Auf den letzten Metern beim Aufbau gibt es immer diesen Moment der Wahrheit. Und wenn es schief gelaufen ist, kann man das auch nicht mehr dadurch drehen, dass man ein paar Sockel umstellt oder Ähnliches. Du merkst dann im Grunde, ob du im Prozess diese Offenheit und damit verbundene Unsicherheit genutzt und ausgehalten hast, die allein zu etwas Interessantem führen kann, oder ob du dich zu früh an ein bestimmtes Resultat geklammert hast. Man merkt das auch daran, dass Leute aktiv auf die Ausstellung reagieren. Im Positiven wie im Negativen. Dass Leute das Gefühl haben, sie müssen reagieren; die Ausstellung hat sie beglückt oder verärgert. Wie wenn man im Kino war und einen Film gesehen hat, und man merkt nach zwei Wochen, dass man immer noch darüber nachdenkt.

BR. In Ihren Statements dazu, was Sie unter Museumsarbeit oder kuratorischer Arbeit verstehen, haben Sie oft betont, dass es nicht darum geht etwas zu fixieren, sondern etwas offen zu halten und damit zu sagen, dass es kein fixiertes, natürliches Wissen gibt, sondern alles ein Vermittlungsprozess ist und sich in permanenter Formierung befindet. Das wäre also die Aufgabe einer Ausstellung: zu zeigen, dass es solche Fakten nicht gibt, auf die wir uns verlassen können oder von denen wir uns festgeschrieben sehen. Wie kann sich das zeigen?

SG. Mich interessiert die Idee von kuratorischer Praxis als Vermittlungspraxis, aber nicht in dem Sinne, dass sie etwas für die VerbraucherInnen aufbereitet oder das Gegebene im herkömmlichen Sinne erklärt. Sondern das Ziel kuratorischer Praxis sollte sein, Leute zu ProduzentInnen machen; zum Beispiel zu ProduzentInnen von Denkprozessen, die auf der Fähigkeit fußen, die ästhetische Erfahrung, die sie machen, wahrzunehmen und zu reflektieren.

BR. Es geht also beim Zusammenstellen verschiedener Arbeiten nicht darum, diese Arbeiten zu definieren und zu interpretieren. Was geschieht stattdessen durch das Zusammenstellen?

SG. Es entstehen schon Interpretationen. Die Frage ist nur, mit welchem Gestus oder welchem Anspruch die formuliert werden und was sie mit den Arbeiten machen. Und es geht darum, dass man zwischen Arbeiten und BetrachterInnen noch genug Raum lässt. Erfahrung und Interpretation gehören zusammen. Wichtig ist mir dabei aber, das Miteinander bestimmter Arbeiten nicht durch kanonische Formen von Wissen zu legitimieren. Wenn man etwa vorab das Medium festlegt und einen Zeitrahmen absteckt, wird dieser Reflexionsraum gar nicht erst eröffnet und auch nicht der Raum für Erfahrung.

Ein Text, der mir half, über das Machen von Ausstellungen nachzudenken, ist „Der Essay als Form“ von Theodor Adorno. Gegen autoritäre Gesten angeblicher Objektivität – insbesondere gegen die Sprache wissenschaftlicher Texte seiner Zeit – bringt Adorno die Kategorie des essayistischen Schreibens in Stellung, mit all ihren Merkmalen des assoziativ verknüpfenden, springenden und spekulativen Denkens. Ein experimentelles und spielerisches Denken, das Umwege und Sackgassen zulässt. Das geschieht, indem sich der Autor oder die Autorin eines Essays nicht als objektive Instanz zeigt sondern als Vermittelnde/r. Adorno spricht davon, dass der Essay als Form auch ein Statement für die Unmöglichkeit des Unvermittelten ist. Der Essay ist etwas – und ich wünsche mir, dass auch die von mir kuratierten Ausstellungen so funktionieren –, das ein Thema, einen Gegenstand, einen Gedanken, eine Idee in einem permanenten Prozess der Selbstvermittlung hält. Dann kann man auch der Gefahr der bloßen Illustration von Themen entgehen. Eine interessante Ausstellung muss meiner Meinung nach ständig an dieser Behauptung von Autorität, von objektivem Wissen, von dem angeblichen Nicht-mehr-notwendig-Sein von Vermittlung rütteln, ansonsten macht man selbst nur wieder etwas Reaktionäres, wiederholt Autoritätsgesten. Ich glaube, dass in diesem Sinne viele Ausstellungen und Institutionen reaktionär sind und das hat gar nichts mit den jeweiligen politischen Inhalten von Projekten zu tun, sondern mit Fragen, die das jeweilige Ästhetikverständnis betreffen und die Politiken des Ausstellungsmachens selbst.

BR. Also wenn es keinen objektiven Standpunkt gibt,  der nur mehr vermittelt werden muss, dann wirkt das auf die Form der Ausstellung zurück – analog zur essayistischen Form in der Theorie. Wie wirkt sich das auf die Vermittlung im Museum aus, wenn man nicht ein System hinstellen möchte, sondern eine offene Behauptung, an der weitergearbeitet werden soll oder kann?

SG. Das war gewissermaßen die Überlegung meiner Ausstellung “One Million Years – System und Symptom”. Die Ausstellung kann – in gewissem Sinne – ja selber als ein System betrachtet werden. Aber was tun, damit sie nicht die Logik normalen Systemdenkens repräsentiert? Ein System ist ja normativ, also eine Konzeption, die alles aussortiert, was nicht in ihre eigene Logik passt. Diese normative Logik gilt es aufzubrechen – und deswegen ist das Symptom so wichtig. Das muss ein Teil des Projektes sein – auch bei der Vermittlung im Museum. Symptome sind jene Momente, in denen das aus dem System Verdrängte zurückkehren kann bzw. muss. Es sind Reste dessen, was vom System noch nicht interpretiert werden konnte. Momente, die das System destabilisieren. Denkt man die Ausstellung als System, dann geht es auch darum, Raum für symptomatische Momente und Interaktionen zu lassen, nur dann entsteht, denke ich, die Widersprüchlichkeit, die das Konstrukt Ausstellung als Auseinandersetzungsfläche produktiv werden lässt – produktiv im Sinne der zuvor besprochenen ästhetischen Offenheit.

BR. Um das noch einmal anders zu formulieren: Das System – das heißt eine Behauptung von Objektivität – wird brüchig, wenn sichtbar wird, dass es sich um eine Setzung, um eine zunächst subjektive, dann verallgemeinerte Position handelt. Nun hat ja gerade das Museum den Ruf, solche Setzungen vorzunehmen – den Kanon, das bildungsbürgerliche System, vermeintlich objektives Wissen – und zwar ohne inhärente Widerlegbarkeit. Wenn man an diese Systeme mit einem veränderten Begriff von Wissen und Subjektivität herantritt, wie gerät dann all das in Fluss? Wie geht man mit einer Institution um, die den Ruf hat, den Kanon, das System usw. festzusetzen und einzusetzen?

SG. Ich würde zunächst einfach sagen, dass das ja nicht so sein muss. Das hängt von den Leuten ab, die dort arbeiten. Die KuratorInnen, zu deren Aufgabe es ja wesentlich auch zählt, die Sammlung zu zeigen und zu erweitern, müssen einen gewissen Mut haben nicht nur Positionen anzukaufen oder auszustellen, die zu den Top 50 Marktpositionen zählen, sondern auch mal auf Karrieren zu setzen, die Outsider-Karrieren sind oder abgebrochene Karrieren. Es gibt viele spannende KünstlerInnen, die tolle Arbeiten gemacht haben, aber schlechte Chancen haben im Museumskontext aufzutauchen, weil sie eben von der Bildfläche verschwunden sind, nicht mehr von einer starken Galerie vertreten werden, schwer vermittelbar sind. Ein anderes wichtiges Thema ist der Anteil von Künstlerinnen. Auch hier ist viel Spielraum für notwendige Verschiebungen gegeben. In Ausstellungen und gerade bei den Einzelausstellungen sind die Anteile weiblicher Künstlerinnen gegenüber männlichen Kollegen deutlich geringer – aber man muss sich erst einmal die öffentlichen Sammlungen unter diesem Aspekt ansehen. Deshalb ist es wichtig, dass man an Museen auch eigenwillige Persönlichkeiten hat, nicht nur Kulturbeamte, die das machen, was Status Quo ist. Das Museum muss selbstbewusst gegenüber dem Markt sein, gegenüber der Politik bzw. der Öffentlichkeit und gegenüber den vielen Erwartungshaltungen, die an so eine Institution herangetragen werden. Das Kuratorische als Instanz, die ästhetischen und ethischen Kriterien folgt, die sich von denen anderer Spieler im Kunstfeld auch deutlich unterscheiden dürfen, darf nicht – wie es heute bzw. eigentlich schon seit den 1980er Jahren der Fall ist – zunehmend weiter ausgeblendet werden. Entscheidungen sollen auch nicht aus einem falsch verstandenen Idealismus getroffen werden, aber man muss ein eigenes Profil haben, das vor allem auf inhaltlichen und nicht auf populistischen bzw. in diesem Sinne strategischen Parametern basiert. Das Stadtmarketing etwa und bestimmte Formen von Eventkultur – aber manchmal auch der Einfluss von Galerien, Sponsoren und Vorständen – konfigurieren auf ungute Weise, welche Kunst an so einem Ort überhaupt auftauchen kann.

Letzten Endes hat man in einem Projektraum aber auch nicht mehr Möglichkeiten als in einem Museum. Im Gegenteil, in einem Museum sind eigenständige Entscheidungen sogar viel wichtiger, weil sie von viel mehr Menschen wahrgenommen werden und die Spielregeln, die durch bestimmte Entscheidungen verschoben werden, viel systemrelevanter sind als irgendwo in der Peripherie.

BR. Es scheint so, als hätte man es auf allen Ebenen mit Mechanismen zu tun, die der Fixierung zuarbeiten: Kanonisierung, Institutionalisierung, Marketing – alles versucht einen offenen Bereich vorab einzugrenzen. Man muss nun diese Mechanismen gut kennen, wenn man damit arbeiten will und ein Statement setzen möchte. In der Museumsarbeit stellt sich da auch die Frage, wie jemand, der oder die in eine Ausstellung kommt und die Mechanismen der Kanonisierung überhaupt nicht kennt, die dann verstehen kann, wenn es in einer Ausstellung schon um die nächste Ebene – die Destabilisierung dieser Mechanismen – geht. Braucht es da Vermittlungsarbeit im klassischen Sinn, das heißt eine Institution, die etwas an ihre BesucherInnen heranträgt? Wenn es nicht darum geht Information aufzubereiten und zum Konsum anzubieten, wie kann dann Kunstvermittlung aussehen?

SG. Das sehe ich teilweise ähnlich. Traditionell war das Museum bzw. die Ausstellung im Museum immer so aufgebaut, dass alles so gehängt und platziert war, als könnte es gar nicht anders sein. Das Museum sagte zu den BesucherInnen: „So ist es!” Ich finde aber auch, dass man so etwa ab den 1970er Jahren damit begonnen hat, Kunst so zu hängen, dass man eben den Aspekt, dass hier Kunst nur vermittelt wird, auch mitlesen kann – man gelangte sozusagen zum „So könnte es sein”.

Aber Sie fragen, wie kann Kunstvermittlung vor diesem Hintergrund aussehen? Mir geht es darum, dass das temporäre Nebeneinanderstellen bzw. Verschränken von Arbeiten mit einem spekulativen Ansatz geschieht. Dieser Ansatz muss sich auch formal auf die Art und Weise übertragen, wie gehängt und installiert wird. Nur ein Beispiel: die Vitrinen und alles, was wir zuletzt im Museum für Gegenwartskunst an Display-Elementen gebaut haben, sind aus Spanplatten gebaut. Das ist ein billiges Material mit einer sehr offenen Oberfläche, die den Aspekt betont, dass etwas nur für diese Situation so gebaut wurde, und anschließend vielleicht wieder weggeworfen wird. Das Material hat etwas Provisorisches. Und es ist für jeden ersichtlich, dass es nicht Teil der ausgestellten Arbeit ist. So wird auch deutlich, dass die Stücke nicht notwendigerweise immer so präsentiert werden müssen. Sondern dass dies eine spezifische Entscheidung dieser Ausstellung ist. Und das ist, so selbstverständlich es auch scheinen mag, eine interessante Information für AusstellungsbesucherInnen, die sich über die Optik von Ausstellungen vermitteln lässt. Die Beweglichkeit der Konstellationen – und dass sie überhaupt beweglich sein darf – wird dadurch greifbarer, sowohl formal als auch gedanklich.

So versuche ich auch die Texte, die ich für Ausstellungen schreibe, zu formulieren, indem ich darin relativ produktionsästhetisch vorgehe und erstmal nur klären möchte, was bei einer Arbeit überhaupt passiert ist, was jemand gemacht hat, und zwar ohne allzu weitreichende Einordnungen – seien diese kunsthistorischer oder allgemeiner Art.

BR. Das ist eine Ebene, die in Wandtexten und anderen ausstellungsbezogenen Texten häufig übersprungen wird, zugunsten einer assoziativen, interpretativen Ebene.

SG. Ja, genau das ist es. Im Gegensatz zu dieser zweiten, symbolisch aufgeladenen Ebene hat mich die Textrhetorik des altmodischen Saalblattes wieder gereizt: Ich möchte das Werk nicht nur benutzen, um es im System des von mir geschaffenen Interpretationszusammenhanges ‚Ausstellung‘ einzubinden, über den wir schon geredet hatten. Die Produktionsweise zu erkennen, die ein Werk ausmacht, ist auch für die BesucherInnen die Grundvoraussetzung, um solche Arbeiten erst einmal zu verstehen. Man gibt ihnen die Mittel in die Hand, die sie brauchen, um den künstlerischen Prozess zu verstehen. Auf diese Weise kann jeder oder jede die einzelnen Arbeiten in einen eigenen Rezeptionsprozess einbauen. Häufig werden diese basic informations gar nicht mehr seriös geliefert, gleichzeitig wird die Sache aber schon wieder verwertet – durch die KuratorInnen, durch die Ausstellungsthematik, durch das Museum. Man beginnt häufig bei der kuratorischen Metaebene – und ob es sich eigentlich um einen Film oder ein Video handelt, ist dann nur noch Kleinkram, etwas für Pedanten. Ist es aber eben nicht. Und häufig sind Künstler ja Pedanten, weil sie nämlich, positiv ausgedrückt, extrem präzise entscheiden, was sie machen, mit welchem Material sie arbeiten, was sie zeigen – und was nicht. Daher mochte ich auch früher die Saalblätter in Museen, die man mitnehmen konnte. Man musste also keinen Katalog kaufen – sozusagen die „ganze Story“ – sondern konnte auch nur die Blätter zu den Arbeiten mitnehmen, die einen gerade interessierten. Man konnte sich daraus eine eigene Auswahl zusammenzustellen und hat die Ausstellung quasi für sich nochmal nach-kuratiert. So wie man sich als Kind vielleicht aus Fussballaufklebern seine eigene Traummannschaft zusammengestellt hat.

BR. Damit wäre auch die Aufgabe der Vermittlungsarbeit genauer spezifiziert, wenn eine Ausstellung im Sinne Adornos ‚essayistisch’ funktioniert: Sie erklärt nicht die ganze Ausstellung als Gesamtbild, sondern versucht die einzelnen Bestandteile so zugänglich zu machen, dass sich ein Spiel entwickeln kann, das BesucherInnen, VermittlerInnen, Arbeiten, Ideen und Interessen des Kurators oder der Kuratorin mit umfasst.

Wenn Sie nun zum Abschluss noch einmal an die Bedingungen in verschiedenen Ausstellungsräumen bzw. Institutionen denken, haben Sie da Präferenzen? In welchen Räumen arbeiten Sie gerne? Wir hatten ja vorhin darüber gesprochen, dass es wichtig ist darauf Bezug zu nehmen, also dass man nicht so tut als bewege man sich auf total neutralem Feld. Der White Cube wird ja immer noch oft als so ein Feld, als ein neutraler Raum charakterisiert.

SG. Die Idee und Kritik des White Cube in der Theorie von O’Doherty war natürlich super wichtig – überhaupt gar keine Frage.[2] Was sie aber auslässt, ist meiner Meinung nach, dass es diesen einen White Cube ja gar nicht gibt. Wenn ich mir zwei Galerien angucke und beide haben komplett weiß gestrichene Wände, so habe ich trotzdem zwei komplett unterschiedliche Räume gesehen. Der eine hat vielleicht Fenster, und der andere nicht. Bei einem höre ich den Lärm der Straße, der andere hat eine niedrige Decke. Bei einem merkt man, dass das Haus für industrielle Zwecke gebaut wurde, beim anderen handelt es sich um ein ehemaliges Geschäftslokal. Mal ist man im vierten Stock, mal ebenerdig; man sieht Dächer, woanders wiederum den Bürgersteig und parkende Autos. Aber es geht nicht nur um bauliche Eigenschaften. Der eine Raum liegt vielleicht in einem Viertel, das sich seit fünf Jahren in einem Prozess der Gentrifikation befindet. Hier ist die Frage, welche strategische Position der Kunstraum selbst in diesem Prozess einnimmt. Kurz: jeder White Cube ist komplett unterschiedlich, auch wenn das die Außerirdischen nicht gleich bemerken, wenn Sie auf die Welt zufliegen.[3]

BR. Aber haben Sie denn nun Präferenzen?

SG. Nein, eigentlich nicht. Es geht immer um die besondere Herausforderung, darum, mit den konkreten Gegebenheiten oder Kontexten eines Raumes zu arbeiten, mit seiner Problematik. Der Raum ist ein Teil des Gebäudes, der Stadt und des Landes, in dem man sich befindet – er ist nicht unabhängig von seinem unmittelbaren und territorialen Kontext, sondern Teil verschiedener Ökonomien. Es geht auch darum, mit den möglichen konzeptuellen Extensionen dieses Ortes zu arbeiten. Es stellt sich für jeden Raum die Frage: Wie kann ich die Gegebenheiten und Vereinbarungen, die diesen Raum betreffen, noch einmal neu zur Disposition stellen?

Søren Grammel ist seit November 2013 Leiter des Museums für Gegenwartskunst in Basel. Zuvor war er unter anderem als Direktor des Kölnischen Kunstvereins und des Grazer Kunstvereins tätig.


[1] Die beiden Ausstellungen am Museum für Gegenwartskunst in Basel waren: One Million Years – System und Symptom, 11. Oktober 2014 – 6. April 2015 und Le Corbeau et le Renard. Aufstand der Sprache mit Marcel Broodthaers, 22. März 2014 – 17. August 2014. Beide tragen die Titel jeweils einer Arbeit (Broodthaers, Le Corbeau et le Renard, Filminstallation, 1967) oder eines Werkkomplexes (On Kawara, One Million Years [Past], 1970 – 1971, und [Future], 1980 – 1987).

[2] Brian O’Doherty, Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space, Santa Monica 1986 [erstmals publiziert als eine Reihe von Essays in drei aufeinander folgenden Ausgaben Artforum, 1976].

[3] “A recurrent scene in sci-fi movies shows the earth withdrawing from the spacecraft until it becomes a horizon, a beachball, a grapefruit, a golf ball, a star. […] Indeed, tradition itself, as the spacecraft withdraws, looks like another piece of bric-a-brac on the coffeetable – no more than a kinetic assemblage glued together with reproductions, powered by little mythic machines and sporting tiny models of museums. And in its midst, one notices a evenly lighted ‘cell’ that appears crucial to making the thing work: the gallery space.” O’Doherty, Inside the White Cube, 7f.

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Dan Graham’s Homes for America re:visited

I.

Der Ursprung von Dan Grahams berühmter Werkreihe Homes for America liegt in einer Zeitschriftenarbeit aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Der gleichnamige ‚Artikel‘ wird im New Yorker Arts Magazine zum ersten Mal abgedruckt und erscheint in dem für kritische Auseinandersetzungen fruchtbaren Umfeld der amerikanischen Ostküstenmetropole. Homes for America berührt damals gleichermaßen kunsttheoretische Diskurse, die vor allem in Nordamerika zu dieser Zeit virulent sind, sowie es soziale Strukturen kommentiert, indem es die Vorstadthäuser in New Jersey zum Thema macht.

Dan Graham beschreibt in seinem Essay eine aktuelle Entwicklung der Stadtplanung, wie sie im Nachkriegsamerika in vielen Großstädten stattfindet und die symptomatisch für den Zeitgeist der Ära steht. In unmittelbarer Umgebung der Städte werden die typischen ‚Suburbs‘ errichtet. Ihre Anordnung und ihre Bauweise gehorchen den Prinzipien der Standardisierung und einer Begeisterung für ‚Instant-Produkte‘. Homes for America als eine bloße Berichterstattung über ein zeitbedingtes soziologisches Phänomen zu interpretieren greift schon insofern zu kurz, als dass der Künstler den Aufsatz bis ins Jahr 1978 insgesamt elf Mal in überarbeiteter Form veröffentlicht.[1] Die gestalterischen Variationen der Publikationen in Typografie, Bildauswahl, im Bild- und im Textverhältnis bzw. der Textverteilung sind bewusste Entscheidungen des Künstlers oder aber werden durch die verschiedenen Kontexte, in denen sie verwirklicht werden, bedingt. Anhand einer Analyse des Textes, formalästhetischer Beschreibungen und Interpretationen der Essay-Varianten sowie ihrer Einbettung in den Kontext des Kunstmagazins, des Künstlerbuchs oder des Ausstellungskatalogs wird die übergreifende Dimension von Homes for America sichtbar. Grahams Arbeit umspannt dabei nicht nur einen Zeitraum von zwölf Jahren, sondern gewinnt mit jeder erneuten Veröffentlichung des Artikels auch an Bedeutung, indem die jeweils neue Variante Spuren der Vorgänger enthält und diese fortlaufend um Referenzen ergänzt.

Die Erstveröffentlichung von Homes for Americas fällt in eine Phase, in der Text als Objekt und Medium an Stellenwert gewinnt und mit künstlerischem Arbeiten verwoben wird. Der Aufsatz ist eines der frühesten Beispiele der konzeptuellen Kunst, noch bevor Grahams Freund und Künstlerkollege Sol LeWitt 1969 mit den Sentences on Conceptual Art einen Definitionsansatz (ebenfalls in einem Magazin) publiziert.[2] Homes for America fungiert zunächst als eine Intervention gegen die Galerie als Präsentationsraum. Mit seinen Zeitschriftenarbeiten in den 1960ern entwirft Graham seine Kunstwerke als Text-Bild-Kompositionen, publiziert sie in Kunstmagazinen und weicht damit der Ausstellungssituation aus. Er stellt mittels der Massenverteilung den Status des Kunstobjekts in Frage, genauso wie die Autorität des Künstlers. Indem Graham nicht über etwas schreibt, das an einem Kunstort ausgestellt wird, sondern der Artikel selbst das ‚Objekt‘ darstellt, umgeht er den gängigen Verlauf von der Kreation über ihre Präsentation und Rezeption hin zur (abgedruckten) Kritik.[3] So handelt es sich bei der ersten Publikation von Homes for America um eine Auseinandersetzung mit dem Status quo der Kunstkultur, die Widersprüche zwischen hegemonialen Strukturen im Kunstkosmos offenlegt, wobei Präsentation und Verteilung, Betrachter und Autor problematisiert werden.[4]

Dan Graham veröffentlicht Homes For America ab 1969 erneut in abgeänderter Form in Kunstmagazinen und limitierten Bucheditionen. Aus einer singulären Textarbeit wird ein tiefgreifendes Projekt, an dessen Effekt die Kunstwelt Anteil hat. Nicht nur, dass sie Graham in ihre Räume zurückholt und ausstellt (ab der dritten Variante für die John Gibson Gallery ist Homes for America in der Regel auch als Exponat realisiert), sie begünstigt die Verteilung auch durch Katalogaufsätze vom Künstler selbst, welche Bruchstücke analytischer Kommentare zum Werk enthalten, durch zahlreiche Interviews mit Graham und durch ein Spektrum an Texten und Kritiken von WissenschaftlerInnen.[5]

II.

Abb. 1: Dan Graham, Homes for America, Arts Magazine, Vol. 41, Nr. 3, Dezember 1966-Januar 1967, S. 21, 22.

Abb. 1:
Dan Graham, Homes for America, Arts Magazine, Vol. 41, Nr. 3, Dezember 1966-Januar 1967, S. 21, 22.

Dan Graham betritt die Bühne der Kunstszene zu einer Zeit des Umbruchs: Gattungsgrenzen wurden ausgehebelt und dem Diskurs darüber, was Kunst sein kann, wird  in den zahlreichen neuen New Yorker (Galerie-)Räumen großzügig Platz gegeben. Dan Graham selbst leitet ab 1964 einen dieser Räume und muss ihn trotz (rückblickend) aufregender Ausstellungen nach kurzer Zeit wieder schließen.[6] Im Folgejahr schießt er einen Teil jener Fotografien, die sich später mitunter zu Homes for America zusammensetzen. Graham erhält die Möglichkeit Ende 1966 mit einer Dia-Show dieser Fotos an der Ausstellung Projected Art am Finch College, New York teilzunehmen.[7] Während dieser Projektion, die auch Grahams erste Ausstellung ist, schlägt Susan Brockman (Redaktionsassistenz beim Arts Magazine) vor, die Fotografien in der Zeitschrift zu veröffentlichen. Sodann kompiliert Graham nach kurzer Recherche einen Artikel um seine fotografischen Arbeiten: „[…] I thought of doing an article that typographically would be like serial houses, a replication of them. […] the entire page was basically designed as a kind of schema of minimalism.”[8] Doch der ‚designte‘ Aufsatz wird von der Redaktion ausgerechnet um die Abbildungen Grahams’ gekürzt und präsentiert sich unter dem Titel Homes for America in der Dezember 1966 – Januar 1967 Ausgabe des Arts Magazines folglich in ganz anderer Gestalt als beabsichtigt.

Abb. 2: Dan Graham, Homes for America, Arts Magazine, Vol. 41, Nr. 3, Dezember 1966-Januar 1967, S. 21, 22.

Abb. 2:
Dan Graham, Homes for America, Arts Magazine, Vol. 41, Nr. 3, Dezember 1966-Januar 1967, S. 21, 22.

Der veröffentlichte Essay erstreckt sich auf etwas weniger als eineinhalb Seiten und beschäftigt sich mit der Ästhetik und dem Charakter der seriell angelegten Wohnblocks. Zunächst bleibt Graham deskriptiv und veranschaulicht seine Bestandsaufnahme mit Auflistungen von Auswahlmöglichkeiten und deren Kombinationen. Im Fortgang des Artikels wandelt sich der Ton hin zu einer Kritik an den Intentionen, der Qualität und den Konsequenzen des Baus von Reihenhaussiedlungen, wie er sie selbst in den Gemeinden New Jerseys Mitte der 1960er beobachtet hat.

Der Artikel lässt sich grob in drei inhaltliche Einheiten zusammenfassen. Das erste Drittel widmet sich einer allgemein gehaltenen Einführung. Er verengt seinen Blick auf die Häuser selbst, indem er ihr Aussehen und ihre billige Bauweise charakterisiert, um schließlich daraus die sequenzielle Logik dieser Siedlungen offenzulegen. Im zweiten Drittel konkretisiert Graham seine Ausführung indem er das Angebot einer Agentur aus Florida als Beispiel aufführt. Cape Coral Housing bietet in den 1960ern acht Hausmodelle und acht Farben für den Fassadenanstrich an. Er listet die Möglichkeiten auf und führt für eine hypothetische Sequenz von acht Häusern à vier Modellen ein Anordnungsbeispiel vor. Die abschließenden Absätze beleuchten die Folge der neuen Wohnsituation kritisch. Graham benennt die Entkoppelung von Architekt und Haus, von Bewohner und Behausung und von neuer Wohnsiedlung und Umgebung als negative Auswirkungen der Reihenhausprojekte in amerikanischen Vorstädten.

Dan Graham verfasst mit Homes for America etwas, das wie eine Reportage über ein zeitgenössisches Wohnphänomen aussieht. Das Format der Zeitschrift gibt zwar den optischen Aufbau des Artikels vor, dennoch fällt die besondere Schriftarchitektur ins Auge. Jene scheint mit der Dreigliederung des Textes hinsichtlich Ton und Inhalt zu korrespondieren. Der Einsatz unterschiedlicher Schrifttypen für die jeweiligen Texteinheiten, Variationen im Schriftschnitt sowie die Auflistungen und Abbildungen führen innerhalb der Seiten zu weißen, unbedruckten Bereichen beziehungsweise ergeben Konturen und Formen, die den Essay in seiner im Magazin abgedruckten Version einem Bild vergleichbar oder als eine Collage interpretierbar machen.

Homes for America kündigt sich mit einer groß gedruckten Überschrift an. Es folgen der Untertitel und der Autorenname sowie eine Liste von 24 Ortsnamen, bevor der Artikeltext beginnt. In der Initialveröffentlichung im Arts Magazine sind zwei Abbildungen in den Text eingefügt. Beide – eine Fotografie von Walker Evans sowie das Bild aus der Wohnungsbau-Broschüre – sind farblos und korrespondieren mit der schwarz-weißen Gestaltung des Textes. Sie sind untereinander in der ersten Spalte platziert, gehen über die Spaltengrenzen links hinaus und enden am Außenrand der Zeitschrift. Die fotografische Aufnahme stammt aus einer Fotoserie von Walker Evans, welche 1938 als American Photographs ausgestellt wird und dessen Katalogform sich als ein Klassiker des Fotografiekanons etabliert.[9] Für das Arts Magazine ist das Foto zu allen vier Seiten beschnitten und hinsichtlich der Breite an den Broschürenausschnitt angepasst worden, auf dem das Beispiel für das Hausmodell „The Serenade“ abgedruckt ist. Retrospektiv erläutert Dan Graham, dass er die Abbildung aus der Broschüre während der Recherche ausgewählt und diese in ein Gesamt-Layout einschließlich eigener Aufnahmen aus seiner New Jersey-Reihe integriert und abgeliefert habe. Die Redaktion des Arts Magazines habe sich dafür entschieden seine Aufnahmen für die Veröffentlichung durch eine von Walker Evans zu ersetzen.[10]

Dass es sich beim ersten Bild um Reihenhäuser handelt ist offensichtlich. Bei der zweiten Abbildung jedoch ist die Lektüre des Essays nötig um den Ausschnitt einzuordnen; dieser gehört ausdrücklich zum Text, da das Modell „The Serenade“ in der Liste der Hausvarianten mit aufgeführt ist. Veranschaulicht die Abbildung von „The Serenade“ durchaus das vorgeführte Beispiel im Text, so ist der Einsatz der Evans-Fotografie nur mit dessen Popularität erklärbar. Graham selbst war bei Erscheinen von Homes for America ein im Vergleich unbekannter Künstler.

III.

Dass Dan Graham mit Homes for America eine andere Route verfolgt als sie vom Arts Magazine gelegt wurde, zeigt sich in der ersten Wiederveröffentlichung des Artikels. Im Jahre 1969 stellt Graham ein Künstlerbuch zusammen, das unter dem Titel End Moments seine bis dahin entstandenen Artikel und Arbeiten sammelt – darunter Homes for America, wenn auch in einer von der Erstveröffentlichung abgewandelten Form.

Bei dieser Veränderung soll es nicht bleiben: Bis 1978 werden insgesamt elf Versionen publiziert. Dabei ist nicht nur das Layout jeweils umorganisiert, sondern auch die Bildanteile sind maßgeblich – bezüglich Anzahl, Auswahl und Arrangement – modifiziert. Mit jeder Veröffentlichung scheint ein neues Werk kreiert worden zu sein, was vor allem der Konstitution neuer Text-Bildrelationen geschuldet ist. Jede Publikation rekurriert zudem auf ihre Vorgänger, basiert auf ihnen und fügt ihnen Bedeutungsgehalt zu. Es entspinnt sich ein referentielles Netzwerk unter den Varianten, wobei jede für sich steht und gleichzeitig ein Puzzleteil der gesamten Arbeit ist, welche sich nunmehr über 12 Jahre hinweg erstreckt (Arts Magazine, 1966 bis Articles, 1978).

Mit steigendem Bekanntheitsgrad Grahams ändert sich die Art und Weise der Präsentation. Ausgehend vom ersten Artikel, bei dem Graham von der Redaktion als Autor behandelt wird, veröffentlicht der Künstler Homes for America in Eigenregie zunächst in Künstlerbüchern und es taucht nur ein weiteres Mal in einer Zeitschrift auf. Später ergeben sich aufwändige Varianten in großen Formaten als Lithografie und als Foto Offset-Print mit farbigen Bildern. Mit seiner Etablierung folgen Einzelausstellungen in bekannten Museen und im Zuge dessen die Realisation von Katalogen. Es variieren die Präsentationsformate, die Größe und Zusammensetzung des erreichten Publikums, aber auch die Erscheinung und Haptik der gedruckten Essays.

Da dabei der Text inhaltlich mehr oder weniger unverändert überdauert und vor allem die Bildanteile Veränderung erfahren, liegt die Einschätzung nahe, dass der Text als das tragende Gerüst fungiert. Die ausgewählten Bilder und die Textbausteine dienen Graham dabei als Module, welche er verschiebt und in Beziehung setzt, was bei jeder Variante eine andere Wirkung und Erscheinung bedingt. Im Folgenden sollen einige der Varianten genauer beschrieben werden, um den Wandel der Arbeit zu veranschaulichen.

Variante #2: End Moments, 1969

Das im Vorjahr zusammengestellte Künstlerbuch End Moments wird 1970 von Dan Graham selbst herausgebracht.[11] Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Kunst- und Kulturkritiken sowie eigenen Textarbeiten, die er kommentiert. Graham bestimmt hier Inhalt, Format, Papier, Typen und Reihenfolge der Texte selbst. Es kann nicht von einer neu gesetzten Variante des Arts Magazine-Artikels geredet werden, da lediglich die abfotografierte zweite Seite gedruckt ist. Der einzige, wenn auch gravierende Unterschied liegt im Bildanteil. Die Abbildung der Broschüre bleibt vorhanden, doch dort, wo sich zwei Jahre zuvor Walker Evans’ Fotografie und die Bildangaben befanden, sind nun zwei Fotos von Dan Graham zu sehen. Beide Bilder zeigen Backsteinfassaden sowie jeweils zwei parallel nebeneinander liegende Hauseingänge. Die zwei Fotografien korrespondieren mit Grahams Text vor allem auf visueller Ebene insofern mit hellen und dunklen Flächen sowie mit Linien und Raster vergleichbar gespielt wird. Es lassen sich jeweils Äquivalente ausmachen, wobei die Schwarzweiß-Verteilung exakt umgekehrt erscheint. So entsprechen die weißen parallelen Türen den schwarzen ‚Säulen‘ der Buchstabenpermutationen ABCD, welche auf den schwarzen Textzeilen ‚stehen‘. Jene sind unter den Türen durch die weißen Treppensimse repräsentiert.

Abb. 3: Dan Graham, Homes for America, End Moments, New York 1969/70, S. 43.

Abb. 3: Dan Graham, Homes for America, End Moments, New York 1969/70, S. 43.

In End Moments gehen die ‚neuen‘ Bildelemente eine spannendere Beziehung zum Text ein ,als es in der Arts Magazine-Version möglich gewesen ist. Graham äußert sich in End Moments allerdings nicht hinsichtlich eines Fehlers seitens der Zeitschrift; im Gegenteil, er unterlässt nicht nur eine Erwähnung der Abänderung, sondern gibt vor, dass es sich bei der im Künstlerbuch abgedruckten Seite um den Ursprungszustand handle. Vor der abgedruckten veränderten Seite, endet der Absatz zu „Magazines As Formal Context“ mit den Worten: „FOLLOWING IS THE SECOND PAGE OF THE ARTICLE, RE-PRINTED“.[12]

Da „Re-printed“ offenbar keinen neuen, an End Moments angeglichenen Schriftsatz bedeutet und der Artikel zudem unvollständig ist, dient diese Veröffentlichung als Illustration und Beleg zugleich. Der konkrete Inhalt scheint demnach nicht von primärem Interesse gewesen zu sein; eine Annahme, die durch die Miniaturisierung der Arts Magazine-Seite zusätzlich gestützt ist, denn die im Zuge dessen verkleinerte Schrift ist nur schwer lesbar. Graham nutzt die Dokumenthaftigkeit des Bildes aus und greift mit seiner Manipulation in die Rezeptionsgeschichte von Homes for America ein.

Variante #3: 1966, 1970

1970 findet in der John Gibson Gallery in New York eine Ausstellung Grahams statt, die Arbeiten aus dem Jahr 1966 zusammenführt. Begleitend zur Ausstellung erscheint der Katalog 1966. Dan Graham. Im Katalog nimmt Homes for America den hybriden Charakter zwischen Abbildung und Text ein. Denn abermals verwendet Graham die Arts Magazine-Variante, passt die Schrifttypen nicht an die übrigen Texte an, unternimmt jedoch eine Umverteilung der Elemente. Der Ursprungsartikel wurde für den kleinen Katalog offensichtlich in seine Bestandteile ‘geschnitten’ und wieder zusammengefügt, um in das Format zu passen. So ist die Broschürenabbildung „The Serenade“ versetzt und die Spaltenanzahl trotz übernommener Textanteile verändert. Die von Dan Graham angestrebten Referenzen zwischen Text und Fotografien können ohne zusätzliches Fotomaterial freilich nicht geliefert werden. Doch die Platzierung der Abbildung an den Seitenanfang bedingt eine zur ersten Seite analoge Aufteilung insofern, als nun beide Seiten mit einem bildhaften Block (inklusive einer Liste) beginnen und nahezu gleich viele Fließtextanteile und Listen beinhalten.

Abb. 4: Dan Graham, Homes for America, 1966, John Gibson Gallery, New York 1970, o. S.

Homes for America rekurriert in seiner Gestaltung für die John Gibson Gallery zwar auf den Arts Magazine-Artikel, jedoch wurde durch die Platzierung auf einer Doppelseite vor allem ein zusammenhängendes visuelles Artefakt geschaffen und damit der Grundstein gelegt für die Wandlung in ein ausstellbares Objekt.[13]

Variante #4: Interfunktionen 7, 1971

1971 erscheint ein überarbeitetes Homes for America in Interfunktionen: Zeitschrift für neue Arbeiten und Vorstellungen.[14] Der Essay wird nach dem Arts Magazine ein zweites Mal in einer Zeitschrift abgedruckt und zum ersten Mal außerhalb der Vereinigten Staaten  herausgegeben. Graham ändert das Layout des Artikels, der nun drei Seiten umfasst und kehrt zur dreispaltigen Aufteilung – wie im Arts Magazine und in End Moments – zurück.[15] Indes ist es nicht die Arts-Magazine-Version, die geschnitten und neu aneinander gefügt ist, sondern jene aus 1966. Deutlich sind die Schnittkanten und Verschiebungen zu erkennen. Doch weitere sind hinzugekommen, die sich aus der Aufteilung und Zusammensetzung für die aktuelle Variante ergeben. So haben bspw. die ehemals intakten Buchstabensäulen mittlerweile zwei ‘Brüche’ erfahren.

Abb. 5: Dan Graham, Homes for America, Interfunktionen, Nr. 7, Köln 1971, S. 65, 66.

Abb. 5: Dan Graham, Homes for America, Interfunktionen, Nr. 7, Köln 1971, S. 65, 66.

Der Aufbau auf Seite eins folgt einer dramatischen Zuspitzung: Die erste Spalte ist lediglich von Text gefüllt. Spalte zwei enthält Fließtext sowie die Listen A-H (Hausmodelle) und 1-8 (Fassadenfarben). Durch die Linksbündigkeit der Auflistungen ‘franst’ der schwarze Text aus, die rechten Zeilenenden sind unruhig und es ergeben sich Weißflächen. In der dritten Spalte platziert Graham den Titelblock genau spiegelbildlich zum Broschürenbild von Florida Cape Coral Homes auf der Folgeseite. Der spiegelbildliche Aufbau des Essays macht die Versetzung des Titelblocks nachvollziehbar. Wurden diesem Element zuvor schon Bild-Eigenschaften zugesprochen, wird es hier augenscheinlich als solches eingesetzt.

Der Ausschnitt „The Serenade“ bildet mit dem Textinhalt die bisher einzige Konstante mit den drei Vorgängerversionen. Graham verwendet für Interfunktion drei seiner New Jersey-Fotografien. Zwei davon tauchten schon in End Moments auf und es kommt zur ersten Wiederholung auf fotografischer Ebene. Das Foto auf der dritten Seite scheint aus diesem Rahmen zu fallen. Es stammt ebenso aus der New Jersey-Serie und zeigt den Ausschnitt einer Siedlung. Graham positioniert sich auf dem Gehweg und nimmt die Reihenhäuser entlang der Straße auf. Die Wahl des Ausschnitts erinnert an das Foto von Walker Evans, das fünf Jahre vorher von der Arts Magazine-Redaktion ausgewählt wurde. Nach links, an Größe abnehmend und versetzt angeordnet, stehen die dunklen Fassadenvierecke in scharfem Kontrast zum hellen Himmel. Weil das Foto gedreht ist, erscheint die Szene abstrakt, die beschriebenen Details treten in den Hintergrund und die strikte Aufteilung in eine helle und eine dunkle Hälfte, die akkurat an einer diagonal getreppten Linie verläuft, sticht hervor.

Variante #5: Lithografie, 1971

1971 entsteht eine Homes for America-Variante, die mit der bisherigen Distributionsform bricht: Am Nova Scotia College of Art & Design (NSCAD) realisiert er in Zusammenhang mit einem dort stattfindenden Workshop eine Lithografie in einer limitierten Auflage von nur 50 Exemplaren.[16] Das Layout für die Lithografie reduzieren Graham und die Klasse wieder auf zwei ‚Seiten‘. Obwohl es sich um ein Blatt unabhängig von den Beschränkungen eines Magazins, Künstlerbuchs oder Katalogs handelt, ist ein solcher Kontext vorgetäuscht. Homes for America ist zwar wie die Ursprungsveröffentlichung auf drei Druckspalten angelegt, der Text ist jedoch durch fünf Bilder unterbrochen, so wie drei weitere als Abschluss angefügt sind. Die Brüche zwischen den Zeilen, die beim Transport des Textes zu 1966 und zu Interfunktionen in Kauf genommen wurden, sind in der Lithografie nicht mehr vorhanden.[17] In Spalte zwei und drei alternieren Abbildungen, Listen und kurze Blockabsätze rhythmisch. Die Elemente in diesen Spalten sind durchaus als Fotobilder und Schriftbilder zu bezeichnen, die Graham zueinander anordnet. So beginnen beide Spalten mit parallelen Strukturen: Einmal sind es die Hauseingänge, daneben stehen die Buchstabensäulen. In beiden Spalten folgt nun ein Absatz inklusive Liste. Es schließen sich abermals parallele Strukturen an, in Form jener Fotografien der Haustüren, die schon in End Moments und in Interfunktionen eingesetzt wurden.

Abb. 6: Dan Graham, Homes for America, 22” x 30”, Bildgröße 18” x 18”, Lithografie, Nova Scotia College of Art & Design, Halifax, 1971.

Abb. 6: Dan Graham, Homes for America, 22” x 30”, Bildgröße 18” x 18”, Lithografie, Nova Scotia College of Art & Design, Halifax, 1971.

Den Abschluss dieser Homes for America-Version stellen zwei Fotografien, die über die zweite und dritte Spalte reichen. Das obere ist dasselbe wie in Interfunktionen, diesmal in horizontaler Ausrichtung, das untere Foto zeigt eine dritte Variante von Reihenhauspermutationen. Die Komposition ist im Gesamteindruck ausgewogen, wobei links die Textbilder überwiegen, sich zur Mitte mit den Fotobildern mischen, welche dann rechts dominieren.[18]

Das Design, welches am NSCAD entsteht, sollte jenem entsprechen, welches Graham für die erste Veröffentlichung geplant hatte.[19] Mit dem hypothetischen Layout nimmt Graham nicht nur abermals eine Richtigstellung der (Werk)Geschichte vor, gleichzeitig problematisiert er das Authentizitätsversprechen eines Kunstwerkes. Durch das Design und die Verwendung von Titel und Datum der Arts Magazine-Ausgabe simuliert er einen Re-print, kreiert die Illusion eines Massenmediums, welches in der Tat ein kunsthandwerkliches Produkt ist.

Variante #7: Foto Offset-Print, 1972

Im Jahr nach der Lithografie-Edition am Nova Scotia College of Art & Design treibt Graham die dort eingeschlagene Stoßrichtung weiter voran. Für den belgischen Kunstsammler Herman Daled fertigt der Künstler ein großformatiges und aufwendiges Foto Offset-Exemplar an, das auf zwei Boards – jeweils ca. 99 x 84 cm – aufgezogen ist. Dan Graham greift nicht auf die Arts Magazine-Ausgabe zurück, sondern verwendet das Design aus Kanada. Sein Verfahren, Schrift ebenso als Bildelemente einzusetzen wie Fotografie, erfährt in diesem Layout insofern eine Steigerung, als er den Text in Blöcke zerschneidet und mit Fotografien auf den beiden Tafeln arrangiert. Den Bildelementen (Schriftblöcke und Fotos) wird viel Platz eingeräumt und die Entwurfsillusion durch die handschriftlich hinzugefügten Anmerkungen gesteigert. Die Gestaltung der Daled-Version unterscheidet sich signifikant von allen vorhergehenden. Zum einen bezüglich der zahlreichen farbigen Abbildungen, die hier Eingang in die Homes for America-Reihe finden, zum anderen wegen der ausgestellten handwerklichen Bearbeitung der Tafeln.

Abb. 9: Dan Graham, Homes for America, Foto Off-Set Print, Privatsammlung Daled, Brüssel 1972, Tafel 1, 39” x 33” (Reproduktion).

Abb. 7: Dan Graham, Homes for America, Foto Off-Set Print, Privatsammlung Daled, Brüssel 1972, Tafel 1, 39” x 33” (Reproduktion).

Das Layout der Lithografie wurde vertikal entlang der Druckspalten zerschnitten und in Textblöcke geteilt. Es ergeben sich alles in allem 21 Schriftausschnitte, die mit 16 Bildern (14 Fotografien Grahams, ein Farbmuster und die Abbildung „The Serenade“) die beiden Tafeln ausfüllend einnehmen. Schrift- und Bildrechtecke wurden innerhalb der Spalten zentriert, was sie auf dem weißen Untergrund ‘schwimmen’ lässt. Kaum sichtbare, von Hand gezogene Führungslinien, welche die horizontale und vertikale Ausrichtung der Elemente markieren, halten sie in Schach. Die Linien unter den Abbildungen sind deutlicher, denn an diesen Stellen ist Platz für Bildunterschriften vorgesehen worden, die Graham in diesem Fall handschriftlich eingetragen hat.

Alle Fotografien der bisherigen Ausgaben kehren im Offset-Print für Herman Daled wieder; hinzu kommen zum ersten Mal Innenaufnahmen von Modellhäusern und solche, die Bewohner und Bewohnerinnen zeigen. Auch wenn einige der Bilder schon Verwendung gefunden haben, entfalten sie eine Wirkung, die sie genauso ‚neu‘ scheinen lassen, wie jene, die im Offset-Print ihre Premiere haben. Die Farbigkeit rückt die Häuserreihen und Hauseingänge weg von Assoziationen mit der Textarchitektur und hin zu den neuen Fotografien, die den pseudo-soziologischen Artikel illustrieren und das Leben in New Jersey dokumentieren. Die beiden Interieuraufnahmen zeigen zwar Privaträume, diese sind jedoch über-akkurat hergerichtet und verfügen über keine persönliche Note.[20] In ihrer Auswahl und Zusammenstellung evozieren Grahams Fotografien Tristesse und Eintönigkeit und entsprechen seiner Intention, Reportagen in Hochglanzmagazinen zu imitieren.[21] Die Ergänzungen der Farbfotografien mit den handgeschriebenen Bildunterschriften wirken wie eine Zugabe mit dem Sinn, die ursprüngliche Intention wiederherzustellen, welche durch die Veröffentlichung im Arts Magazine vereitelt wurde. Jedoch handelt es sich bei dem Print von 1972 um das genaue Gegenteil eines massenproduzierten Zeitschriftenartikels mit Verfallsdatum, sondern um ein Unikat auf Auftrag. Das, was wie eine Vorarbeit zu einem Magazinessay aussieht, kann erst nach diesem entstehen, denn Graham verwendet das bereits Gedruckte als Material für seine Collage. So ist die Foto Offset-Veröffentlichung als eine Retrospektive lesbar, in der er seine Fotoarbeiten einerseits und seinen Artikel andererseits überkreuzt und sie wie in einem Erinnerungsalbum ausschneidet und aufklebt. Doch auch diese Einsicht gilt mit Einschränkungen, da Graham die Textbausteine der Lithografie zwar verwendet, wo sie allerdings nicht passen, wird der Text neu gesetzt und dann geschnitten (zumal die Ausschnitte für die Arbeit zugleich vergrößert werden mussten).[22] Wenn nicht mit der Lithografie aus dem Vorjahr schon geschehen, dann platziert Dan Graham Homes for America nun endgültig in der Kunstwelt, indem er eine Spezialanfertigung für den Kunstsammler Herman Daled verwirklicht.

Variante #9: For Publication, 1975

Abb. 8: Dan Graham, Homes for America, For Publication, Otis Art Institute of Los Angeles, 1975, S. 15.

For Publication wird 1975 anlässlich einer Ausstellung in der Galerie des Otis Arts Institute of Los Angeles herausgegeben und Homes for America dafür vollkommen überarbeitet. Eine Anspielung auf die ursprüngliche Veröffentlichung im Arts Magazine ist mit der Aufteilung in Spalten gemacht, jedoch wird mit dem Schriftanteil frei verfahren und jener ästhetisch mit ausgewählten Fotografien arrangiert.

Auf der dem Titel folgenden Doppelseite macht sich Dan Grahams Beschäftigung mit Printdesign bemerkbar. Die linke Seite ist thematisch und visuell zweigeteilt: Oben befasst man sich mit den Hausmodellen, unten mit den Fassadenfarben. Jeweils interagieren die Listen mit den getreppten Elementen in den korrespondierenden Fotografien. An dieser Stelle übernimmt Graham ein Element aus der Nova Scotia Lithografie: Dort wurde ein graues Rechteck eingeführt und mit „Moonstone Grey“ beschriftet, um eine Farbprobe zu imitieren. Das Spiel, eine Musterfarbe in einem Schwarzweißprint abzubilden, wenngleich sie auch grau gewesen ist, erfährt in der For Publication-Variante ein ironisches Zitat. Denn anstatt ein graues Rechteck einzufügen, befindet sich an dieser Stelle ein schwarzer Balken mit der gleichen Farbbezeichnung.

Abb. 12: Dan Graham, Homes for America, For Publication, Otis Art Institute of Los Angeles, 1975, S. 16, 17.

Abb. 9: Dan Graham, Homes for America, For Publication, Otis Art Institute of Los Angeles, 1975, S. 16, 17.

Dem ‚Monument‘ Homes For America ist auf der letzten Seite mit einer Fotografie, die die untere Seitenhälfte einnimmt, ein Schlusspunkt gesetzt. Sie nimmt die Bildinhalte der vorausgehenden auf, indem sie abgestufte Hausfassaden, Hauseingänge und Treppen zeigt; dies jedoch in abgewandelter Form, sodass ein anderer Aufnahmeort offensichtlich wird und die Universalität des beschriebenen Phänomens unterstrichen ist.

Abb. 13: Dan Graham, Homes for America, For Publication, Otis Art Institute of Los Angeles Los Angeles, 1975, S. 18.

Abb. 10: Dan Graham, Homes for America, For Publication, Otis Art Institute of Los Angeles Los Angeles, 1975, S. 18.

Mit For Publication stellt Graham die Frage nach „Design als Kunst“. Er gestaltet diesen Katalog als fast quadratisches, weiß glänzendes Präsentationsobjekt.[23] Dementsprechend wird mit dem Inhalt umgegangen, denn die dort abgedruckten „printed matter” werden nicht als Wegwerfprodukte behandelt, die mit der nächsten Magazinausgabe in Vergessenheit geraten. Ihnen wird viel Raum gegeben, indem vor allem die Überschriften für jedes Kapitel/jedes Werk, aber auch die neu gesetzten Texte besonders groß gedruckt sind. In schlichtem, hochglänzendem Weiß gleicht For Publication selbst einem dreidimensionalen Ausstellungsstück. Homes for America, das als zweidimensionale Intervention gegen die Galerie und den Status des Kunstobjekts seinen Weg begonnen hatte, ist Teil eines Designobjekts geworden.

Variante #11: Articles, 1978

Rudi H. Fuchs (später Direktor der documenta 7) holt Dan Graham 1978 in die Niederlande, um ihn dort im Van Abbemuseum in Eindhoven zu präsentieren. Es entsteht ein aufwändiges Künstlerbuch mit dem schlichten Titel Articles. Es enthält eine Auswahl kunsttheoretischer und popkultureller Texte Grahams und Homes for America. Auch dieses Mal wird Homes for America an die übrigen Texte angeglichen, dennoch wird seine besondere Bedeutung durch das Ausmaß, das Homes for America in Articles einnehmen darf, deutlich. Über zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung, als der Essay gerade einmal eine Seite und eine halbe Spalte lang war, ist er bedeutungsschwanger auf sechs Seiten ausgedehnt.

Abb. 14: Dan Graham, Homes for America, Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 5.

Abb. 11: Dan Graham, Homes for America, Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 5.

„Homes for America“ ist neu gesetzt und steht einzeilig, groß, schwarz und zentriert auf dem weißen Papier. Auf der folgenden Seite sind zwei einstimmende Elemente platziert: oben ein fotografisches Bild, unten ein Schriftbild. Die Fotografie, wie alle weiteren in dieser Variante, hat Homes for America in der Vergangenheit schon visuell begleitet. Der Textblock am unteren Seitenrand korrespondiert optisch, der Text stammt allerdings nicht von Dan Graham, sondern ist ein Kommentar von Fuchs und steht dennoch innerhalb des Layouts. Für den ausgewogenen Gesamteindruck nimmt Dan Graham wieder einige Fotografien aus der Komposition heraus, die den Artikel manches Mal überfrachtet hatten und kreiert Orte, an denen das Auge verweilen kann.

Graham entscheidet sich, die Parodie auf eine Farbprobe mit in diese Version aufzunehmen, jedoch handelt es sich nicht um die einfache Übernahme des schwarzen Balkens, sondern um ein gräuliches Rechteck, das nun tatsächlich dem Farbton „Moonstone Grey“ entsprechen könnte. Unter die vergleichsweise neue Abbildung fügt Graham „The Serenade“ der Florida Cape Coral Agentur ein, jene Abbildung, welche seit zwölf Jahren mit Homes for America assoziiert wird. Für die anschließende Seite übernimmt Graham aus For Publication, Schrift und Bild so zu verteilen, dass die Buchstabensäulen neben die „Like“s und „Dislike“s rücken.

Abb. 15: Dan Graham, Homes for America, Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 6, 7.

Abb. 12: Dan Graham, Homes for America, Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 6, 7.

Abb. 16: Dan Graham, Homes for America, Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 8, 9.

Abb. 13: Dan Graham, Homes for America, Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 8, 9.

Die vorletzte Seite enthält keinen Fließtext, sondern große Abzüge der zwei Fotografien, die die parallelen Hauseingänge dokumentieren. Graham setzte sie erstmals im ‚Fake‘-Artikel in End Moments (1969) ein, um die Geschichte des Artikels rückwirkend zu ändern und um dessen vermeintlich intendiertes Aussehen wiederzugeben. Damals wirkten die Bilder klein und formatiert in eine Spalte gepresst wie fotografische Entsprechungen der treppenden Listen und parallelen Spalten und stellten so Bezüge zwischen geschriebenem und abgebildetem Inhalt her. In Articles scheinen sie aufgrund ihrer Größe für sich zu stehen und keine (nur) unterstützende Funktion zu haben. Mehr denn je ist der Betrachter geneigt an Fotojournalismus zu denken. Die letzte Seite beschließen die restlichen Zeilen des Artikels. Unter, über und rechts des kurzen Abschnitts breitet sich das Weiß des Papiers aus – die Homes for America-Variante in Articles kommt einer Versöhnung aller bisherigen Versionen gleich.

Homes for America von 1978 endet ohne vorzugeben ein Reprint aus einer Zeitschrift zu sein. Mehr noch: der Kommentar, dem Fließtext vorgeschaltet, enthüllt bereits das Geheimnis, noch bevor der Leser mit der Lektüre beginnt. Dort beschreibt Fuchs knapp den Hergang der Initialveröffentlichung von Homes for America. Er erwähnt die Dia-Show „Projected Art“, den Vorschlag des Arts Magazines, die Bilder zu veröffentlichen und enthüllt: „[…] in the December-January issue 1966-67, they had removed all but one photograph, thus destroying the author’s original intention.“[24] Von diesem Zeitpunkt an wird Dan Graham keine Publikation des Essays mehr als Original-Layout tarnen und beendet das Verwirrspiel.[25]

IV.

Dan Graham hält sich gestalterisch durchweg an die Magazinform, jedoch verändern sich mit den Publikationsbedingungen die Materialität des Trägermediums und der Raum, der Homes for America zunehmend gegeben wird – sei es durch die Ausdehnung auf mehrere Seiten oder durch die Vergrößerung des Formats. Das jeweilige Ausmaß des Artikels ist nicht zuletzt der Anzahl der verwendeten Fotografien geschuldet. Generell wählt Graham für alle verschiedenen Versionen aus denselben acht Bildern aus.[26] Die Fotos wirken zudem auch über die Artikel-Varianten hinaus, insofern sie ohne den Graham-Text rezipiert werden, in anderen Zusammenhängen abgedruckt sind, „Originale“ sowie Abzüge mittlerweile weite Distribution erfahren haben und bis heute weitere Aufnahmen angefertigt werden, die gemeinsam mit den „alten“ Homes for America unter dem selben Titel gezeigt werden.

Was als Fake-Reportage für ein Massenmedium begann, gelang anschließend in ein limitiertes Künstlerbuch und von dort aus, über kunsthandwerkliche Reproduktionen, schließlich in einen Museumskatalog. Homes for America ist als eine Arbeit zu behandeln, welche aus gleichberechtigten Segmenten besteht und dessen Reiz aus der Verstrickung und der Wiederholung entsteht und nicht aus der vermeintlichen Radikalität des schnell zusammengeschriebenen Essays in den späten 1960er Jahren.[27] Erst mit den Wiederholungen, besser gesagt nach ihnen, entsteht das Bewusstsein um ein „Original“. So kann der Artikel im Arts Magazine nur retroaktiv zur Inkunabel der Konzeptkunst werden – Nämlich erst dann, wenn er Ausstellungsobjekt, Sammlerstück und wissenschaftlicher Gegenstand geworden ist.


[1] 1966, in: Arts Magazine, Vol. 41, Nr. 3, Dezember 1966-Januar 1967, New York 1966, S. 21-22.

1970, in: Dan Graham, End Moments, New York 1969/70, S. 43.

1970, in: 1966, John Gibson Gallery, New York 1970, o.S.

1971, in: Interfunktionen, Nr. 7, Köln 1971, S. 65-67.

1971, Lithografie, Nova Scotia College of Art & Design, Halifax, 1971.

1972, in: Dan Graham, Selected Works. 1965-1972, Lisson Gallery, London 1972, o.S.

1972, Foto Off-Set Print, Privatsammlung Daled, Brüssel 1972.

1974, in: Dan Graham, Textes, Galerie 17, Paris 1974, o.S.

1975, in: Dan Graham, For Publication, Otis Art Institute of Los Angeles, Los Angeles 1975. S. 15-18.

1976, in: Dan Graham, Kunsthalle Basel, Basel 1976, S. 18,19/20/21.

1978, in: Dan Graham: Articles, Van Abbemuseum, Eindhoven 1978, S. 5-10.

[2] Erstmals abgedruckt in: Art & Language, Vol. 1, Nr. 1, Mai 1969, S. 11-13 veröffentlicht. Seine Paragraphs on Conceptual Art erscheinen in: Artforum, Vol. 5, Nr. 10, 1967, S. 56-57.

[3] Vgl. Mike Metz & Dan Graham: Dan Graham, in: BOMB, Vol. 46 (Winter 1994), New York 1994, S. 2, URL: http://bombsite.com/issues/46/articles/1722 [10.9.2015].

[4] Vgl. Benjamin H. D. Buchloh, Conceptual Art 1962.1969: From the Aesthetics to Critique of Institutions, in: OCTOBER, Vol. 55 (Winter 1990), Cambridge 1990, S. 123.

[5] Vgl. Mark Wigley: The Reluctant Artist, in: Craig Buckley & Mark Wasiuta (Hrsg.): Dan Graham’s New Jersey, New York 2012, S. 92.

[6] Vgl. Gloria Moure: Dan Graham, in the Third Discontinuity, in: dies. (Hrsg.): Dan Graham, Barcelona /Santiago de Compostela 1998, S.13-18.

[7] Die Ausstellung fand vom 8. Dezember 1966 – 8. Januar 1967 im Finch College Museum of Art statt, kuratiert von Elayne Varian. Vgl. Rhea Anastas: Chronology of Works and Writings 1965-2000, in: Marianne Brouwer (Hg.), Dan Graham. Works 1965-2000, Düsseldorf 2001, S. 102.

[8] Dan Graham im Interview mit Mark Wasiuta (8. Februar 2007). Vgl. Mark Wasiuta & Dan Graham: Interview, in: Craig Buckley & Mark Wasiuta (Hg.), Dan Graham’s New Jersey, New York 2012, S. 104-105.

[9] Das Bild befindet sich dort auf der Doppelseite 27 des zweiten Teils und ist mit „Wooden Houses, Boston, Massachusetts, 1930“ betitelt. Vgl. Evans, Walker, American Photographs, New York 1938 / hier: FÜNFUNDSIEBZIG JAHRE AMERICAN PHOTOGRAPHS. Die Jubiläumsausgabe des Department of Publications, The Museum of Modern Art, New York / München 2012, S. 27.

[10] Vgl. Wasiuta & Graham 2007, S. 105.

[11] Vgl. Graham 1969/70.

[12] Vgl. Graham 1969/70, S. 42.

[13] Die Variante übernimmt zwar das Aussehen eines Zeitschriftenaufsatzes, nicht aber die Nennung des Magazintitels und der Ausgabennummer am rechten unteren Seitenrand. Der Verweis auf das Arts Magazine erfolgt erst bei den „Credits“ am Katalogende: „’HOMES FOR AMERICA’ first published: ARTS MAGAZINE, December-January, 1966-67“.

[14] Dan Graham: Homes for America, in: Interfunktionen, Nr. 7, 1971, S. 65-67. Interfunktionen erscheint von 1968–75 in Köln. Es soll in der Zeitschrift Kunst stattfinden und diese demgemäß gestaltet werden. Das „direkte“ Layout besteht mitunter aus Originalen und Faksimiles, welche folglich auf unterschiedlichem Papier gedruckt sind und somit eine heterogene Erscheinung und Haptik bedingen. Dass Interfunktionen rückblickend die maßgeblichen Künstler jener Jahre vereint, erklärt Heubach rückblickend mit Empfehlungen, welche er von (Künstler-) Freunden erhielt – allen voran Dan Graham. Vgl. Friedrich W. Heubach, Interfunktionen 1968-1957, in: Gloria Moure (Hg.): Behind the facts. Interfunktionen 1968-1975, Barcelona 2004, S. 46 und S. 50-51.

[15] In Interfunktion ist demnach der englische Text abgedruckt. Für spätere Versionen in Paris (1974) und in Basel (1976) ordnet Graham Übersetzungen in Französisch und Deutsch an. Der Grund für die Wiederverwendung des schon existierenden Druckmaterials könnte in der unsteten finanziellen Lage von Interfunktionen zu finden sein. Vgl. Heubach 2004, S. 51.

[16] 1982 veröffentlicht die NSCAD Press einen Katalog, der u.a. Reproduktionen der am College entstandenen Lithografien und die Publikationen des Verlags listet. Für Homes for Amerika lautet die Angabe: “One colour lithograph, 22” x 30”, image size 18” x 18”, Edition of 50 on Arches paper, 1971, NSCAD Print ‘143” Vgl. “Prints from the Collection”, in: NSCAD: The Nova Scotia College of Art & Design(Hg.) prints and books, Nova Scotia College of Art & Design, Halifax 1982, S. 29. Die Lithografie scheint zwischen dem 19. Februar und dem 10. Mai 1971 verwirklicht worden zu sein. So lautet zumindest die Bildunterschrift zu einer Abbildung der Lithografie in einem Interview zwischen Graham und Hans Ulrich Obrist. Vgl. Hans Ulrich Obrist, Dan Graham, The Conversation Series, Bd. 25, Köln 2012, S. 108.

[17] Außerdem sind all jene Listen, die nicht zentriert sind (das heißt alle außer den Buchstabenpermutationen), nun nicht mehr wie in der Zeitschrift von 1966/67 eingerückt, sondern am Spaltenrand ausgerichtet. (In Interfunktion war die Ortsliste auch schon an den Spaltenrand gerückt.)

[18] Robert Smithson benennt Arbeiten, welche aus einer solchen Praxis entstehen, als „Language to be looked at and/or things to be Read“. Sprache werde gleich Objekten behandelt – sie könne angesehen werden, angehäuft, aufeinander gebaut und umher bewegt werden – genauso wie umgekehrt mit Objekten gleich wie mit Worten verfahren werde, indem man sie lesen und interpretieren könne. Er erklärt: „Language operates between literal and metaphorical signification. The power of a word lies in the very inadequacy of the context it is placed, in the unresolved or partially resolved tension of disparates.“ Smithson erklärt zudem: „My sense of Language is that it is matter and not ideas – i.e. „printed matter.““ Vgl. Robert Smithson, Language to be Looked at and/or Things to be Read, Dwan Gallery Press Release, Juni 1967, in: Smithson 1996, S. 61.

[19] Vgl. Eric Cameron, The Institution in Proportion – Why NSCAD Works, in: NSCAD: The Nova Scotia College of Art & Design 1982, S. 22. Ob dem exakt so gewesen ist bleibt zu bezweifeln. Zum einen ist zu bedenken, dass Graham die Überschrift nicht erdacht hat. Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit Graham die Magazin-Typografie, deren Schriftgröße usw. bedacht haben könnte und vor allem an welcher Stelle der Artikel in der Zeitschrift gestanden hätte.

[20] Die Bildunterschriften verraten, dass es sich um Interieurs von Modellhäusern handelt, also um Räumlichkeiten, die nicht von Privatleuten nach ihrem Geschmack eingerichtet sind. Den Informationscharakter, der die Außen- und Innenaufnahmen (inkl. Bildunterschriften) auszeichnet, ist durch die zwei nicht von Graham aufgenommenen Bilder ergänzt. Eine der Abbildungen ist der Ausschnitt „The Serenade“ – aus einer vorherigen Version herausgeschnitten und daher als einziges Bild schwarz-weiß – und ein Farbbeispiel „LAWN GREEN“. Das kleine, grüne Rechteck ist innerhalb der Aufzählung der Fassadenfarben platziert. In der Lithografie am NSCAD hatte Graham bzw. der Workshop auch schon ein solchen Rechteck eingefügt. Damals war es „Moonstone Grey“ gewesen, ein Farbton der bei einem unfarbigen Druckergebnis trotzdem getroffen werden konnte. Die Beschriftung „LAWN GREEN“ wurde nicht per Hand auf das Trägerblatt geschrieben, sondern gedruckt, ausgeschnitten und aufgeklebt.

[21] Dan Graham : „[…] what I was doing with Homes for America […]was a parody of a serious article in Esquire by a sociologist together with a good photographer, bemoaning the banality of the suburbs“. Vgl. Obrist 2012, S. 112.

[22] So hat bspw. die Überschrift ohne den Untertitel vorher nie existiert und auch die Buchstabenpermutationen mussten erneut zusammengefügt werden.

[23] Ein Artikel Dan Grahams, der 1986 im Museumjournaal (Otterloo) erscheint, gibt – wieder einmal aus der Retrospektive – Hinweise auf eine Auslegung. In Art as Design/Design as Art trachtet Graham danach, die Beziehung zwischen der Amerikanischen Pop Art und Fragen des Designs zu erörtern, da er jene Verbindungen durch die Kunstwissenschaft als verschüttet annimmt. In dem letzten Abschnitt des Artikels untersucht Graham John Knights Journal Piece, um unter anderem zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass Kunstobjekte mitunter validiert werden, indem sie in Hochglanzmagazinen reproduziert und in ein wohl designtes Setting eingesetzt sind. Vgl. Dan Graham: Art as Design/Design as Art, Museumjournaal, no. 3-4, Otterloo 1986, S. 183-193. Wieder abgedruckt in: Dan Graham, Rock My Religion. Writings and Art Projects. 1965-1990 (ed. Brian Wallis), MIT Press, Cambridge 1993, S. 208-221.

[24] Vgl. Kommentar von Rudi H. Fuchs, in: Graham 1978, S. 6.

[25] Hier beschließt auch Mark Wigley den ‚Zyklus‘, Rainer Metzger hingegen zählt die Version in Dan Grahams Rock My Religion (1993) noch dazu. Vgl. Wigley 2102 und das Werkverzeichnis in: Rainer Metzger, Kunst in der Postmoderne: Dan Graham, Köln 1996.

[26] Lediglich in der mit farbigen Abzügen ausgestatteten Anfertigung für Herman Daled finden sich Fotos, die nur dort im Zusammenhang mit Homes for America zu sehen sind.

[27] Mark Wigley hat das Phänomen Homes for America richtig erkannt, wenn er schreibt:

„[…] the most radical dimension of Homes for America is systematically overlooked. It is not just that the photos never appeared in Arts Magazine. […] but the fact that a whole series of versions was produced, each which appears to show the original publication […].Homes for America can itself be seen as a serial work that follows its own description of the suburbs, with each variation of the essay having the same status as any version of a house in a tract development.“ Vgl. Wicgley 2012, S. 91. Mit der Einschränkung, dass nicht alle Varianten das Arts Magazine vorgaukeln, insofern manche den Zeitschriftenverweis nicht enthalten.

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ALL CAPS

Das Brooklyn Museum zeigte vom 3. April bis zum 23. August acht Notebooks von Jean-Michel Basquiat. Die Ausstellung lenkt den Blick damit auf eine bisher kaum erforschte Werkgruppe des 1988 verstorbenen Künstlers, deren vollständiges Ausmaß nach wie vor ungeklärt bleibt. Sie versteht sich aber nicht nur als Startpunkt einer zukünftigen Auseinandersetzung, sondern gleichsam als Neuperspektivierung der medialen Bedingungen des Gesamtwerks.

Die aus dem schwarz-weiß gemusterten Umschlag der Composition-Books herausgetrennten Seiten finden sich aufgereiht in Glasvitrinen oder voneinander durch Rahmungen separiert an der Wand hängend. Vor dem Eingang des einzigen Ausstellungsraums ist an prominenter Stelle die Mitgliedskarte des Brooklyn Museums des sechsjährigen Jean-Michel platziert, die unmissverständlich die Verbindung von Ort und Künstler, Institution und Werk offenlegt. Außer diesem historischen Dokument verzichtet die Ausstellung auf eine emotionalisierende Darstellung Basquiats, was gerade in Hinsicht auf die ohnehin gegebene Intimität des präsentierten Mediums folgerichtig erscheint. Die ca. 24x19cm großen, linierten, weißen Blätter werden in Dialog mit großformatigen Gemälden, zwei bemalten Holzplatten und einem mehrseitig bemalten Holzwürfel gesetzt. Eine Kontextualisierung, deren Sinn nicht in der Bestimmung der Notebooks als Skizzen oder Vorstudien liegt, sondern die vielmehr auf Basquiats Umgang mit medienspezifischen Eigenschaften von Bildträgern und der damit einhergehenden Auflösung von Grenzziehungen zwischen den Medien hinweist. Auch der Umgang mit Text, Schrift und ihrer grafischen Gestaltung, die von Anfang an im Mittelpunkt von Basquiats Schaffen steht und nicht nur dessen Ursprung markiert, wird durch das Ausstellungskonzept neu lesbar.

Die Verwandtschaft zum malerischen Werk ist an einigen Stellen evident. Die Übernahme von Schriftzügen, einzelnen Wörtern oder Figuren ist wohl leicht nachvollziehbar und kaum überraschend. An Beat-Literatur angelehnte Gedichte, auf verschiedenste Weise durchgestrichene Sätze, das in drei horizontale Striche zerlegte E und das als Label und Signatur fingierende SAMO©, dessen Auftauchen in New York ab den späten 70er-Jahren von Henry Flynt photographisch dokumentiert wurde,[1] sind nur einige Elemente, die zu einer spontanen Vertrautheit mit den Notebooks führen. Die Ähnlichkeiten sollten jedoch keineswegs zu einer schablonenartigen Betrachtung verführen. Wie ich im Folgenden zeigen werde, wohnt den Unterschieden das deutlich größere Potenzial inne. Sie lassen nicht nur Rückschlüsse auf die Funktion der Notebooks selbst, sondern auch auf das Gesamtwerk zu.

„Der Wand-Künstler respektiert die Wand wie er den Rahmen seiner Staffelei respektiert[,]”[2] schreibt Jean Baudrillard in Kool Killer und obwohl Basquiats frühe Graffiti-Arbeiten aus ästhetischer Perspektive nur wenig mit dem zu tun haben, was spätestens 1983 durch Charlie Ahearns Film Wild Style einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde, scheint die Frage nach der Materialität und Medialität zentral für die Positionierung der Notebooks zu sein. Auch wenn Dieter Burchhart im Ausstellungskatalog in Referenz auf Joseph Beuys und Leonardo Da Vinci die Autonomie des Notiz- oder Skizzenbuchs proklamiert, zeigt die Auswahl der Werke, dass das neue Material keineswegs vom Himmel gefallen ist. Der Nachweis künstlerischer Filiation zwischen Basquiat und Leonardo gerät genau da ins Wanken, wo die Eigenarten der Medien unterschlagen werden. Um die Autonomie der Notebooks zu unterstreichen, werden auf kunsthistorisch gängige Weise zwei Bilder nebeneinandergestellt, deren Affinität veranschaulicht werden soll. Der verfolgte Effekt stellt sich auch ein, allerdings vergleicht Burchhart eine Notizbuchseite Leonardos mit einem Gemälde Basquiats. Die Nichtbeachtung von Format und Material verstellt den Blick auf die Notebooks, die ihren Autonomiestatus eben nicht durch Bezugnahmen auf eine eurozentrische Kunstgeschichte erhalten. Erst das Betrachten ihrer formalästhetischen Eigenschaften und der Vergleich mit dem malerischen Werk lassen erkennen, wieso ihnen besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte.

Zunächst ist auffällig, dass Basquiat nur in den wenigsten Fällen die Versoseite verwendet. Bis auf vier Ausnahmen beschriftet er ausschließlich die Rectoseite, was die Hängung im Brooklyn Museum plausibel macht. Wie ein Graffiti kennen auch Basquiats Notebookseiten keine Rückseite. Erstaunlich ist darüber hinaus die Wahl von linierten Blättern, die sich in den klassischen Schulheften finden. Die Linien werden von Basquiat respektiert, weder übertritt er die rote Korrekturlinie, noch die einzelnen Zeilen.[3] Nur drei der rund 200 Seiten sind im Querformat gestaltet und anders als in den ausgestellten Gemälden, zum Beispiel Untitled von 1986, werden Text und Zeichnung überwiegend getrennt.[4] Dabei handelt es sich um den wohl evidentesten Unterschied zu dem bisher bekannten Basquiat, der kontinuierlich Text und Bild ineinanderfließen lässt, Textblöcke kombiniert, mit Symbolen versieht und in Beziehung zu gemalten Elementen setzt, beziehungsweise die klare Trennlinie zwischen Gemaltem und Geschriebenem auflöst. Die Handschrift ist keinen allzu großen Änderungen unterworfen. Basquiat schreibt in Groß- bzw. Blockbuchstaben, ALL CAPS, und wenn er von der auch in seinen Gemälden angewandten Schrifttype, die er sein gesamtes Werk über beibehält, abweicht, dann offensichtlich nur, um Telefonnummern, Daten, Uhrzeiten oder Einkaufszettel zu notieren.[5] Die Farbpalette ist äußerst beschränkt, neben schwarzem und blauem Kugelschreiber werden kaum andere Farben verwendet. In diesem strengen und auf wenige Ausdrucksmöglichkeiten beschränkten System wirkt der Fußabdruck auf Blatt 89 mehr als ein Unfall denn als künstlerisch beabsichtigtes Gestaltungsmittel. Die acht ausgestellten Notebooks, die einen Großteil von Basquiats Schaffen in den 80er-Jahren umfassen, zeugen von großer formaler Strenge und lassen sich im Kontext des Werks eben nicht als Hefte für Vorstudien lesen. Worin aber liegt das Wesen der Notebooks, wenn sie nicht zur Generierung neuer Schrifttypen, der Elaborierung eines bestimmten Sujets oder dem Austarieren einer Bildkomposition dienen?

Das Verhältnis zwischen dem Tanz an der Leinwand, der immer wieder in Tamra Davis’ Dokumentarfilm The Radiant Child (2010) gezeigt wird, und der Versenkung in das Liniensystem der Schulhefte, auf deren Titelblattrückseite stets Tabellen für Noten und Leistungsnachweise gedruckt sind, lässt sich schlichtweg nicht auf dasjenige von Studie und Ausführung reduzieren. Auch die Isolierung der Werkgruppen wäre unterkomplex und würde Basquiats Handschrift nicht erschließen.

Abb. 1: Jean-Michel Basquiat, Untitled, 1986, Acryl, Collage und Oilstick auf Papier auf Leinwand, 239x346,5cm, Collection of Larry Warsh.

Abb. 1: Jean-Michel Basquiat, Untitled, 1986, Acryl, Collage und Oilstick auf Papier auf Leinwand, 239×346,5cm, Collection of Larry Warsh.

„Just remember, ALL CAPS when you spell the man name”[6] – die Konstante, die Leinwand, Mauer und Papier zusammenhält, sind die Großbuchstaben. Sie sind zugleich leicht identifizierbare Handschrift und merkwürdig entpersonalisiert, mechanisch. Sie sind der ständige Hinweis auf Basquiats künstlerische Wurzeln in der Graffitiszene. Sie sind expressiv und monoton, undifferenziert und von grafischer Qualität, allgemein und intim, für BetrachterInnen und das Selbst.

Die im Dispositiv des Mediums angelegte Intimität des Notebooks bringt Basquiat zu einer reduzierten Expressivität. Das Schulheft bildet einen Antipol zum üblichen Arbeitssetting, in dem Basquiat zu Ravel und Bebop tanzend, die Zigarette im Mundwinkel, mit schnellen und ausholenden Gesten die Quadratmeter der Leinwand füllt und füllt. Dem horror vacui schwört er in den Notebooks keineswegs ab, er erzeugt die dichten Strukturen jedoch auf medial abgestimmte Weise. Nicht die einzelne Seite wird gefüllt, sondern Seite um Seite. Der Eindruck, der sich ad hoc beim Betrachten der Gemälde einstellt, wird in den Notebooks verzeitlicht. Die Konfrontation mit einer überfordernden Masse von Bild- und Textelementen stellt sich erst mit Blick auf die vielen aufeinanderfolgenden Blätter ein. Der Reiz von Basquiats Vorstellung eines Daumenkinos liegt in der materialsemantischen und medienspezifischen Ausrichtung, die vor allem im Kontext des Gesamtwerks zu Neuperspektivierungen führt.

Abb. 2: Jean-Michel Basquiat, Untitled Notebook 1, Tinte auf liniertem Papier, 24,4x19,4cm, Collection of Larry Warsh.

Abb. 2: Jean-Michel Basquiat, Untitled Notebook 1, Tinte auf liniertem Papier, 24,4×19,4cm, Collection of Larry Warsh.

Befragt man die Notebooks nach ihrem Status innerhalb dieses Werks, ist es unausweichlich, es auf Diskontinuitäten sowie durchgehende Stränge zu untersuchen. Einige davon wurden bereits angerissen: Die Großbuchstaben und die Texte selbst finden sich in beiden Medien, während die Einhaltung des linierten Ordnungssystems und die fast durchgehende Trennung von Text und Bild aus Sicht der Malerei Basquiats als untypisch bezeichnet werden muss. Gemälde wie Untitled (1986) (Abb.1) orientieren sich auf kompositorischer Ebene mehr an dem, was man heute als mindmap bezeichnet oder früher in den Notizen Leonardos findet. Das Überschreiten oder gezielte Nicht-Einhalten von Grenzen beschränkt sich jedoch nicht auf die Bildfläche, auch in Hinsicht auf die Wahl des Materials spielt dies eine Rolle. Basquiat, die Bildmaschine, die von ihrem Bewunderer Andy Warhol aufgrund ihrer Schnelligkeit beneidet wurde, machte vor nichts halt. Ob die Mauern, Häuser und Türen in Manhattan, den Holzwürfel oder einen Kühlschrank, alles bemalte er. Kein Format, an dem er sich nicht ausprobiert hätte. Von den Postkarten, die der bald tote Warhol als eine Art erste Liebespost erwarb, den großformatigen Leinwänden oder den Notebooks.[7] Die Bildmaschine, die nicht davor scheute Jazzmusiker, Popstars, Comicfiguren, Renaissancemaler, französische Filmregisseure und das Copyrightsymbol auf einem Bild zusammenkommen zu lassen, fühlte sich ausgerechnet in dem Medium, dessen Funktion explizit darin liegt das unfertige Werk, den noch genauer zu fassenden Gedanken oder die eine oder andere Schnapsidee in sich aufzunehmen, der Linie verpflichtet, trennte Text und Bild und überließ das Rausreißen der Seiten den Kuratoren. Zumindest teilweise ließe sich hinzufügen – dass das Verhältnis von Notebooks und Malerei für Basquiat selbst ein Experimentierfeld darstellte, lässt sich an einer Collage von 1982/83 ablesen: Einzelne DINA4-Blätter werden flächendeckend auf die Leinwand aufgeklebt und dienen anschließend als eine Art Hintergrund für Gebilde aus Ölkreide, mit denen sie übermalt werden. Basquiat stellt so nicht nur die Dichotomie von Vorder- und Hintergrund zur Disposition, er nutzt die Leinwand als Ort eines Mediensammelsuriums, als Labor, in dem Medienspezifik und ihre Grenzen ausgelotet werden. Die Leinwand erfüllt so eine Funktion, die von den präsentierten Notebooks nicht übernommen wird. Das in der Ausstellung ermöglichte vergleichende Sehen bildet die Grundlage für das Entdecken und Entziffern der Notebooks.

Die Ausstellung im Brooklyn Museum demonstrierte auf eindrucksvolle Weise die Komplexität eines Werks, das sich finalen Zuschreibungen und Deutungen verschließt und Diskontinuitäten aufweist, die nicht als Mangel an künstlerischer Kohärenz gedeutet werden können. Das Potenzial von Basquiats Werk liegt in genau diesen Bruchlinien, die man nicht zusammenflicken, sondern zu ihrem Recht kommen lassen sollte.


[1] Henry A. Flynt Jr., VIEWING SAMO©, 1978 – 1979. URL: www.henryflynt.org/overviews/samo.htm

[2] Jean Baudrillard (Hg.), Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen, Berlin 1978, S. 34.

[3] Die Ausnahmen – wie etwa Blatt 91 – bestätigen die Regel und den Gesamteindruck.

[4] Kombiniert werden sie beispielsweise in einer auf dem Blatt selbst als Vorstudie bezeichneten Skizze zu den Famous Negro Atheletes, deren Leinwandausführung ebenfalls in der Ausstellung gezeigt wurde.

[5] Vgl. Blatt 40 – 43, bezeichnenderweise die letzten Seiten des ersten Heftes.

[6] MF DOOM & Madlib are Madvillain, All Caps, Madvillainy 2003.

[7] Umso bereichernder ist Basquiats Ter Borch-Bezug in Szene gesetzt. Das Gemälde vereint die Zusammenführung von Text und Bild, wirft Fragen nach den Zitier- und Bezugsmöglichkeiten der zeitgenössischen Kunst auf und legt Fährten zur Relation von imaginären Bild und historisch-kulturell bedingtem Bildgedächtnis – kurzum: Basquiats Werk in a nut shell.

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I want You to want Me

Matt Taber, I want You to want Me, 2015
5 aggregates of webcontent, 1 set of wallpapers, 6 digital images.

PLEASE NOTE: To see the full work by Matt Taber disable all pop-up blockers and click the links on the right again.

It is really simple, says Gilles Deleuze in his Abécédaire, you do not desire a woman, you also desire the environment she wraps herself in. Accordingly, you probably would not wish for a jacuzzi filled from a miniature waterfall complete with modeled wooded cliffs, but you may get lost in the whole theme of adventure and travel envisioned in the “Up, Up & Away” suite at the Don Q Inn, Wisconsin. It’s all about the relations and constellations wherein things appear, and that opens the door for all kinds of substitutes, miniatures, fetishes.

The disguises of desire and its impacts on our experience of the world we live in are mirrored in Matt Taber’s contribution to the 9th issue of all-over. Taber has combined his own work – or rather placeholders for and images taken from his work – with found web content. The links and GIF-wallpapers he has collected are integrated into the all-over website to create a digital space pastiche out of the magazine’s contents and some major themes of Taber’s current work. The pdf version features an additional series of images, combining a videostill-cum-selfportrait with several interior views of the installations 9 rooms (2014) and of Intermission 1 (2014).

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Ausgabe #8

Editorial

Alisa Beck
Die Felsgravierungen in Valcamonica
Bildgebende Verfahren und mediale Aneignung in der Wissenschaft

Philippe Zourgane
The Politics of Vegetation

Ulrich Nausner
Untitled (Spiral binding)

Evelyn Klammer
„Ich“ als Flasche, „Selbst“ als Gurke?
Selbstporträts in Dingen

Ariane Koch und Sarina Scheidegger
ALLES SCHWARZ

Christian Scherrer
Albert Oehlen – postungegenständliche Abstraktion

Delphine Chapuis Schmitz
Conversation
An hour-long polyphonous glance from five to six behind-the-scenes – scripts as well as excerpts are highly welcome

Matthias Egger
Klappe auf für das A – Z der kinematografischen Objekte

Die vollständige Ausgabe von all-over #8 gibt es hier als PDF zum download.

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