Eine Wiener Melange

I

Eine der größten Herausforderungen für Neubauten in der Stadt ist deren Einfügung in die historische Umgebung. Arthur Mandler schreibt dazu in seinem Aufsatz „Umnutzung alter Bausubstanz als architektonische Aufgabe“: „Die Bandbreite des Umgangs [mit historischer Bausubstanz] reicht von weitgehendem Verzicht auf sichtbare Eingriffe und der Beschränkung auf das für die neuen Nutzungen Nötigste bis hin zur bewussten Verdeutlichung und Inszenierung der geschichtlichen Spuren und des Gebrauchs, von der konservatorisch perfekten Restaurierung bis zur umfassenden Neuinterpretation.“[1] Mandler schreibt weiter von einem „unsensible[n] Umgang mit alter Bausubstanz in früheren Jahren“[2] und fordert in Anlehnung an die Charta von Venedig: „Das zu Erhaltende ist zu suchen, dessen Qualitäten sind freizulegen und das Neue, das Eigene ist authentisch hinzuzufügen.“[3] Diese Charta, die 1964 vom zweiten Internationalen Kongress der Architekten und Denkmalpfleger anerkannt wurde, setzt die grundsätzliche Gleichwertigkeit aller Zeitschichten eines Gebäudes fest, und die Erhaltung sowohl künstlerischer Qualitäten als auch historischer Zeugniskraft. Denkmalpflege bewegt sich zwischen diesen Polen, die für sich allein nie erreicht werden können. Mandler sieht die Zukunft der Bautätigkeit beim Bauen im Bestand, tritt jedoch nicht für eine Erhaltung alter Gebäude um jeden Preis ein: „Das bloße Nebeneinander- und Gegenüberstellen von alten und neuen Bauteilen allein genügt nicht; es bedarf vielmehr stets einer interpretativen Bearbeitung durch den Architekten.“[4]

Abb. 1: Gesamtbild der Bankfiliale, Mai 2014.

Abb. 1: Gesamtbild der Bankfiliale, Mai 2014.

Die Floridsdorfer Bankfiliale Am Spitz 11 kann – obwohl sie 30 Jahre vor dem Text entworfen wurde – als exemplarische Antwort auf diese Forderungen von Mandler und im höheren Maße als Beispiel für die praktische Umsetzung der Charta von Venedig gelten. Ich werde mich in diesem Aufsatz dem umfangreichen Themenkomplex „Bauen im Bestand“ annähern und werde fragen, wie Forderungen wie „interpretative Bearbeitung“ oder „authentische Hinzufügung des Eigenen“ umgesetzt werden können. Dabei werde ich nicht, was unter Umständen durchaus fruchtbar sein kann, einen Vergleich zwischen einer Reihe von Beispielen anstellen, sondern einen einzigen Bau – die genannte Bankfiliale – eingehend untersuchen und ihre Struktur analysieren, um dadurch Erkenntnisse im weiten Bereich des Themengebietes „Bauen im Bestand“ und über dessen Möglichkeiten zu erhalten. Ich bediene mich also der Methode der Induktion, um zu Ergebnissen zu kommen.

II

Die Bankfiliale (Abb. 1) liegt „am Spitz“, das heißt an der Gabelung der Floridsdorfer Hauptstraße nach Prag und Brünn. Der ursprüngliche Bau wurde bereits als Bankfiliale geplant und gebaut – darauf bedacht, zur Hauptstraße ein möglichst eindrucksvolles Bild zu geben. Das späthistoristische Gebäude wurde 1894/95 von Alois Frömml errichtet und ist in seiner Fassade stark gegliedert.[5] Die unterste Zone wird vertikal durch Pilaster, Pfeiler und Halbsäulen, horizontal durch durchgehende rustizierende Bänder unterteilt. Auf ein Gurtgesims mit Konsolen folgt die nächste Zone, die sich Pilastern der Kompositordnung bedient, die Fenster der Ostseite sind zusätzlich mit Ädikulen umrahmt. Bekrönt wird die Fassade durch ein Gebälk – das Kranzgesims hat weitere, anders geformte Konsolen – und im Attikageschoss durch eine Balustrade. Der Eckturm, der den Zugang zum Gebäude bietet, ist von der übrigen Fassade leicht plastisch herausgehoben und wird mit einer Kuppel bekrönt, auf der wiederum eine Statue eines bärtigen Mannes in Renaissancetracht thront, mit einer stehenden Lanze in der Hand.

Abb. 2: Schnitt und Grundriss der Bankfiliale Am Spitz 11.

Abb. 2: Schnitt und Grundriss der Bankfiliale Am Spitz 11.

Aus der Betrachtung der Fassade erschließen sich viele Bauformen, denen sich der Historismus bedient. Mindestens genauso wichtig wie die Schauseite ist die Tatsache, was man vor 1970, wenn man in die Nebenstraße ging, an der Hinterseite des Gebäudes sah: Nämlich nichts. Es steht zwar kein dokumentierendes Fotomaterial zur Verfügung, doch in Berichten ist mehrmals von einer „Baulücke“ die Rede, die dem Neubau zugewiesen wurde. Diese freie Fläche hinter dem Bankgebäude war bloß ein ungünstig geformtes Grundstück: Der zu den Nachbargebäuden hin fast rechtwinklige Bauplatz wird durch die schräge Schwaigergasse „abgesägt“ und erhält somit eine Trapezform. (Abb. 2) Es ist nichts anderes als der „Restplatz“, den die unterschiedlich hohen Nachbargebäude übrig gelassen haben.

Friedrich Kurrent und Johannes Spalt (für die Statik war Wolfdietrich Ziesel zuständig) entscheiden sich für eine Segmentierung des Neubaus in sechs – zur Schwaigergasse hin gleich breite – Abschnitte, die in ihrer Länge von der Pragerstraße weg abnehmen. (Abb. 3) Das kleinste Segment bildet den Übergang zum normal zur Schwaigergasse orientierten Nachbarhaus. Diese letzte nicht vermeidbare „Restfläche“ wird für ein zweites Stiegenhaus mit Tür zur Nebenstraße genutzt, das als zusätzlicher Zugang für MitarbeiterInnen direkt mit den Büros auf den Galerien verbunden ist. Die Segmente nehmen nicht nur in ihrer Länge, sondern auch (mit geringerem Unterschied) in der Höhe ab. Die verbindenden Elemente sind Stahlbetonrahmenbinder, die sowohl von außen als auch von innen sichtbar sind und als die wichtigsten Träger des Gebäudes auch als solche präsentiert werden. Die Lösung der Abschnittbildung bietet einen eleganten Ausgleich des Höhenunterschieds zum Nachbargebäude mittels absteigender Terrassen. Außerdem werden die längeren Abschnitte trotz ihrer höheren Raumtiefe durch die gleichzeitig höheren Fensterflächen weit ausgeleuchtet. Zusätzliche Belichtung bringen die Glasbausteine auf der Rückseite des Gebäudes sowie kleine horizontale Oberlichter zwischen den Terrassen der Decke. Die Segmente entsprechen in ihrer Straßenbreite dem Teil der alten Fassade, der fensterlos neben dem Eckturm in die Schwaigergasse weist. Dieses Maß passt sechsmal in die Baulücke, bis es genau an das Nachbargebäude stößt.

Abb. 3: Fassade des Neubaus, Mai 2014.

Abb. 3: Fassade des Neubaus, Mai 2014.

Johannes Spalt (*1920 in Gmunden, Oberösterreich) und Friedrich Kurrent (*1931 in Hintersee, Salzburg) schlossen sich gemeinsam mit Wilhelm Holzbauer (*1930 in Salzburg Stadt) und Otto Leitner (*1931 in Unterach/Attersee, Oberösterreich) 1951 – noch in ihrer Studienzeit an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse Clemens Holzmeister – zu einer Architektengruppe zusammen, um gemeinsam an Projekten arbeiten zu können.[6]  Diesem Zusammenschluss gaben sie den schlichten Titel „Arbeitsgruppe 4“. Nach nur zwei Jahren verlässt Leitner die Gruppe, 1964 Holzbauer. Kurrent und Spalt bleiben in Kooperation bis zum Auftrag der Wiener Zentralsparkasse für den Um- beziehungsweise Neubau der Bankfiliale in Wien XXI., das letzte Projekt der Arbeitsgruppe 4. Die Gruppe übte in den zwanzig Jahren ihres Wirkens und darüber hinaus – trotz der geringen Anzahl an tatsächlich ausgeführten Bauten – einen beträchtlichen Einfluss auf die österreichische Architektur der Zweiten Republik aus. 2010 versuchte eine erste umfassende Ausstellung zur Werkgeschichte der Gruppe im Architekturzentrum Wien mit dem Titel x Projekte der arbeitsgruppe 4. Holzbauer, Kurrent, Spalt (1950–1970) den Umfang dieses Einflusses aufzuzeigen. Anlässlich dieser Ausstellung erschien im gleichen Jahr, herausgegeben vom Architekturzentrum, die Publikation Arbeitsgruppe 4. Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt. 1950–1970. Neben einigen ergänzenden Beiträgen ist deren Hauptstück der Aufsatz „Im Vordergrund das Bauen“, den die beiden Kuratorinnen Sonja Pisarik und Ute Waditschatka verfasst haben und der eine ausführliche Werkgeschichte der Arbeitsgruppe 4 bietet. Sonja Pisarik schreibt darin über die Floridsdorfer Bankfiliale. Die funktionale Fassade des Neubaus, mit Sicht auf tragende Stützen, Glasfront und großflächigen Sonnenschutz, erzeugt zunächst eine Spannung zur Fassade des Altbaus mit Risalit, Pilaster, Gesimsen et cetera, die unüberwindbar aufgrund ihrer zeitlichen Differenz scheint. Aber Pisarik meint dazu: „Die Außenfront mit der gleichermaßen strukturellen wie dekorativen Fassade aus elektrisch steuerbaren Lamellen spielt trotz ihrer betonten Technizität bei genauerer Betrachtung gar eine Vermittlerrolle zwischen Alt und Neu: Diese transformieren die plastische Bänderung im Sockelgeschoss des Altbaus in eine moderne Gestalt der horizontalen Fassadengliederung.“[7]

Nicht nur das, die Stahlbetonrahmenbinder liefern dazu die vertikale Gliederung (Abb. 3). So setzt sich die angesprochene starke Gliederung der alten Fassade in der neuen fort und bezeugt die Zusammengehörigkeit beider Gebäudeteile. Ein weiterer Bezug des Neubaus zum Altbau sind die Fensterachsen. Am Altbau sind sie weithin sichtbar, zur Pragerstraße hin sind es fünf. Nun nimmt der Neubau diese Gliederung auf und gestaltet, zur anderen Seite hin – mit dem Turm als Gelenk – ebenfalls fünf Fensterachsen, bloß sind hier die Fensteröffnungen wandfüllend. Diese Gliederung in fünf Fensterabschnitte ist als klare Referenz zu verstehen, wären doch alle möglichen abweichende Gestaltungen, etwa sechs Fensterabschnitte oder auch eine ununterbrochen durchgezogene Glasfassade, wie sie in einem Vorentwurf auftaucht, ebenso denkbar gewesen.

III

Abb. 4: Eingangssituation in die Kassenhalle.

Abb. 4: Eingangssituation in die Kassenhalle.

Betritt man die Bankfiliale, so findet man sich nach Durchschreiten des Eingangsturms und des Windfangs bereits in der gebäudefüllenden Kassenhalle wieder (Abb. 4). Das erste auffallende Element ist der Wartebereich im ersten Stock, der balkonartig hervorkragt. Diese runde Auskragung, die den Raum durch ihre ungewöhnliche Form dominiert, kann als Referenz auf den Eingangsturm verstanden werden, der seinerseits die Außengestalt durch seine markante Form prägt. Auf der rechten Seite der Kassenhalle befinden sich zwei übereinander liegende Galerien. Diese sind, wie der runde Balkon, weiß und haben verchromte Geländer und pro Stockwerk vier schlanke, runde Stützen (Abb. 5). Sie bieten Platz für Büros, die offen bleiben. Die Galerien sind im rechten Winkel zur Altbaufassade ausgerichtet, ihnen gegenüber liegt die Glasfassade des Neubaus, zwischen beiden spannt sich die Kassenhalle auf. Galerien und Glasfassade laufen aufeinander zu und gehen in eine kurze, abschließende Wand über. Die Kassenhalle erhält somit einen fast dreieckigen Grundriss. Zudem wird – wie es die Architekten auch betonten[8] – die perspektivische Raumwirkung durch die nach hinten niedrigeren Fensterfronten und kürzer werdenden Stahlbetonrahmenbinder verstärkt. Von der anderen Seite des Kassensaals wird dieser Effekt umgedreht. Dies zeugt vom fast spielerischen Umgang mit Perspektive, der durch die Grundstücksform erst möglich wurde. Die Tatsache, dass die Sicht auf die Glasbausteinfassade des Neubaus durch die Galerien teilweise verdeckt wird und somit die Ausrichtung dieser Rückwand in der Erscheinung für die BetrachterInnen variabel bleibt, führt zu einer besonderen räumlichen Erfahrung (Abb. 5). Denn diese sind verleitet, die Rückwand in der gleichen Schräglage wie die Fassadenwand, bloß gespiegelt, anzunehmen und somit den Grundriss als gleichschenkeliges Trapez wahrzunehmen. In der Tradition perspektivischer Darstellung spielt diese Form als Stellvertreter für ein weit zurückfluchtendes Rechteck eine entscheidende Rolle. Das Trapez ist jedoch in keiner Repräsentationsfunktion, sondern ist in einer räumlichen Erfahrung verkörpert. Die unregelmäßige Grundfläche wird jedenfalls verschleiert, um Regelmäßigkeit zu suggerieren, die in dieser Form gar nicht gegeben ist.

Abb. 5: Kassenhalle.

Abb. 5: Kassenhalle.

Aber dies ist nicht die einzige Möglichkeit, den Raum aufzufassen. Es gibt eine zweite Betrachtungsweise des Innenraums, die nur den Kassenhallenbereich, ohne den Raum hinter den Galerien, heranzieht. Die für diese Auffassung wichtigsten raumbildenden Objekte sind die Hängelampen. Sie sind nicht, wie man annehmen könnte, je nach Segmenthöhe unterschiedlich hoch gehängt, sie hängen alle durchgehend auf einer Höhe, in einer gemeinsamen Ebene im Raum. Diese virtuelle Deckenfläche sieht sich einer ebenen Fußbodenfläche gegenüber, verbunden werden beide Flächen durch die Galerien mit ihren weißen, flachen Stirnseiten zum Kassensaal. Gemeinsam umschließen diese Elemente einen Raum, der auf der Galerieseite zu einem Quader ansetzt. Dieser wird auf der Fensterseite jedoch nicht fortgesetzt, er wird von der Schwaigergasse durchschnitten. Trotzdem ist man versucht, den ansetzenden Quader geistig zu vervollständigen. Die unterschiedliche Raumhöhe, die für die Außengestaltung elementar ist, würde im Innenraum eine zu starke Einzelraumbildung fördern. Der Kassensaal soll aber den BankkundInnen als großzügiger und einheitlicher Raum präsentiert werden: Diesen Eindruck vermag der ansetzende, halbe Quader zu leisten. Die Raumstruktur wirkt dadurch regelmäßig, leicht zu erfassen und einheitlich. Die schräge Fensterfront trägt andererseits dazu bei, den vollkommen regelmäßigen Raum zu durchbrechen und in einer dynamischen Schräge von vorn bis hinten zu durchschneiden. Der Raum entwickelt sich zusehends als zweischneidig, einerseits auf der rechten Seite die regelmäßige, koordinatengerechte Seite mit den Büros, die Seite der Bank selbst, auf der anderen Seite die schräge Fassade, die nach außen weist und die äußere Umgebung durch den Blick nach draußen, zur Öffentlichkeit, hereinholt. Die Schutzlamellen haben dabei die elementare Aufgabe der sanften Abschirmung, die nicht nur vor Sonneneinstrahlung schützt. Zusammenfassend gesagt eröffnen sich den BesucherInnen zwei Auffassungsmöglichkeiten, die erste auf den ganzen Raum inklusive Galerieraum bezogen, die zweite nur auf den Kassensaal selbst. In beiden Fällen wirkt der Raum um einiges regelmäßiger als seine Grundfläche wirklich ist.

IV

„Alle baulichen und räumlichen Voraussetzungen sollten vor allem dazu dienen, den Kunden einen leichten Kontakt zum Personal zu ermöglichen und eine unkomplizierte und angenehme Geschäftsabwicklung zu gewährleisten.“[9], sagte Spalt über den Neubau am Floridsdorfer Spitz. Außerdem sei von Anfang an klar gewesen, dass der Altbestand erhalten werden sollte. Einerseits waren die Architekten seit ihren ersten Entwürfen immer für Miteinbezug des Altbestandes, andererseits musste, nach Angaben Kurrents,[10] schlicht der Kassenbetrieb während der Bauarbeiten aufrechterhalten werden. Somit treffen sich zwei Zielsetzungen für den Bau, eine zufriedenstellende Funktionalität und die Erhaltung der Erscheinung des Altbaus. Zum Ergebnis schreiben die Architekten im ‚bau-report‘ im Architekturmagazin „der aufbau“ von 1975, kurz nach der Fertigstellung, prägnant und treffend: „Äußerlich belassen, innerlich umgebaut und mit dem neuen Teil verbunden.“[11] Denn der Altbau wurde nur in seiner Fassade unverändert belassen, im Inneren wurde die Wand zwischen Alt- und Neubau fast vollständig durchgebrochen, um den modernen Kassensaal zu vergrößern (Abb. 2). Die Überreste der Rückwand der alten Bank wurden zu weißen, rechteckigen Pfeilern. Sie können zwar die um die Baugeschichte informierten BetrachterInnen auf die alte Baustruktur hinweisen, sind in ihrer Form jedoch vollkommen mit der neuen Bausubstanz verschmolzen. Der Neubau erweist sich damit nicht als bloßer Anbau an die alte, unangetastete Bausubstanz, vielmehr greift der Neubau innerlich in den Altbau hinein und verändert dadurch die Struktur des Innenraums. Der Neubau will sich also nicht bloß als Anbau, sondern als legitime und logische Erweiterung des Altbaus verstanden wissen.

Das Gebäude kann folglich als eine Symbiose von zwei unterschiedlichen Bautraditionen zu einer Einheit bezeichnet werden. Denn wenn sich, im biologischen Wortsinn, zwei Organismen zu einer Symbiose zusammenschließen, dann bedeutet das, dass jede/r SymbiosepartnerIn sich wenigen Aufgaben besonders aufmerksam widmet – unter Vernachlässigung der Aufgaben, die der/die PartnerIn betreut. Diese Vorgehensweise ist auch an der Bankfiliale zu beobachten. Dem Altbau ist die Zuständigkeit der Präsenz nach außen zugefallen, die moderne Fassade nimmt sich bewusst zurück und überlässt ihr das Feld, sie passt sich ihr – wie gezeigt wurde – sogar an. Im Inneren zieht sich die alte Bausubstanz wiederum soweit es geht zurück und überlässt dem Neubau die Gestaltung. Der neue Kassensaal greift in den Altbau hinein um die bestmögliche Raumwirkung erzielen zu können und beseitigt dabei zu einem überwiegenden Teil die ursprüngliche Raumaufteilung der alten Bank.

Zum Aussehen der Bankfiliale stellt sich die Frage, ob Referenzbauten festzustellen sind. Ein konkretes Vorbild gibt es zwar nicht, die Ausstattung des Innenraums kann jedoch eindeutig der klassischen Moderne zugeordnet werden. Dieser Ansicht war auch J. van Heuvel, der seine Betrachtungen über die Floridsdorfer Bankfiliale, laut Johannes Spalt in der Niederländischen Tageszeitung Cobouw vom 7. 1. 1977 veröffentlicht, folgendermaßen abschließt: „Man kann sich fragen, ob so etwas, nämlich die Fortsetzung der Tendenzen der zwanziger oder dreißiger Jahre der Architekturgeschichte, heutzutage wünschenswert ist. Hier überkam mich aber die Überzeugung, daß es offenbar Momente gibt, in denen die damaligen Bestrebungen wieder zum Leben erweckt werden können. Wiener Architekten sind fast Kunsthistoriker, wenn es die Architektur betrifft, Spalt und Kurrent sind das ganz besonders.“[12]

Dabei ist van Heuvels Ausdrucksweise zu beachten: ‚wieder zum Leben erwecken‘, nicht ‚wiederholen‘ oder ‚fortsetzen‘. Denn so wird impliziert, dass nicht bloß zitiert wird, sondern die ‚Bestrebungen‘, die Ideen und Visionen der modernen Architektur in der Zwischenkriegszeit, einen neuen Raum für ihre Artikulation erhalten. Deshalb ist es angebracht, nicht nur nach Gebäuden zu suchen, die für die Bankfiliale eine Vorbildfunktion gehabt haben könnten und Elemente des Innenraums der Bank mit deren Elementen zu vergleichen, sondern auch theoretische Schriften über Architektur aus der Zeit der klassischen Moderne zur Beurteilung des Neubaus von 1974 heranzuziehen.

Abb. 6: Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Villa Savoye, Poissy-sur-Seine, 1930.

Abb. 6: Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Villa Savoye, Poissy-sur-Seine, 1930.

Zuerst zu den theoretischen Bezügen: 1932 fand die erste Architekturausstellung des 1929 gegründeten Museum of Modern Art in New York statt. Henry-Russel Hitchcock und Philip Johnson präsentierten dort Arbeiten von Le Corbusier, J. J. P. Oud, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und als Kontrast auch von Frank Lloyd Wright.[13] Gemeinsam mit der Ausstellung veröffentlichten Hitchcock und Johnson auch den Band The International Style: Architecture since 1922. Damit prägten sie den Begriff des „Internationalen Stils“ und betonten die Vorzüge dieses neuen Stils bei bestehenden Bauten und für zukünftige Projekte. Wichtige Punkte der Publikation sind Abgrenzungen zur vergangenen Architektur, wie zum Beispiel unter Punkt 4 „Ein erstes Prinzip: Architektur als umschlossener Raum“: „Die Wirkung von Masse, von statischer Festigkeit, eben noch die primäre Qualität von Architektur, ist verschwunden; an ihre Stelle tritt die Wirkung reiner Körper – oder genauer, von glatten Flächen, die einen Raum umschließen. Das vorherrschende architektonische Element ist nicht mehr der feste Stein, sondern der offene Behälter.“[14]

Tatsächlich kann man beim Altbau der Bank eben diese ‚Wirkung von Masse‘ sehen, dem sich der Innenraum mit seinen ‚glatten Flächen, die einen Raum umschließen‘ entschieden entgegensetzt. Auch haben sowohl die Sonnenschutzlamellen als auch die Galerien Einfluss auf die tendenziell horizontale Wirkung der Fassade des Neubaus im Gegensatz zum Aufwärtsstreben der alten Bank mit ihrem Eckturm und der steilen Kuppel. „Horizontalität, das auffallendste Merkmal des Internationalen Stils, was seine visuelle Wirkung betrifft […]. Horizontalität als Selbstzweck ist jedoch kein Prinzip des Internationalen Stils. Wo die Funktion ein Vertikalelement verlangt, drückt sich dies auch aus.“[15] Und diese Vertikalelemente, die auch im Neubau benötigt werden, sind die Pfeiler und die Stahlbetonrahmenbinder, die das Gebäude in seiner ganzen Höhe durchziehen und keineswegs versteckt werden. Die Glasbausteine, die an der Rückwand großflächig zum Einsatz kommen, werden auch angesprochen: „Glasbausteine und Milchglasscheiben sind Arten von Fassadenmaterialien, die gelegentlich anstelle von regulären Fenstern verwendet werden können. […] Die Wirkung ist eindrucksvoll und harmonisch, […] Glasbausteine eröffnen einen Weg, natürliches Licht ins Gebäudeinnere zu bekommen, ohne Fensterrahmen zu verwenden.“[16]

Abb. 7: Mies van der Rohe, Villa Tugendhat, Brünn, 1930.

Abb. 7: Mies van der Rohe, Villa Tugendhat, Brünn, 1930.

Nun zu den Vergleichen. Es gibt aus den 1920er und 1930er Jahren unzählige Gebäude, die in ihrer ganzen Gestalt oder zumindest in Teilen mit dem Bankneubau verglichen werden können. Ich wähle zwei der prominentesten Bauten aus, die auch in Hitchcock und Johnsons „International Style“ vorkommen, beide von 1930: Le Corbusiers Villa Savoye, Poissy-sur-Seine (Abb. 6), und Mies van der Rohes Villa Tugendhat, Brünn (Abb. 7). Le Corbusier arbeitet bei der Gestaltung der Villa Savoye vor allem mit den geometrischen Körpern Quader und Zylinder und mit deren ausgewogenem Verhältnis zueinander. Mies van der Rohes Gebäude bedient sich zwar dem Quader als häufigster Form, doch die wenigen zylindrischen Elemente sind an so prominenten Stellen platziert, am Eingang und im Esszimmer, dass sie einen besonders hohen Stellenwert im Raumgefüge erhalten. So auch in der Bankfiliale: Die Pfeiler und die Galerien haben nicht nur selbst die Form eines Quaders, sie umschließen auch mit den Hängelampen und dem Fußboden den Raum in einem halben Quader. Die zylindrischen Elemente, die Stützen der Galerien und der hervorkragende Wartebereich, sind zwar verhältnismäßig in der Unterzahl zu den rechteckigen Körpern, doch ist besonders der weiße Balkon an eine prominente Stelle im Raum gesetzt und direkt beim Betreten der Halle sichtbar, sodass er zu einem den Saal dominierenden Objekt wird. Die Kassenhalle hat zwar, wie die beiden Beispiele, eine Tendenz zur Ebene und zu weiten, offenen Räumen, doch sind beim Aufstieg in die oberen Geschosse Gegentendenzen spürbar. Denn zu den drei Stockwerken des Neubaus – Erdgeschoss und die beiden Galerien – kommen noch drei Ebenen hinzu: eine nach unten zum Tresorraum und zwei Zwischengeschosse, die in die verbliebenen Räume des Altbaus führen (Abb. 8). Der naheliegende Bezug zu Adolf Loos‘ Konzept des vielschichtigen Raumplans ist offensichtlich. Das Spiel mit Ebenen und Zwischenebenen im Sinne eines „offenen Plans“ drängt ebenso einen Vergleich mit öffentlichen Bauten der 1960er und 1970er Jahre auf, so zum Beispiel Hans Scharouns Staatsbibliothek zu Berlin.

Abb. 8: Zweites Zwischengeschoss, Blick Richtung Kassenhalle.

Abb. 8: Zweites Zwischengeschoss, Blick Richtung Kassenhalle.

Zusammenfassend gesagt besteht die Floridsdorfer Bankfiliale erstens aus der Altbausubstanz, deren Späthistorismus sich der klassischen Architektur nach Vitruv verpflichtet fühlt, zweitens aus der Neubausubstanz, die sich die Modernisierung der Bank auf den neuesten Stand der Technik und größtmögliche Kundenzufriedenheit als Ziel setzt, und drittens aus der ‚wiederbelebten‘ klassischen Moderne, die die Innengestaltung der Bank übernimmt und für klare Formen und schmucklose Ästhetik steht. Es scheint fast, als ob zur Überbrückung der großen zeitlichen Distanz von 1890 zu 1970 die Mitte zwischen beiden, 1930, herangezogen wurde. Die Innenausstattung ist zwar nur ein „Modernizismus“, also dem Altbau in der Wiederbelebung von Vergangenem durchaus verbunden, aber dieser moderne Historismus ist durchaus als Polemik zu verstehen – obwohl man andererseits auch argumentieren kann, dass sich der Neubau genau wie der Historismus die Formen vergangener Zeiten nur zum Ausgangspunkt nimmt und sie den aktuellen Verhältnissen anpasst. So wie dieser „Modernizismus“ als Kritik am Historismus aufgefasst werden kann, kann er in gleicher Weise als ernst gemeinter Versuch der Wiederbelebung vergangener Ideen gelten. Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Altbau ist es in beiden Fällen.

Diese drei Zeitebenen treffen nun in dem Gebäude zusammen, die Symbiose hat demnach eigentlich drei Mitglieder. Doch muss mit der Metapher einer harmonischen Symbiose der Bautraditionen vorsichtig umgegangen werden, besteht doch zwischen 1890 und 1930 ein extremer Gegensatz. Sie kommen sich zwar nicht in die Quere, sind sozusagen auf Abstand gehalten und können nicht gleichzeitig betrachtet werden, beziehen sich jedoch als ihr größtmögliches Gegenteil aufeinander, man möchte sagen sie beschuldigen sich gegenseitig, die schlechte Architektur zu verkörpern. Durch diese Wahl in der Innenausstattung suchten die Architekten den größten Kontrast und das größte Konfliktpotenzial – pointiert formuliert stellten sie der klassischen Architektur nach Vitruv die klassische Moderne nach Le Corbusier und Mies van der Rohe entgegen und ließen dann beide Bautraditionen in ewigem Konflikt stehen.

V

„Auch heute, nach dreißig Jahren, hat sich die Brauchbarkeit der Sparkasse […] bewährt.“[17]  So schreibt rückblickend Friedrich Kurrent über die mit Johannes Spalt entworfene Bankfiliale. Friedrich Achleitner fasst ein ähnlich positives Urteil über dieses Gebäude und seinen Kassensaal: „Der Raum wirkt nach 35 Jahren ästhetisch unverbraucht und wie neu. Man kann diese Kassenhalle, in Erinnerung an Otto Wagners Postsparkasse, als den bedeutendsten Innenraum Floridsdorfs bezeichnen.“[18] Tatsächlich wurde an der Grundsubstanz des Neubaus relativ wenig verändert, was auf eine gute und vor allem brauchbare Raumgestaltung schließen lässt.

In den 1970er Jahren war das Thema „Bauen im Bestand“ unterrepräsentiert, Gedanken über den Miteinbezug von Altbauten wurden nur vereinzelt gefasst, in jüngster Zeit jedoch wird dieses Thema immer wichtiger.[19] Aktuelle Debatten in Österreich, wie zum Beispiel die Leerstandskonferenz, gehen auf Symptome der Bautätigkeit ein, bei der der Umgang mit Altbestand immer virulenter wird. Wie im Zuge eines Bauens im Bestand bestehende Qualitäten genutzt, sogar erweitert werden können, wie eine „interpretative Bearbeitung“ oder „authentische Hinzufügung des Eigenen“ möglich ist, ist die entscheidende Frage. Der Neubau der Bankfiliale in Floridsdorf erscheint rückblickend als eine Pionierleistung auf diesem Gebiet und lässt sich vor allem für Wien als frühe und umfassende Musterlösung bezeichnen. Für jeden Neubau, der mit einem historischen Umfeld oder Vorgänger konfrontiert wird, kann man die Möglichkeiten der Neuinterpretation bei gleichzeitiger Erhaltung der bestehenden Bausubstanz sowie einer allgemeinen Modernisierung des Gebäudes an dieser Bankfiliale exemplarisch gelöst vorfinden.


[1] Arthur Mandler, Umnutzung alter Bausubstanz als architektonische Aufgabe, in: Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg (Hg.), Umnutzungen im Bestand. Neue Zwecke für alte Gebäude, Stuttgart/Zürich 2000, S. 130–135, 131.

[2] Mandler 2000, S. 131.

[3] Mandler 2000, S. 132.

[4] Mandler 2000, S. 133.

[5] Vgl. Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Band 3. Teil 2, Salzburg 1995, S. 242.

[6] Zu den Biografien vgl. Architekturzentrum Wien (Hg.), Arbeitsgruppe 4. Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt. 1950-1970, Salzburg 2010, S. 242–245.

[7] Sonja Pisarik, Im Vordergrund das Bauen. Zur Werkgeschichte der arbeitsgruppe 4. Teil 2, Salzburg 2010, in: Architekturzentrum Wien 2010, S. 134, 137.

[8] Vgl. Friedrich Kurrent/Johannes Spalt, Neu- und Umbau der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien Floridsdorf – Am Spitz, in: der aufbau (Baureport), H 4–5, 1975, S. II–IV, II; Friedrich Kurrent, Arbeiten aus den letzten Jahren, in: bauforum, H. 85, 1981, S. 7–32, 7; Johannes Spalt, Johannes Spalt, Wien/Köln/Weimar 1993, S. 52; Kurrent 2001, S. 107.

[9] Spalt 1993, S. 52.

[10] Vgl. Kurrent 2001, S. 107.

[11] Friedrich Kurrent/Johannes Spalt: Neu- und Umbau der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien Floridsdorf – Am Spitz, in: der aufbau (Baureport), H 4–5, 1975, S. II–IV, II.

[12] Spalt 1993, S. 54.

[13] Vgl. Vorwort zu Henry-Russell Hitchcock/Philip Johnson, Der Internationale Stil. dt. von Wolfgang Pohl, Braunschweig 1985 (zuerst englisch: The International Style: Architecture Since 1922, New York 1932), S. 15–19.

[14] Hitchcock/Johnson 1985, S. 42.

[15] Hitchcock/Johnson 1985, S. 59–60.

[16] Hitchcock/Johnson 1985, S. 51.

[17] Kurrent 2001, S.107.

[18] Achleitner 1995, S. 243.

[19] Vgl. Wolfgang Kemp, Architektur analysieren. Eine Einführung in acht Kapiteln, München 2009, S. 401.

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“a special message …”

You walk down Reina Sofia’s long stone arcade. It encircles a sunny green court garden, which tempts you by its seductive grand windowpanes to relax in the calm and protected interior exterior. But, you are headed towards the palm trees lining the end of that corridor. You arrive at the entrance of the retrospective. Under a potted palm tree you face a black and white picture of Marcel Broodthaers, in which the artist is wearing a bowler hat. Entering the exhibition, you find yourself between even more palm trees, inside of a winter garden.

Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive. Ausstellungsansicht. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. 2016.

Marcel Broodthaers. A Retrospective, installation view, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, 2016. Photography: Joaquín Cortés/Román Lores

This is L’Entrée de l’exposition (The Entrance to the Exhibition, 1974), a work that became a classic exposition for a Broodthaers retrospective. It emerged as a mini auto-retrospective on its own right in 1974 at Brussels’ Palais des Beaux-Arts: with a picture that bears the letter “a”, photographs, and printed editions that hang on the walls. Classic is also the prologue of “Marcel Broodthaers: A Retrospective” at Reina Sofia, which begins in the following room with a display of his pre-artistic journalistic, photographic and poetic works. A projection of the first 16 mm film La Clef de l’horloge: Poème cinématographique en l’honneur de Kurt Schwitters (The Key of the Clock: A Cinematographic Poem in the Honor of Kurt Schwitters, 1957) is in the next room, situated by early assemblages made of plaster, eggs, plastic balls and air pipes. Two wooden vitrines with collected objects from different moments in Broodthaers’ production hint toward what is to come. The board is now set, and so the game begins.

Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive. Ausstellungsansicht. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. 2016.

Marcel Broodthaers. A Retrospective, installation view, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, 2016. Photography: Joaquín Cortés/Román Lores

It brings to mind a German children’s game called “Ich packe meinen Koffer,” or – I pack my suitcase, and:

  • I take eggs.
  • I take eggs, and a rose.
  • I take eggs, a rose, and a table.
  • I take eggs, a rose, a table, and a suitcase.
  • I take eggs, a rose, a table, a suitcase, and – a bone … !
Marcel Broodthaers, Fémur d'homme belge, 1964-1965, 8 x 47 x 10 cm, Collección Sylvio Perlstein, Amberes.

Marcel Broodthaers, Fémur d’homme belge, 1964-1965, 8 x 47 x 10 cm, Collection Sylvio Perlstein, Antwerp. Image courtesy Maria Gilissen Archives of Marcel Broodthaers. (c) The Estate of Marcel Broodthaers c/o SABAM Belgium – VEGAP 2016

As the visitor packs her suitcase, the scholar unpacks her library, and with every object she lays her eyes on, she rediscovers a world order anew. To further paraphrase Walter Benjamin and his confession “Unpacking My Library: A Talk about Book Collecting,” we join the exhibition’s piles of objects, some of which are once again seeing the light of museum after several “years of darkness,” so that we “may be ready to share … a bit of a special mood – it is certainly not an elegiac mood but, rather, one of anticipation.”[1]

  • I take the signature

Throughout the exhibition the viewer encounters motives, images, figures and works that she may encounter again in a later room – a chance rendezvous. Thus, the unfolding relations between the works are neither reduced to linear progression nor to strict chronological succession. The initials “M.B.”, for example, emerge first in the printed edition: Gedicht – Poem – Poème / Change – Exchange – Wechsel (1973). It seems to weigh the poetic and monetary value of the signature, and is an integral part of l’Entrée de l’exposition. In the course of the exhibition the, by now, iconic initials return suggestively as an unlimited edition in the print La Signature. Série I. Tirage illimité (The Signature. 1st series. Unlimited edition, 1969), in which the signature repeats ad absurdum. Finally, in the film Une Seconde d’Éternité (D’après une idée de Charles Baudelaire) (A Second of Eternity, After an Idea of Charles Baudelaire, 1970), the initials reemerge, as they were being signed over and over again, in an animated sequence of 24 frames that comprises “a second of eternity.”

  • I take Veritablement

This continuous recurrence of signs and figures haunts the spectator. Notably, the approach that Manuel Borja-Villel and Christophe Cherix apply to curating this exhibition follows a strategy the artist implemented already in his own practice: Broodthaers often reused his pieces as readymade material for future productions. He represented an object by image, repeated an image in film, related a film to a publication, and, most famously, recruited a publication and transformed it into an object. The curators effectively demonstrate this correlative principle in a condensed room dedicated to Court-Circuit (Short-Circuit), Broodthaers’ 1967 solo exhibition at Brussels’ Palais des Beaux-Arts. Next to varying components, a shovel with coal rests on a pedestal placed in front of six photographic canvases bearing its image, and the word “Veritablement” – meaning “truly” – echoes throughout the photographic canvases hanging parallel from each other in the room. One of those pictures reappears on the back cover of Court-Circuit’s catalogue, which is also displayed in the vitrine close by.[2] For Broodthaers, exhibitions supplied readymade material for catalogues. His catalogues do not merely document the exhibitions but augment them, until it becomes difficult to distinguish ergon from parergon.[3] Fortunately, the curators don’t overlook this aspect of the artist’s production: here all kinds of exhibition-related materials, such as invitation cards, exhibitions brochures, and catalogues, are scattered throughout the exhibition space.[4]

Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive. Ausstellungsansicht. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. 2016.

Marcel Broodthaers. A Retrospective, installation view, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, 2016. Photography: Joaquín Cortés/Román Lores

  • I take La Fontaine

Within this overflow, the exhibition is not playing the card of reckless confusion. Broodthaers’ ensembles are installed sensitively in composed groups, as is the case with Le Corbeau et le Renard (The Raven and the Fox, 1967-68) – a film projected onto a special screen with printed words that may refer back to La Fontaine’s fable. Originally, this film was sold in an edition that included two screens and additional photographic canvases. At Reina Sofia all the objects – screens, film reels, prints – are presented together in one room. Yet groups of works, like Le Corbeau et le Renard, are not cast in marble; here they do not assert a claim for historical irrevocability. Instead, they are exhibited as ensembles, recurring but being loosely connected with works from other sections of the exhibition. Toward its end we re-encounter a work related to Le Corbeau et le Renard, in which the doubled image of Broodthaers in the act of writing the fable reappears: Pour un art d’écriture. Pour une écriture de l’art (On the Art of Writing. On the Writing of Art, 1968) hangs in a room that contains objects from L’Angelus de Daumier (The Angelus of Daumier, 1975) – one of Broodthaers’ last six exhibitions that he announced as “retrospectives.” In view of the artist’s self-curated auto-retrospectives, the task of curating today a posthumous (re-)retrospective becomes even more complicated.

  • I take the dice

As a format, a retrospective exhibition re-collects into the space of a single institute dispersed works produced in different places and under different circumstances. The passing of time drifts them further apart: some become especially difficult to approach. Such is the case with the multi-sectioned transitory Musée d’Art Moderne, Département des Aigles (Museum of Modern Art, Department of Eagles, 1968-1972). Others are carried overseas by the market. For example, the collection of Herman Daled, Broodthaers’ friend and collaborator in Brussels, arrived at MoMA in New York. MoMA was also the first station for this world-travelling exhibition that eventually concludes its transatlantic voyage during spring 2017 at Stiftung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. It seems that now, with the fortieth anniversary of his untimely death in 1976, Broodthaers is having his “moment.”[5] Within this commemorating atmosphere, it is worth noting that unlike previous attempts to exhibit Broodthaers’ oeuvre, this retrospective at Reina Sofia escapes the trap of a simplified and heroic historical narrative.

Marcel Broodthaers, Un coup de dés jamais n'abolira le hasard, 1969, artist's book, offset lithograph on transparent paper, page: 32.4 x 24.9 cm; publisher: Wide White Space Gallery, Antwerp; Galerie Michael Werner, Cologne; printer: Vermin, Antwerp; edition of 90; The Museum of Modern Art, New York. Acquired through the generosity of Howard B. Johnson in honour of Riva Cattleman, 1994.

Marcel Broodthaers, Un coup de dés jamais n’abolira le hasard, 1969, artist’s book, offset lithograph on transparent paper, page: 32.4 x 24.9 cm; publisher: Wide White Space Gallery, Antwerp; Galerie Michael Werner, Cologne; printer: Vermin, Antwerp; edition of 90; The Museum of Modern Art, New York. Acquired through the generosity of Howard B. Johnson in honor of Riva Castleman, 1994. (c) The Estate of Marcel Broodthaers c/o SABAM Belgium – VEGAP 2016

It seems to deliberately follow poetic threads instead. When it comes to presenting the work of an artist who is as deeply engaged with poetry as Broodthaers, this is of course an achievement. Yet it isn’t the illustration of his poetry that makes the exhibition poetic. Just as Broodthaers’ take on Stéphane Mallarmé’s Un coup de dés jamais n’abolira le hasard is not an illustration – but an Image. Passing through the room devoted to his 1969 Exposition littéraire autour de Mallarmé (Literary Exhibition on Mallarmé) at the Antwerp Wide White Space Gallery, and viewing the artist’s book and aluminum plates where Mallarmé’s verses turn into black bars, conjures the critical potential of a voyage between words distributed on paper. Broodthaers’ works are similarly dispersed throughout the wide white spaces of the museum, and the spectator becomes a captain who navigates her way through the artist’s playful enigmas.

  • I take a red seat

Throughout the exhibition, the alert spectator-navigator can discover a range of visual alignments. Precisely set up, they do not merely direct the visitor’s view, but also establish communication between works. It is virtually halfway that one quietly recognizes the distinctive background piano music of Un Jardin d’Hiver II (A Winter Garden II, 1974). With every step further, the music is becoming louder. After traversing the fictitious Musée d’Art Moderne, and entering a room of films and images that refer to or are allegedly created by Charles Baudelaire, one can finally spot palm branches again. The interlocking relationships developing ever since the exhibition’s beginning demand a break: remarkably – and the preoccupied voyager will most certainly only now realize – there are hardly any accommodations for sitting within this exceptionally comprehensive exhibition. Therefore the red chairs in the winter garden come as a welcomed opportunity to rest and watch passersby. (The experienced Broodthaersian will quickly ascertain whether she is really allowed to sit, and will happily learn: yes, please, take a seat!) Yet the calm chill-out-atmosphere promotes a certain indisposition. The aestheticized relaxation begins to unravel its multilayered deception and you discover yourself sitting in an elitist western, all-white cube, in the midst of the relics from the colonial era.

Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive. Ausstellungsansicht. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. 2016.

Marcel Broodthaers. A Retrospective, installation view, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, 2016. Photography: Joaquín Cortés/Román Lores

  • I take nothingness
Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive. Ausstellungsansicht. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. 2016.

Marcel Broodthaers. A Retrospective, installation view, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, 2016.

The curatorial decision to limit the resting spots to a few crucial points – mostly seats already arranged in Broodthaers’ conception of the works – strains the intense effect of this retrospective. While sitting between the exotic trees on a red chair and recovering from the ongoing play, a view into La Salle Blanche (The White Room, 1975) opens up. This wooden, partly white painted reconstruction of Broodthaers’ work and living space is adorned with various art-world related words in black, and is installed in a black-painted room. The confrontation comes as a severe shock: is this a mausoleum? The stage-like model of the apartment on the Rue de la Pépinière, where Broodthaers inaugurated the first section of his Musée d’Art Moderne, Département des Aigles, seems to be entombed here, and the literal sense of posthumous becomes apparently urgent. One faces nothingness, as Jean-François Chevrier pointedly stated.[6] But you don’t get a break for the work of mourning. The game must go on.

  • I take a cannon

Subsequent to the laid out La Salle Blanche and the quasi-recovering room of Un Jardin d’Hiver, the next room catches you off-guard: we find ourselves standing in Décor – A Conquest by Marcel Broodthaers (1975), his renown retrospective at the ICA London. Although this installation – as it is labeled today – was originally conceived as a film set, at Reina Sofia the visitor cannot decide whether she wants to step on the stage or not. To continue the exhibition, the visitor must proceed through the two-room installation, beginning with the 19th-century room. She enters from backstage, from behind two cannons. Amid the museum’s faux-historic ensemble of furniture and objects, positioning supposedly noble chairs on Astroturf, we might ask ourselves: are we the actors, playing around just like the two fake crabs in the vitrine at the corner of the room? The curatorial reinstallation heats up the political implications embedded in Décor, an interesting choice that definitely calls upon us for testing. Part two of Décor, the 20th-century room, awaits the spectator with rifles arranged in a glass cabinet on the wall, and a more or less welcoming white plastic table set of four white chairs with striped cushions that match with the sunshade. Unmistakably, this is a model for the petty bourgeois terrace. An unfinished puzzle depicting the battle of Waterloo is strewn on the table. The red chair turns into a white one, which leads to a new question: are we to sit here and complete the puzzle? We would rather leave these seats for someone else but as visitors from the 21st-century, these are seats we inherit.

Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive. Ausstellungsansicht. Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. 2016.

Marcel Broodthaers. A Retrospective, installation view, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, 2016. Photography: Joaquín Cortés/Román Lores

  • I take a message

Considering Décor as a film set in the first place, it is regrettable that the film – La Bataille de Waterloo (The Battle of Waterloo, 1975), which Broodthaers shot in this décor, is not on view. This is one of the very few “missing links” of the retrospective. On the other hand, the reconstruction of the DTH exhibition, which was presented in 1970 at the MTL gallery in Brussels, is as impressive for being ambitiously meticulous as it is confusing. It includes a reconstruction of the gallery’s window, which was covered with inscriptions and upon which a film was projected during the last day of the MTL show. And so the visitor may view the film from outside of the gallery from within the museum, or, from within the gallery embedded into this retrospective. Finally, the retrospective concludes with another rare opportunity to view the film Figures of Wax (Jeremy Bentham) (1974). It projects onto the only white wall in a room covered with dark-brown wooden cabinets. Is this another reconstruction, mimicking the wooden cabinet that encloses the auto-icon of Jeremy Bentham that appears within the film? You first wonder. It turns out to be Reina Sofia’s “protocol room,” a befitting setting for the film in which Broodthaers gives the dead philosopher an opportunity to “make a statement,” share “a secret,” “or a special message.”[7]

Marcel Broodthaers, Museum-Museum, 1972, two screenprints, each 83 x 59.1 cm; publisher: Edition Staeck, Heidelberg; printer: Gerhard Steidl, Göttingen; edition of 100, The Museum of Modern Art, New York, The Associates Fund, 1991.

Marcel Broodthaers, Museum-Museum, 1972, two screenprints, each 83 x 59.1 cm; publisher: Edition Staeck, Heidelberg; printer: Gerhard Steidl, Göttingen; edition of 100, The Museum of Modern Art, New York, The Associates Fund, 1991. (c) The Estate of Marcel Broodthaers c/o SABAM Belgium – VEGAP 2016

You leave the exhibition and find yourself, overwhelmed, a little disoriented, back in a long stone arcade – somewhat confused too, after confronting a barrage of imitations, copies, originals, fakes. These are all essential to the museum, according to the printed edition Museum-Museum (1972), another part of L’Entrée de l’Exposition with which we started our journey in what seems to be centuries ago. The curators carried out Broodthaers’ striking conquest of space, achieved through a sensitive reading of Mallarmé, whom Broodthaers sees as “the founder of contemporary art. ‘A throw of the Dice will never abolish chance.’”[8] And as the throw of the dice repeats, indefinitely, the game continues:

  • I take a palm tree, I take a palm tree, I take a palm tree …

[1] Walter Benjamin, Unpacking My Library: A Talk about Book Collecting, in: Hannah Arendt (ed.), Illuminations, New York 2007, p. 59.
[2] Another picture is the eye-catching cover image of the comprehensive catalogue accompanying this retrospective.
[3] On ergon and parergon, and the problem of distinguishing between what is interior to a work and what is exterior to it, see Jacques Derrida, The Parergon, in: October, No. 9, Summer 1979, p. 3–41, especially p. 24–26.
[4] Here at Reina Sofia, as opposed to MoMA, New York, the first stop of this travelling exhibition. At MoMA the printed matter was mostly absent, as Trevor Stark rightly observes. See Trevor Stark, Marcel Broodthaers, Art Historian’s Artist, in: Texte zur Kunst, No. 103, September 2016: p. 227–232.
[5] See: The Moment of Marcel Broodthaers? A Conversation, in: October, No. 155, Winter 2016: 111–150. A roundtable-conversation with Benjamin Buchloh, Borja-Villel, Cherix, Stark, Rachel Haidu and Rosalind Krauss, published on the occasion of the retrospective.
[6] In the panel discussion “Encounter centered on Marcel Broodthaers. What happened to institutional critique?” with Borja-Villel, Cherix, Jean-François Chevrier and Dirk Snauwaert, Sabatini Building, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia Madrid, 5. 10. 2016.
[7] Marcel Broodthaers interviewing Jeremy Bentham in his film “Figures of Wax” (1974), for a full transcript see: Wilfried Dickhoff, Marcel Broodthaers: Interviews & Dialoge 1946–1976. Kunst Heute Nr. 12, Köln 1994, S. 140.
[8] Marcel Broodthaers, Statement by the Artist, in: The Solomon R. Guggenheim Museum (ed.): Amsterdam, Paris, Düsseldorf, New York 1972, n.p.

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Geheimnisse und Trivialitäten der Oberfläche

„Obwohl wir die Worte, die unseren Geist bevölkern, nicht selbst erfinden, haben wir den Eindruck, dass sie unsere eigenen sind. Wir sind wie ein geduldiges Blatt Papier, das sich nicht darüber beklagt, mit Buchstaben vollgeschrieben zu werden. Im besten Fall findet alles an der Oberfläche statt. Nur vergisst man leicht, dass eine solche Oberfläche erst hergestellt werden muss und immer fragil bleibt.“[1] Mit diesen Worten leitet Michael Turnheim seine 2007 publizierte Monographie zum Verhältnis von Oberfläche und Wahnsinn ein, in der er die ebenso einfache wie eindrucksvolle These darlegt, dass das, was man gemeinhin als Wahnsinn bezeichnet, auf nichts anderem beruhe, als dem titelgebenden Scheitern der Oberfläche.

Abb. 1: Bis zur Unentzifferbarkeit überschriebenes Blatt eines Autisten.

Abb. 1: Bis zur Unentzifferbarkeit überschriebenes Blatt eines Autisten.

Der Wahnsinn hat seinen Ort dort, wo die Herstellung der Oberfläche misslingt oder die hergestellte Oberfläche als Oberfläche zusammenbricht und mit ihr die sie konstituierenden Aufteilungen von Innen und Außen, Eigenem und Fremdem, Körperlichem und Unkörperlichem et cetera. Die Buchstäblichkeit seiner These führt Turnheim entlang einer Reihe von Beispielen des autistischen Umgangs mit Papier vor: „Ein autistisches Kind durchlöchert das Papier, auf das es geschrieben hat, und lässt dadurch die vergessene Gewalt von Schrift sichtbar werden. Ein anderes schreibt auf einem schon mit Zeichen erfüllten Blatt weiter, als ob Papier unendlich aufnahmefähig wäre: Missbrauch der Oberfläche, die zu Unentzifferbarkeit führt“[2] (Abb. 1).

In Homologie zum autistischen Umgang mit der Oberfläche des Papiers führt Turnheim die von den Kognitionswissenschaften als mindblindness bezeichnete Schwierigkeit der Autisten, sich in die Gedanken anderer hineinzuversetzen, auf einen merkwürdigen Umgang mit dem Fremden zurück.[3] Im psychoanalytischen Vokabular bedeutet das: Während die frühkindliche Entwicklung normalerweise entlang der projektiven Identifizierung und der Ausbildung der paranoid-schizoiden Position zu einer Aufteilung von Innen und Außen, Eigenem und Fremden führt, lässt sich vom autistischen Verhalten auf ein Fehlen eben dieser Prozesse schließen. „So betrachtet“, schreibt Turnheim, „kann man den Ursprung des Autismus nicht einfach einer Abwesenheit intellektueller oder neurologischer Fähigkeiten zuschreiben. Es würde eher um eine Modifikation oder um ein Ausbleiben jener ersten Spaltungsprozesse gehen, welche die Bedingung für einen bestimmten Umgang mit Heterogenität darstellen.“[4] Der im Autismus von der frühen Kindheit an gestörten Oberflächenorganisation stellt Turnheim entlang der Lektüre von Daniel Paul Schrebers Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken den psychotischen Zusammenbruch der Oberfläche entgegen: Nicht nur das Denken empfindet Schreber als einem fremden Einfluss unterworfen – einem geradezu physischen Denkzwang, einer buchstäblichen Strahlenwirkung –, selbst die eigenen Körperteile werden ihm zu Fremdkörpern.[5]

Die autistischen und psychotischen Kronzeugen Turnheims bezeugen vor allem eines: das Scheitern der Zeichen- und Sinnproduktion ist ein Scheitern der Oberflächenorganisation. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Zeichen- und Sinnproduktion wesentlich an die Herstellung und Organisation von Oberflächen gebunden sind. Vom Scheitern der Oberfläche als Grund des Wahnsinns, vor allem aber von der Genese des Sinns als Oberflächeneffekt, handelte schon Gilles Deleuzes erstmals 1969 publizierte Arbeit zur Logik des Sinns.[6] In 34 Serien von Paradoxa und einem in sich verdoppelten Anhang zum Trugbild und antiker Philosophie einerseits, zum Phantasma und moderner Literatur andererseits, entwickelt Deleuze in der Logik des Sinns das Bild eines Denkens, in dem alles in der Tiefe der Körper, im lärmenden Unsinn beginnt, indem aber zugleich alles, was geschehen und gesagt werden kann, an der Oberfläche geschieht und gesagt wird. Die Oberflächenwirkungen werden als Ereignis des Sinns zum Ereignis schlechthin: Das Ereignis ist der Sinn selbst, „insofern er sich von den Dingzuständen abhebt oder unterscheidet, die ihn herstellen und in denen er sich verwirklicht.“[7]

Als Oberflächeneffekt bleibt der Sinn von Deleuze bis Turnheim auf immer instabil und an den Unsinn zurückgebunden, wie die Oberfläche auf immer in der Schwebe bleibt zwischen Organisation und Krise: „Nichts Fragileres als die Oberfläche.“[8] Mit Secret Surface. Wo Sinn entsteht greifen die von Ellen Blumenstein kuratierte Gruppenausstellung und das von Catherine Wood und Adela Yawitz kuratierte begleitende Performanceprogramm damit ein Thema auf, das spätestens seit dem Poststrukturalismus einen in alle Richtungen sich ausbreitenden theoretischen Feuerherd markiert. Ein feuerrot flackerndes Bild einander überlagernder NASA-Aufnahmen der Sonne, der Mutter aller Feuer, empfängt die BesucherInnen dann auch gleich zu Beginn des Parcours durch die Gruppenausstellung der Kunst-Werke in Berlin (14. April – 1. Mai 2016).[9] Genauer gesagt steht die digitale Filmprojektion Die Sonne um Mitternacht schauen (Red) (2011–12) der Künstlerin Katharina Sieverding am Übergang vom Prolog zu den eigentlichen, von der Kuratorin so bezeichneten, drei übergeordneten Kapiteln der Ausstellung. Auf den Prolog unter dem Titel Geheimnis der Oberfläche folgen das erste Kapitel: Unter dem Firmament, das zweite Kapitel: Welt als Oberfläche und schließlich das dritte Kapitel: Subjektivierungsweisen. Entlang dieses konzeptuellen Strangs präsentiert die Ausstellung eine Auswahl zeitgenössischer künstlerischer Positionen, die eine Kartographie der ausgezeichneten Orte der Sinnproduktion im ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhundert abstecken sollen und die eine Antwort auf die Frage danach, wo Sinn heute entsteht, nicht länger in den Tiefen und Untiefen der Metaphysik, sondern auf der Oberfläche der Erscheinungen selbst suchen.

Abb. 2: Anna Barham, 52nthjt3k8, 2015,
bearbeitetes, gefundenes Video, Stahlrohre, 01:00 min, Loop. 


Abb. 2: Anna Barham, 52nthjt3k8, 2015,
bearbeitetes, gefundenes Video, Stahlrohre, 01:00 min, Loop.

Der Prolog verspricht eine an der Verführungsmacht der Oberfläche orientierte Einführung in die Thematik der Ausstellung. Nicht das, was sich unterhalb der Oberfläche abspielt oder auf der Oberfläche bedeutet wird, die Oberflächen selbst sollen als augenscheinliches Geheimnis präsentiert werden – in ihrer spezifischen Materialität und Medialität, in ihrem Schimmern, Flackern und Flimmern, in ihrer Sanftheit oder Rauheit, in ihrer Glattheit oder Porosität, in ihrer anziehenden oder abstoßenden Kraft, in ihrem Vermögen, den Blick und das Begehren auf sich zu ziehen oder von sich zu weisen. Vor dem Hintergrund dieses kuratorischen Versprechens wundert man sich darüber, dass es in der Regel eine Oberfläche ist, die von Kapitel zu Kapitel dominanter wird und deren Charakteristikum ausgerechnet darin besteht, ihre Materialität geradezu auszulöschen: der Bildschirm. Sei es als bevorzugtes Medium, sei es als Gegenstand, mit dem sich die künstlerischen Arbeiten inhaltlich auseinandersetzen – der Bildschirm als analog-digitales Interface ist das eigentliche Geheimnis, um das Secret Surface insgesamt kreist. Dabei ist der Grat, entlang dessen das Geheimnisvolle der Oberfläche in die Eintönigkeit und Eindimensionalität ihrer puren Selbstpräsentation umzuschlagen droht, ein dünner. Die bloße Zurschaustellung der Oberfläche, selbst der faszinierendsten, wie etwa die von Anna Barham im Video 52nthjt3k8 (2015) inszenierte, auf Licht und Berührung reagierende Haut eines Tintenfisches, ist jedenfalls noch lange keine Garantie für eine gelungene künstlerische Arbeit (Abb. 2). Vor allem aber lässt der Fokus auf die je schon konstituierte Oberfläche die prozessuale und dynamische Dimension der Herstellung der Oberflächen und der damit verbundenen Genese von Sinn ebenso unterbeleuchtet, wie den Grund und die Grenzen des Sinns im Unsinn und Wahnsinn.

Abb. 3: Beth Collar, The Island of The Dead, 2014, digitales Video, 28:00 min.

Abb. 3: Beth Collar, The Island of The Dead, 2014, digitales Video, 28:00 min.

Dagegen sind es Arbeiten wie Beth Collars Island of the Dead (2014), die uns im Prolog präsentiert wird, oder Hollis Framptons Surface Tension (1968), zweifellos das Highlight des zweiten Kapitels der Ausstellung, die den Geheimnissen der Oberfläche am nächsten kommen und die Oberflächenspannung tatsächlich aufrecht zu erhalten wissen. Auf durchaus heterogene Art und Weise lassen die beiden Videoarbeiten Sinn dort entstehen und vergehen, wo (mindestens) zwei heterogene Ordnungen aufeinandertreffen: eine Ordnung des Sichtbaren, des Auges, des Lichtes, der Helligkeit und Dunkelheit, des Glitzerns und Glänzens, der Farbe, der Erscheinungen, des Zeigens, der Evidenz da; eine Ordnung des Sagbaren, der Worte, Sätze und Präpositionen dort. Ein Schatten wandert durch Beth Collars 28-minütiges digitales Video und verweist in Gesten und Worten auf eine allseits von Meereswellen umspülte Gesteinsformation (Abb. 3). Die Hände zeigen in wechselnden Gesten, was die Worte in unablässiger Wiederholung bezeichnen: „this is where the dead go, this is where all the dead go.“ Erst in der wiederholten Überkreuzung mit den gestischen und sprachlichen Zeichen wird die vor uns liegende Gesteinsformation zur Toteninsel und The Island of the Dead damit zur Grab- und Geburtsstätte (von Sinn) in einem.

Abb. 4: Hollis Frampton, Surface Tension, 1968, Video, 09:31 min.

Abb. 6: Hollis Frampton, Surface Tension, 1968, Video, 09:31 min. Abb. 5: Hollis Frampton, Surface Tension, 1968, Video, 09:31 min. Abb. 4, 5, 6: Hollis Frampton, Surface Tension, 1968, Video, 09:31 min.

Hollis Framptons Surface Tension führt dagegen ein Umkehrmanöver durch: wo Sinn sich immer schon eingenistet hat, soll der konstitutive Unsinn aufgezeigt werden. Das neun Minuten und 31 Sekunden lange Video ist in drei Teile gegliedert: der erste Teil zeigt einen Mann vor einem geöffneten Fenster, neben ihm eine Uhr mit Umblätterfunktion. Während wir den Protagonisten des ersten Teils sprechen und gestikulieren sehen, hören wir nichts weiter als das schrille Klingeln eines Telefons. Noch immer im Zeitraffer zeigt der zweite Teil des Videos Straßen, Passanten, Häuserfassaden – kurz: das typische Getümmel einer amerikanischen Großstadt der späten 1960er Jahre – während wir auf der Tonspur der Schilderung eines seinerseits dreiteiligen Filmprojektes lauschen. Der Protagonist des dritten Teiles von Surface Tension schließlich ist ein Goldfisch in einem Aquarium an einem Strand (Abb. 4, 5, 6). In weißer Druckschrift durchziehen Informationen wie „PART ONE“, „SOUNDS/COLOR“, „GIRL“, „5 MIN.“, „PART TWO“, „MONKEYS“, „PART THREE“ et cetera die nunmehr in Realzeit ablaufenden Aufnahmen, bevor die Projektion mit einer letzten, sich überschlagenden Meereswelle abbricht. Mit den Mitteln des Films, des Schnitts und der Montage, verrückt Frampton jede sinnvolle Überkreuzung zwischen der Zeit der Aufnahme und der Zeit der Projektion, zwischen der apparativen und der imaginären Projektion, zwischen den bildlichen und den sprachlichen Zeichen, zwischen den innerbildlichen und innersprachlichen Verweisen selbst. Immer schon verrückt, zu früh oder zu spät, treffen die einzelnen Elemente des Films nie zur rechten Zeit an diesem oder jenem möglichen Treffpunkt ein und setzen so eine Übersetzungsarbeit in Kraft, die in metonymischen und metaphorischen Wellen ein Meer an Bedeutungen aufwirbelt. In bester, man möchte fast sagen post-strukturaler Manier ist Surface Tension zugleich eine analytische Erörterung und komödiantische Inszenierung der Bedingungen des Films selbst.

Weniger analytisch, ähnlich komisch, präsentiert sich Andy Holdens Wandinstallation Obsession (2016). Auch in Obsession spielen Metonymie und Metapher, wie in vielen anderen Arbeiten des britischen Multimedia-Künstlers, eine entscheidende Rolle. Die bedruckte, sich über 1800 x 540 cm erstreckende und mit unzähligen Kulleraugen bedeckte Wandtapete gibt sich – auch weil es der Titel des ersten Kapitels Unter dem Firmament suggeriert – als kosmische Metapher zu lesen, nicht ohne die heraufbeschworene Metaphorizität zugleich mit feinem Witz zu brechen: Das erhabene Moment des „bestirnten Himmels über mir“ stellt sich jedenfalls nicht ein[10] (Abb. 7). Dagegen geht einem wie im Comic oder Cartoon, die als feste Bezugsgrößen innerhalb der künstlerischen Arbeit Holdens fungieren, sprichwörtlich ein Licht auf: Nicht nur schaut das, was wir sehen, auf uns zurück, in der Überkreuzung der Blicke liegt eine ursprüngliche Übertragung, die allen rhetorischen Figuren der Übertragung – Metapher, Metonymie, Hyperbole et cetera – vorausgeht. Im hyperbolischen Stil des Cartoons bringt Obsession die ursprüngliche Inadäquation zwischen einem per se bezeichnenden Universum – es gibt immer schon zu viele Zeichen – und einem gedeuteten Universum – die Zeichen lassen sich nie eindeutig einem Signifikat zuordnen – auf dem Punkt.[11] Das Universum hat sich mithin immer schon verdoppelt und zwischen den Zeichen und ihrer Bedeutung ist eine Gegenübertragung wirksam, die das Subjekt zwischen den Gesetzen der physikalischen und der symbolischen Ordnung hin- und herspringen lässt, wie Charlie Brown oder Bugs Bunny in der Arbeit Laws of Motion in a Cartoon (2011), die Andy Holden in Kooperation mit Tylor Woolcott produzierte.

Abb. 7: Andy Holden, Obsession, 2016, Druck auf Wandtapete, Wackelaugen, 1800 x 540 cm, Detail.

Abb. 7: Andy Holden, Obsession, 2016, Druck auf Wandtapete, Wackelaugen, 1800 x 540 cm, Detail.

Wer so Lust bekommt auf einen Zick-Zack-Kurs durch die kosmischen Weiten des Sinns und Unsinns, erfährt im zweiten Kapitel Welt als Oberfläche einen libidinösen Crash. Die meisten der hier versammelten, sich vornehmlich am Dispositiv zeitgenössischer Displays orientierenden Arbeiten, halten sich unentschieden in der Grauzone zwischen Technofaszination und -kritik auf. Einmal mehr werden wir im Spiegel der zeitgenössischen Kunst mit den techno-kapitalistischen Bedingungen konfrontiert, die seit dem 20. und 21. Jahrhundert und im Zuge einer zunehmenden Technisierung, Kybernetisierung und Kapitalisierung unsere Wahrnehmungs-, Handlungs-, Wissens- und Existenzräume organisieren.[12] Darüber, die techno-kapitalistischen Bedingungen und Sinnverschiebungen rein symptomatisch anzuzeigen, reichen die meisten der in diesem Kapitel präsentierten Arbeiten nicht hinaus.

Abb. 8: Mark Lecky, Living Within The Ecstasy of Always Bursting Forth, 2015, Video, ohne Ton, 03:20 min; Mark Leckey, The Half-Tone Ecstasy of Always Bursting Forth, 2015, Siebdruck, 150 x 100 cm. Installationsansicht KW Institute for Contemporary Art.

Abb. 8: Mark Lecky, Living Within The Ecstasy of Always Bursting Forth, 2015, Video, ohne Ton, 03:20 min; Mark Leckey, The Half-Tone Ecstasy of Always Bursting Forth, 2015, Siebdruck, 150 x 100 cm. Installationsansicht KW Institute for Contemporary Art.

Lustvoller geht es dagegen wieder im dritten und letzten Kapitel zu, das sich zeitgenössischen Subjektivierungsweisen widmet. Den Auftakt machen zwei Arbeiten Mark Leckeys: die Videoarbeit Living Within The Ecstasy of Always Bursting Forth (2015) und der Siebdruck The Half-Tone Ecstasy of Always Bursting Forth (2015, Abb. 8). In beiden Arbeiten greift Leckey ein Motiv aus Billy Wilders Screwball-Komödie Eins, Zwei, Drei (1961) auf, das auch schon in We Transfer (Secession, Wien 2015), Leckeys erster Solo-Show in Österreich, als Leitmotiv fungierte. Dabei ist es immer schon die Spur, die das betreffende Motiv im Web hinterlassen hat, die Mark Leckey als Ausgangsmaterial dient. Herausgelöst aus dem filmischen Kontinuum, isoliert sowohl vom historischen als auch vom filmischen Fluss der Zeit, eingegangen in die Gleichzeitigkeit und schiere Unendlichkeit im Web zirkulierender Daten, herausgefischt aus dem digitalen Datenstrom, übersetzt in das flimmernde Raster rot-grün-blauer LEDs, maskiert vom Schwarz-Weiß des Drucks/Videos, wird das Motiv des im Tupfenkleid und -hut an einer Bordsteinkante knienden, sichtlich fassungslosen Schauspielers (Hans Lothar) als ekstatischer Augenblick schlechthin inszeniert. Während die im Siebdruck stillgestellte Zeit den Polka-Dot-Man mit weißen Handschuhen, Hornbrille, und leicht geöffnetem Mund zur Ikone gerinnen lässt, schlüpft Mark Leckey im Video Living Within The Ecstasy of Always Bursting Forth buchstäblich in das Standbild hinein. In der Überlagerung von Stand- und Bewegtbild blickt uns aus den Gläsern und hinter die eingefrorene Fassade des Schauspielers gebannt der Künstler selbst entgegen. Ein klaustrophobisches und gerade darin quasi-transzendentales, kairologisches Moment zeichnet diese Inszenierung des Polka-Dot-Man insgesamt aus: Zu Fall gebracht, am Boden kniend, den Blick auf jene konkrete oder abstrakte Instanz gerichtet, in deren unsichtbarer Hand sein Schicksal zu liegen scheint, findet sich da Subjekt maximal reduziert. Es ist nichts als Erwartungshaltung. Maximal verdichtet dagegen ist der Augenblick selbst. Das Subjekt kann dem Ereignis dieses Augenblicks nichts entgegensetzen – es kann ihn nur entgegennehmen.

Abb. 9: Reena Spaulings, Mollusk, 2012, Marmor, 199 x 51 x 4 cm, Galerie Neu, Berlin / Privatsammlung, Berlin. Installationsansicht KW Institute for Contemporary Art.

Abb. 9: Reena Spaulings, Mollusk, 2012, Marmor, 199 x 51 x 4 cm, Galerie Neu, Berlin / Privatsammlung, Berlin. Installationsansicht KW Institute for Contemporary Art.

Mit einem dramma giocoso dagegen, der 3-Kanal-Videoinstallation Osservate, Leggete con me (2012) von Frances Stark, wird der Ausstellungsparcours quasi kontrapunktisch mit einem Augenzwinkern abgeschlossen. Mozarts Don Giovanni im Ohr lesen wir uns durch das in schnörkelig-weißen Schriftzügen an die Wände projizierte, redaktionell manipulierte und fröhlich-frivol inszenierte Protokoll mehrerer Cybersex-Chats, die Frances Stark mit unterschiedlichen Chatpartnern geführt hat. Weit ab der als „Ohhhhh“ und „ahhhhh“ und „mhhhh“ symbolisierten orgiastischen Gefühle, entlockt einem die Arbeit Starks doch das eine oder andere Schmunzeln. Ein Wiedergutmachungs-Angebot der Kuratorin an alle LiebhaberInnen des Unsinns? Vielleicht. Gerne hätte man jedenfalls mehr solcher Arbeiten gesehen, denen es wie etwa Reena Spaulings‘ Mollusk (2012) in bewundernswerter Leichtigkeit und Prägnanz gelingt, Unsinn zu stiften und etwas Unordnung in die immer schon von Sinn und Ordnung überdeterminierten Oberflächen zu tragen (Abb. 9).

Was von Reena Spaulings‘ Mollusk ebenfalls angezeigt wird, ist das problematische Verhältnis von Kunstproduktion und Ausstellungspraxis. Dem, was wir sehen können – die marmorne Kopie eines in Hinsicht auf seine ursprüngliche Materialität, Funktionalität und Kontextualität maximal entfremdeten Surfboards –, steht eine Menge an Informationen gegenüber, die uns schlicht vorenthalten wird: zum Beispiel, dass Reena Spaulings eine Kunstfigur ist, die vom New Yorker Kollektiv Bernadette Corporation geschaffen wurde, um in neo-situationistischer Manier die zeitgenössischen Identitätspolitiken und die Automatismen des Kunstbetriebs in einem zu unterlaufen; dass der Titel der Arbeit auf den gleichnamigen, mit Kultstatus versehenen Surfshop in Williamsburg, Brooklyn, verweist; dass die Arbeit im Kontext eines Tauschgeschäfts – Kunst gegen Material – mit Josef Dalle Nogare, einem Kunstsammler und Inhaber einer Marmorfabrik in Venedig entstanden ist und im Rahmen eines Ausstellungsprojektes entwickelt wurde, das unter dem Titel The Belgian Marbles (Sutton Lane, London 2009) den geopolitischen und ökonomischen Kreislauf und Zuschnitt von Waren und Werten thematisierte. Was den BertrachterInnen im Entzug all dieser Informationen entgeht, ist der gesamte Kontext des künstlerischen Produktionsprozesses: von seiner kollektiven Anlage bis hin zu den geopolitischen und sozio-ökonomischen Verwicklungen und Verschiebungen, an denen er teil hat und die ihrerseits als integraler Bestandteil der künstlerischen Praxis der Bernadette Corporation zu betrachten sind. Derart von der Tiefendimension seiner Produktionsbedingungen abgeschnitten, geht Mollusk im allgemeinen Oberflächenrauschen zwar nicht unter – als eine Art in Marmor gebanntes Oxymoron kann die Arbeit durchaus für sich selbst stehen – sie wird aber auf ihre ästhetisch-allegorische Dimension reduziert. So alt der Hut auch sein mag, der besagt, dass die modernen Ausstellungsformate zu einer Ästhetisierung der Kunst beigetragen haben, die sie von der Tiefendimension ihrer Produktionsbedingungen trennt und in ihrer möglichen gesellschaftlichen Wirkung neutralisiert, er sitzt auch weiterhin nur allzu gut. So läge dann eines der Versprechen des Sinns, innerhalb und außerhalb des Kunstbetriebs, gestern wie heute, gerade darin, die opake Faktizität der Oberflächen auf das Geheimnis ihrer Herstellung hin durchsichtig zu machen.


[1] Micheal Turnheim, Das Scheitern der Oberfläche. Autismus, Psychose und Biopolitik, Zürich/Berlin 2005, S. 7.

[2] Turnheim 2005, S. 7.

[3] Vgl. zur kognitivistischen Perspektive: Simon Baron-Cohen, Mindblindness, Cambridge 2001.

[4] Turnheim 2005, S. 23.

[5] Vgl. Daniel Paul Schreber, Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken, Leipzig 1903.

[6] Gilles Deleuze, Logik des Sinns [Logique du sens 1969], übersetzt von B. Dieckmann, Frankfurt a. M. 1993.

[7] Deleuze 1993, S. 260.

[8] Deleuze 1993, S. 110.

[9] Mit Beiträgen von niv Acosta, Auto Italia (Kate Cooper, Marianne Forrest, Andrew Kerton und Jess Wiesner), Trisha Baga, Anna Barham, Eduardo Basualdo, Viktoria Binschtok, Gwenneth Boelens, Beth Collar, Hollis Frampton, Spiros Hadjidjanos, Andy Holden, Alex Israel, Philipp Lachenmann, Mark Leckey, Lawrence Lek, Ying Miao, Philippe Parreno, Elizabeth Price, Naufus Ramírez-Figueroa, Emily Roysdon, Georgia Sagri, Prem Sahib, Nora Schultz, Katharina Sieverding, Reena Spaulings, Patrick Staff und Cara Tolmie, Philipp Timischl, Frances Stark und Martijn in ‘t Veld.

[10] Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft, A 288: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“

[11] Vgl. Claude Lévi-Strauss, Einleitung in das Werk von Marcel Mauss, in: Marcel Mauss, Soziologie und Anthropologie, Band I, München 1974, S. 38 ff.: „Das Universum hat schon bezeichnet, lange bevor man zu wissen begann, was es bezeichnete […]. [D]er Mensch (verfügt) von seinem Ursprung her über eine Gesamtheit von Signifikanten […], die er nur mit Mühe einem, wenn auch gegebenen, so doch noch nicht erkannten Signifikat zuordnen kann. Zwischen beiden besteht immer eine Inadäquation.“

[12] Zur technologischen Sinnverschiebung, vgl. Erich Hörl (Hg.), Die technologische Bedingung. Beiträge zur Beschreibung der technischen Welt, Berlin 2011.

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The Inflicted Voice

I.

Giorgio Agamben once wrote that to be contemporary means to insert ruptures and discontinuities into the chronological flow of time in order to make it readable.[1] The Freedom of Speech Itself[2], a 35-minute audio documentary by Lawrence Abu Hamdan, is an example of such a practice of opening up given notions for us to examine. In this work the artist focuses on the performativity of listening and the political impact governmental listening can have. More precisely it deals with the practice of forensic voice analysis in asylum seeker’s cases. Recently the UK’s government, as well as other European states, such as Germany, Sweden and the Netherlands have used this practice.[3] Emanating from four speakers on a table surrounded by plastic chairs, the sound piece expounds the problems of basic processes of generating power-relations referring to language applied in contemporary societies. Adopting the form of a radio program, it collects contributions by different people involved in or concerned with the practice of forensic voice analysis of the asylum seeker’s accents – at times distorted through sound altering effects. Among others, lawyers, phonetic experts and asylum seekers themselves are talking about their experiences with and doubts about the practice of forensic voice analysis. It soon becomes clear that this practice is not as precise and accurate as the officials in charge want and declare it to be. It much more portrays the “pervasion of the law deeper into the cultural and biological space of its subjects”[4].

Ill. 1: Lawrence Abu Hamdan, The Freedom of Speech Itself, Voiceprints, acoustically absorbent foam, 2012.

Although his audio piece remains an original and independent work, Lawrence Abu Hamdan continuously searches for ways to expand, paraphrase and translate his documentation into visual space. So is – not in the original exhibition at The Showroom but one later on – The Freedom of Speech Itself accompanied by two sculptural forms. Each of them represents a 3D-model of the voiceprint – a visual representation of the spectrum of a sound – of a person uttering the word “you” (Ill. 1).[5] Their form resembles the tectonic structure of geographical maps as well as the cartographic distribution of phonemes in linguistic studies. It is important that the sound piece and its manifestation in the context of an installation are understood as complementary practices which aim to endow each another with multiple layers of representation.

I aim to show in the following that Lawrence Abu Hamdan expands common notions of performativity through the accentuation of the constitutive role of the human voice in the context of law and its concept of the performativity of the act of listening – including the technologies involved in its procedures. Furthermore he lays bare processes, practices and power-relations that open up a new discourse about the conditions of basic human rights and one’s existence in both democratic and bureaucratic systems.

II.

One of the key aspects of Lawrence Abu Hamdan’s understanding of and engagement with the human voice is Mladen Dolar’s concept that the voice is the one unavoidable entity, which is necessary to execute the law.[6] Even though the law – at least in our culture – has to exist in written form, it is powerless unless it gets “delegated to the voice”[7]. A whole cluster of different voices precedes every judgment: Voices from interrogations, verdicts, prosecutions, oaths, alibis and pleas. Each and every one of them – including the judgment itself – has to be spoken out loud to gain its performative force.

Building upon the notion that the law highly depends on its execution by voice, Lawrence Abu Hamdan focuses on the concept of the law as a “vocal architecture” and “sonic infrastructure”[8]. He insists – in his theoretical writings as well as in his artistic practice – on the notion of the law as a space constructed through voices rather than through the actual materiality of a building, for example a courtroom.[9] In this respect Lawrence Abu Hamdan aims to re-spatialize the realm of law by trying to break up its close link with a specific fixated site that separates the law from other aspects of life. Instead he agrees with Dolar and suggests a more accurate understanding of the law as something that exists as an “auditory environment born in vocal performance”[10].

As an example, Abu Hamdan discusses the Miranda Warning, also known as the Miranda Rights or the Right to Silence. The Miranda Warning is an important part of Anglo-American jurisprudence and has to be uttered by every policeman or official before he or she can take somebody into custody. It reads as follows:

“You have the right to remain silent but it may harm your defense if you do not mention now, anything you later rely on in court. Anything you do say may be given in evidence against you.“

Now, what does this warning mean? First of all, it means that you now are officially under arrest. Therefore, the warning removes the suspect from the conditions of everyday life and relocates him or her into legal territory. There everything he or she says is liable – a vocal architecture has been set up. Moreover, the Miranda Warning not only establishes the law at the moment of its utterance, but also has drastic effects on the voice of the suspect – before your physical body can be taken into custody, your voice must be.[11] This shows that the access of the law on subjects is not limited to a courtroom or other official institutions, but that it can be implanted at every given moment, at any given location through the voice of an official. By creating new – liable – subjectivities in the moment of its utterance, the Miranda Warning calls to mind Althusser’s notion of “interpellation”.[12] However, we also have to be aware that once the Miranda Law is stated, the number of ears that are listening grow considerably. They are no longer limited to the ones of our interlocutors, but include those of everyone involved in the legal process that follows.[13] As I will elaborate all of these aspects are key to The Freedom of Speech Itself.

Lawrence Abu Hamdan’s work can be characterized by its interest in the sonical construction of the space of law and questions of control related to the cluster of voices, which define the sphere of the law. Who is allowed to speak before the law and who is not? What has to be done to be heard? Who decides which voices will be heard and which not? In which ways am I going to be heard? All of these questions emphasize that in reality the most important question is not who is speaking, but rather who or what is listening. In conclusion Abu Hamdan’s work is trying to establish an understanding of the performativity and political impact of listening opposed to the prevalent notion of society as a speaking and self-representational one.[14]

III.

The Freedom of Speech Itself concentrates on political listening in the form of forensic voice analysis in asylum seeker’s cases. In short, the basic aim of this procedure is to determine through the linguistic analysis of an asylum seeker’s accent whether or not he is lying about his national origin. It is a tool that allows rejecting them on the ground of their untruthfulness.[15]

The cornerstone for this development was set in 1984 with the passing of the Police and Criminal Evidence Act (PACE)[16] by the British government. In response to criticism concerning the falsification of testimony during police interviews this act demanded that every subsequent police interview had to be recorded. This alleged step towards increased transparency and reduced opportunity of abuse of power soon turned out to have further consequences – namely the birth of the scientific field of forensic audiology. At the beginning of this scientific practice was the realization that the constantly increasing amount of recorded interviews could be used for speaker comparison and voice identification.[17] The forensic audiology’s activities are constantly growing and today it has three major fields of operation – the authentication of recordings, the analysis of sound in connection to crime scenes and the already mentioned speaker comparison and speaker profiling.[18]

Forensic voice analysis focuses on the smallest element of human language as means to infiltrate the body of its subjects. In doing so it coincides with Michel Foucault’s thesis that disciplines primarily aim to control the details in order to subordinate the body – not because they contain meaning, but because they present power with the mere possibility of access.[19] Similarly, phones, as the transporter of physical sounds, which constitute our language, do not possess meaning in the first place. Nevertheless they open up a way to access the body of a speaking subject that empowers the intruding force to exercise a tightened hierarchical form of surveillance that goes unnoticed – like the gaze that sees without being seen.[20] Therefore forensic voice analysis can be seen as a powerful tool not only for passive observation and documentation, but rather for active influence and the production of subjectivities – an idea Lawrence Abu Hamdan enforces in his documentary.

Concerning the appliance of forensic voice analysis in the case of asylum seekers, three major issues emerge throughout The Freedom of Speech Itself, namely (1) the lifelong consistency of an accent, (2) the strictly separated spatial existence of accents, and (3) the way in which the interviews are conducted in general.

ad 1) To enforce the mentioned technique of speech analysis to determine one’s origin is to neglect the fact that language itself is an unstable and changeable thing. The language we use, varies heavily in different situations and contexts. In the case of refugees it is even more obviously the case, because they oftentimes have to undergo several spatial transitions throughout their flight. Travelling from country to country, often under great danger and distress certainly leaves its traces on a person’s language. Refugees may lose some characteristics of their original language while adopting other characteristics from places they were staying. It is therefore more than likely that the uprooting of a person’s body coincides with the uprooting of his or her language.

ad 2) As second point the documentary expounds the problem that languages are not as strictly divided as the bureaucratic notion of borders between nations might be. It is not hard to agree that national borders do not always match language borders – if such a thing should really exist at all.

ad 3) Last but not least The Freedom of Speech Itself draws attention to the way in which forensic speech analysis is applied in the interviews with asylum seekers.

First of all, the interviews happen without previous announcement. The asylum seeker is asked by an interviewer to talk about certain things – for example his or her hometown – without knowing the reason for the interview nor having any visual clues about his or her interlocutor.

Furthermore, even though the interviews are usually held in the mother tongue of the refugee – except in Germany, where they are conducted in English – the interviewer in many cases does not speak the same accent as the person being interviewed. Therefore, it is likely that the refugees – for the sake of mutual understanding – try to adapt their way of speaking to the one of the interviewer. Another crucial point is that people who are not qualified linguists hold the interviews. In other words the presented alleged linguistic evidence has not been gathered by linguists. Experts also criticize the stunning certainty of the reports made subsequent to the interviews – certainty, which one would rarely find in professional linguistic research. However, this is not very surprising considering that private companies who get paid to yield results usually do the evaluation of the interviews.

All of these issues were recognized by a large group of linguists and other specialists, who, in response, published the Guidelines For The Use Of Language Analysis In Relation To Questions Of National Origin In Refugee Cases.[21] In these guidelines the stated drawbacks were put forth and the increased trust in the application of forensic speech analysis to determine national origin by western governments was confronted.

IV.

As Foucault wrote, two cohering developments went along with the installment of the examination in the rise of disciplinary societies. First of all, it offered the possibility to constitute individuals as analyzable objects while secondly, it allowed to set up a system of comparison for measuring global phenomena. In doing so the examination turns every individual into a case through its techniques of documentation. Paradoxically this newly discovered individuality, which before has been strictly reserved for privileged and high-ranking subjects, was in no way a trend towards increased equality and personal freedom, but rather a means of classification and control. Therefore Foucault sees the examination not as a mere receptive and reflexive tool, but as a highly productive one, for it creates realities.[22]

This definition of the examination coincides with Abu Hamdan’s assessment of forensic speech analysis: It does by pointing out the fact that each time we speak in front of the law, we are not only identifying and testifying ourselves, but are providing the basis for the identification of all other voices through the possibility of comparison.[23] When we think of the Miranda Warning, which first of all takes our voice into custody, we now see that – through forensic speaker comparison techniques – it “will never be released”[24] from this custody.

Since the passing of the PACE act one can see how the development of forensic audiology put the voice under pressure. While before the attention was focused on the things we say, it shifted now to the way, how we are saying them. Thus, the voice is used as a gateway to enter the body of a speaking subject in order to gather information without the affected noticing. In conclusion you could consider the sound of the voice as a new form of speech itself, containing more information than the actual words we utter. This endowment of the voice with its own speech is not a new concept; psychology and other disciplines have long taken the expressive function of the voice itself into account. Nevertheless, on a legal basis it is a rather new development that these aspects are being taken into account and they create liability. The result is that the performative force of the act of forensic listening equips “a sound with the orality that in turn allows it to operate politically”[25] – thus confirming the Foucauldian notion that the tactics of governance allow to determine what is public or private, governmental or non-governmental business at any given time[26]. This distortion of the voice is implicated in Lawrence Abu Hamdans use of sound altering effects within The Freedom of Speech Itself.

Nonetheless it is important to come to terms with the fact that the agency of this form of listening does not limit itself to the aspect that it expands the bandwidth of audible speech. Rather – as we saw with the example of the examination – we have to consider that this kind of monitored listening contains the option of actively manipulating and altering the realities of its subjects. Updating Althusser’s interpellation, the constitution of a subject can now be found within the act of listening rather than speaking. This becomes especially apparent in the case of forensic voice analysis in connection with the procedure of granting asylum as highlighted in The Freedom of Speech Itself.

The same way the sculptures accompanying the sound piece pinpoint Abu Hamdan’s interlinkage of forensic voice analysis and its effects on the territorial transplanting and fixation of its subjects. Just like the documentation itself, the sculptures – in their almost abstract indistinguishability and likeness – question the accuracy of the classification gained through forensic voice analysis. Furthermore, the acoustically absorbent foam, out of which the sculptures are made of, not only draws more attention to the sonic medium of the artwork, but also amplifies the extent to which our voices can be manipulated and almost extinguished in modern societies.[27] The voiceprints not only illustrate the content of the immaterial documentary, but manage to create an even better understanding and multidimensional perception of the artwork and the issues it raises.

Abu Hamdan’s documentary reveals and analyzes political effects of forensic listening for the probed subject’s voices, as well as their physical and cultural existence. In doing so it adds even more weight to the notion that the traditional idea of how we exist in and act through language, as well as the fundamental idea of democratic participation can no longer be kept up. This holds particularly true for the age-old conception of the voice as a means of constituting and representing oneself. Rather the feeling arises that contemporary forms of listening undercut and pervert named concepts in order to consolidate and expand governmental control. What remains is the notion that instead of our voices being the subjects of a conversation they are being transformed into carriers of information – without us even noticing.[28]


[1] Giorgio Agamben, What Is the Contemporary?, in: Giorgio Agamben, What Is an Apparatus and Other Essays, Stanford 2009, p. 39 – 54.

[2] Lawrence Abu Hamdan, The Freedom of Speech Itself, URL: http://www.forensic-architecture.org/file/forensic-listening/ [30.07.2015].

[3] For a detailed account of this techniques read: Diana Eades, Applied Linguistics and Language Analysis in Asylum Seeker Cases, in: Applied Linguistics 26/4, 2005, p. 503 – 526. 2010, p. 24.

[4]  Lawrence Abu Hamdan, Aural Contract, London 2010, p. 24.

[5] Lawrence Abu Hamdan, The Freedom of Speech Itself, URL: http://lawrenceabuhamdan.com/#/fosi/, [30.07.2015].

[6]  Mladen Dolar, His Master’s Voice. Eine Theorie der Stimme, Frankfurt am Main 2007, p. 146.

[7]  Abu Hamdan 2010, p. 5.

[8]  Abu Hamdan 2010, p. 5.

[9]  Abu Hamdan 2010, p. 5.

[10]  Abu Hamdan 2010, p. 10.

[11] Abu Hamdan 2010, p. 10 – 11.

[12] Louis Althusser, Ideology and Ideological State Apparatuses, in: Literary Theory. An Antology, edited by Judy Rivkin, Malden 2004, p. 693 – 702.

[13]  Abu Hamdan 2010, p. 11.

[14]  Abu Hamdan 2010. p. 12.

[15]  Abu Hamdan 2010, p. 27.

[16] The National Archive, The Police and Criminal Evidence Act 1984, URL: http://www.legislation.gov.uk/ukpga/1984/60 [30.07.2015].

[17]  Abu Hamdan 2010, p. 22 – 23.

[18]  Abu Hamdan 2010, p. 24.

[19]  Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1994,  p. 178 – 179.

[20]   Foucault 1994, p. 221.

[21]  International Journal of Speech Language and the Law, Guidelines for the use of language analysis in relation to questions of national origin in refugee cases, 2004, URL: http://www.refworld.org/docid/4cbebc852.html [30.07.2015].

[22]  Foucault 1994, p. 245 – 250.

[23]  Abu Hamdan 2010, p. 23.

[24]  Abu Hamdan 2010, p. 23.

[25]  Abu Hamdan 2010, p. 26.

[26]  Michel Foucault, Analytik der Macht, Frankfurt am Main 2005, p. 173.

[27]  Abu Hamdan 2015.

[28]  Foucault 1994, p. 257.

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Pamela Rosenkranz’ Topologie des synthetischen Subjekts

1

Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Abb. 1: Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Ort des Geschehens ist der Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia; genauer die Installation Our Product, die Pamela Rosenkranz dort eingerichtet hat. Von außen zeichnet sich der ästhetische Eingriff der Künstlerin bereits ab: Die üblicherweise weiße Beschriftung links des Eingangs wurde wie der Fahnenmast, die Stützen und die Innenseite des Eingangsbereichs in mintgrüner Farbe gestrichen; die beiden versetzten, über dem Pavillon aufragenden, verglasten Dachkonstruktionen setzen diese koloristische Intervention fort und spannen zusätzlich eine optische Gegenüberstellung auf. Während sich am Dach links des Eingangs ein saturierter, grünlicher Schein manifestiert, ist das zweite in einen Babyrosaschimmer getaucht (Abb. 1). Die formale Bestimmtheit dieser Gegenüberstellung lässt uns den Eingangsbereich farblich der linken Seite des Pavillons zuordnen, was nicht bloß zur Annahme die Hand bietet, dass der gesamte Pavillon eine klare Organisation aufweist, sondern auch die Frage aufwirft, wie Rosenkranz im Inneren des Pavillons – in der von außen unsichtbaren Zone – den Übergang von der einen zur anderen Seite bewerkstelligt.

Die Beantwortung der Frage erweist sich nach dem Betreten der Ausstellung erheblich schwieriger, als es der erste Augenschein der minimalistisch glatten, diachromen Gestaltung vermuten ließ: Noch im Eingangsbereich tönt aus verborgenen Lautsprechern eine weibliche Stimme, die sich weder deutlich noch laut genug artikuliert, um störungsfrei verständlich zu sein. Diese initiale Erfahrung im Inneren des Pavillons bestätigt sich, wenn ein paar Meter weiter die diffuse Stimme von einem leicht modrigen Geruch abgelöst wird, dessen Quelle ebenso versteckt bleibt. Synchronisiert sind diese Eindrücke mit den durchgehend mintgrünen Wänden, deren Grün, wie im Inneren der Anlage zutage tritt, von neun LED-Leuchten intensiviert wird, die mit ihrem ebenfalls grünen Licht den überdachten, aber offenen Bereich des Pavillons von der Außenwand der Anlage her fluten (Abb. 2). So zeigt sich der Pavillon leer von Objekten, jedoch mit intensiven sinnlichen Eindrücken gefüllt, die – so steht zu vermuten – einem Erfahrungskonzept unterliegen. Es fällt schwer, das eigene Empfinden nicht als kompromittiert wahrzunehmen; der Eindruck der sinnlichen Insuffizienz, die einwirkenden Affektionen zu bewältigen, stellt sich zunehmend ein; sich zu orientieren wird schwieriger und selbst die Kontur des eigenen Körpers, die sich als Schatten auf den Wänden abbildet, wird durch die polyzentrische Beleuchtung fortlaufend schwerer zu fassen. Einen Ausweg aus der Situation scheint ein kleiner Durchgang in der rechten Wand zum Innenraum des Pavillons zu bieten, aber zu viele Besuchende reihen sich davor, als dass er schnell und einfach zu erreichen wäre; dazu ein unachtsamer Blick zurück zu den grellen LED-Leuchten im Hof – der anfängliche Eindruck der Insuffizienz weicht der Bedrängung.

Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Abb. 2: Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Über die beschriebenen Ebenen der Affektion dringen, wie Markus Klammer bemerkte, die Ingredienzien der Installation in unsere Körper ein und verweben uns mit der immersiven Struktur des Pavillons.[1] Die Reaktion des Körpers auf diese Infiltration kann durchaus unangenehm ausfallen. Der daraus resultierende unangenehme Zustand führt dazu, dass ich die Begehung und Beschreibung abbrechen und den Pavillon abrupt verlassen muss, um an der frischen Luft auszuruhen. Aber das schafft immerhin Zeit dafür, den Ausstellungstext zu lesen und eine andere Herangehensweise an die wirkungsästhetische Konzeption des Pavillons zu versuchen.

2

Susanne Pfeffers Text liest sich wie ein Hybrid aus Manifest und press release – ein Format, aus dem sich schließen lässt, dass dem Text nicht bloß eine explikative Funktion zukommt, sondern dass er als integraler Bestandteil der Arbeit aufgefasst werden soll; eine Kollaboration, auf die ich zurückkommen werde. In Bezug auf die Bestandteile der Arbeit erfährt man, dass auch der Geruch tatsächlich zur Installation gehört. Es handelt sich um synthetisch hergestellten Moschus: „If dosed correctly, the odor it yields is perceived as enticing. An overdose, however, smells repellent.“[2] Außerdem ist zu erfahren, dass sich die Substanz großer Beliebtheit in der Kosmetikindustrie erfreut, weil sie hilft, andere Gerüche bei der Applikation auf die menschliche Haut zu stabilisieren. In synthetischer Form ist Moschus nur teilweise biologisch abbaubar; Rückstände davon wurden im Abwasser, in Tieren, Pflanzen und auch Menschen gefunden. Dass Rosenkranz‘ Arbeit eine Kritik dieser ökologischen Situation sein soll, geht aus Pfeffers Text nicht hervor; im Gegenteil ist es gerade die Kategorie des Synthetischen, die Pfeffer Anlass zu einer weit greifenden Spekulation bietet: „[…] thinking a universe beyond humanity and conceptualizing matter as inherently intelligible are among the urgent tasks of our present. If matter is indeed in itself intelligible, the anthropocentric construction of humanity turns out to be obsolete. […] At a time when humans gradually transform into cyborgs, the foundational distinction between ‘organic’ and ‘synthetic’ evaporates. […] Inside and outside, active and passive – these are no longer clearly definable oppositions.“[3]

Der Auszug aus Pfeffers Text umreißt, was mit Our Product auf dem Spiel steht. Die Arbeit will ein neues Verhältnis von Mensch und Welt entwerfen, das den anthropozentrischen Zugriff der Menschen auf die Welt zugunsten eines biochemischen Physikalismus ablöst; eine Konzeption, die den Menschen als einen komplexen physiologischen Apparat versteht, dessen elementare Komponente biochemische Abläufe darstellen. Unterscheidungen wie Innen und Außen, Mensch und Maschine, natürlich und künstlich werden nach diesem Modell obsolet und die Differenzierung zwischen Subjekt und Objekt wird analog zur Unterscheidung von organischen oder synthetischen Stoffen nivelliert. Die Dinge existieren an sich, unabhängig von ihrer Beziehung zum denkenden und wahrnehmenden Subjekt und die Art und Weise, wie sie aufeinander wirken, liegt jenseits unseres perzeptiven Vermögen;[4] so seien die von der Frauenstimme im Pavillon aufgezählten Materialien (Necrion, Carneam, Melosone und so weiter)  „materials that have made the distinction between synthetic and organic and between subject and object impossible.” [5]

Die These, die im Folgenden entwickelt wird, zielt darauf, der Vorstellung einer Auflösung des Subjekts in Rosenkranz’ Werk dessen Synthetisierung ­– seine Durchmischung mit künstlichen Stoffen und Materialien – entgegenzuhalten, die die Frage nach Subjektivität gerade erneut aufwirft anstatt sie zu verabschieden. Im Gegensatz zum Anspruch der Auflösung wird hier behauptet, dass ihr Werk eine Topologie entfaltet, die entlang von räumlichen Bezügen wie Orientierungsproblemen und umgestülpten Verhältnissen eine veränderte Subjektivität aufrichtet.

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Filmstill „Human Battery“ aus Matrix (US/AU 1999).

Abb. 3: Filmstill „Human Battery“ aus Matrix (US/AU 1999).

Mein Argument baut zunächst auf die Annahme, dass sich die Beziehung zwischen Subjekt und Technologie seit der jüngsten Vergangenheit signifikant verändert; speziell mit der andauernden Finanzkrise der späten Nullerjahre und der damit verbundenen, zunehmenden Digitalisierung ökonomischer Prozesse in den letzten zwanzig Jahren. Wie Kerstin Stakemeier vorbrachte, hat die Finanzkrise eine tiefgreifende Diskrepanz zwischen dem materiellen Leben der Menschen und dem digitalen Funktionalismus ihrer Maschinen (Computer) gezeitigt. Die digitalisierten Börsenhandlungen hatten einen Automatismus erreicht, aus dem die Menschen als Fehlerquelle zwar suspendiert waren, deren Auswirkungen sich aber dennoch – mit dem Verlust von Häusern, Renten, Ersparnissen und so weiter – mitten in ihren Leben materialisierten.[6] Damit überschritt die „Funktionalisierung technischer Objekte“ – die ontologische Trennung von Menschen und Maschinen – ihre kritische Grenze und drohte sich in jenes apokalyptische Szenario auszuleeren, das abzuwehren eigentlich ihre Aufgabe war: die Unterwerfung der Menschen durch mächtige, lebensfeindliche Maschinen (Abb. 3).[7]

Im aftermath dieser Bedrohung konfigurieren sich KünstlerInnenpositionen wie diejenige von Rosenkranz: 2009 begann die Künstlerin mit der Werkserie Firm Being, die aus PET-Flaschen bekannter Wassermarken wie Evian, San Benedetto und FIJI besteht. Anstatt mit Wasser stellte sie die Flaschen mit Dragon Skin gefüllt aus, einer Silikonflüssigkeit, die in der Filmbranche für artifizielle Wund- und Hautpartien verwendet wird.[8] Für Rosenkranz repräsentieren diese Wassermarken das Versprechen einer Reinheit, die darauf beruht, dass das Wasser einem natürlichen Prozess (bei FIJI etwa „untouched by man“) entspringt und die Menschen, die das Wasser trinken, diese Reinheit aufnehmen können, um sich gegen die Unreinheiten unserer Gegenwart zu wappnen.[9]

Pamela Rosenkranz, Firm being (Stay Neutral), Venice Series, PET Flasche, Silikon, Pigmente, 21x 6 x 6, Standort unbekannt.

Abb. 4: Pamela Rosenkranz, Firm being (Stay Neutral), Venice Series, PET Flasche, Silikon, Pigmente, 21x 6 x 6, Standort unbekannt.

Dragon Skin jedoch stülpt dieses Versprechen um. Gefüllt mit dem opaken Material verlieren die PET-Flaschen ihre Transparenz und damit einen Indikator ihrer Reinheit; statt der Transparenz sehen wir den europiden Hautton der designierten KonsumentInnen des Wassers (Abb. 4).[10] Das Ersetzen des Wassers mit der Silikonflüssigkeit kann dabei als eine Allegorie für die Präsenz menschlicher Manipulation beziehungsweise synthetischer Stoffe gelesen werden, die im Hinblick auf Herstellung, Verpackung und Vermarktung auch die „reinsten“ Produkte heimsucht; ein Aspekt, den Rosenkranz mit der Verwendung von synthetischem Moschus, dessen Rückstände im Grundwasser nachgewiesen wurden, sechs Jahre später mit Our Product wieder aufnimmt. Dragon Skin scheint hier aber nicht nur farblich, sondern auch materiell, als prosthetisches Mittel für die Haut des menschlichen Körpers zu stehen. Dass es sich um ein Substitut und nicht um richtige Haut handelt, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Denn das Eingießen von artifizieller Haut in die Plastikflasche inszeniert – so die Umstülpung – den menschlichen Körper selbst als eine synthetische Realität. Die Fiktion, die das Versprechen der Reinheit entwirft, umfasst nicht nur Ursprung und Gewinnung der Wasser, sondern die Menschen, die ihre eigene Reinheit angeblich gegen verschiedenste Manifestationsformen von Technologie verteidigen müssen.[11]

Doch paradoxerweise unterschlägt auf der Ebene der Vermittlung gerade die populäre Fiktion einer fundamentalen Opposition von Natur und Technologie, dass ihr selbst wiederum auf der Ebene der Produktion eine massive Funktionalisierung technischer Objekte zugrunde liegt; neben dem logistischen Apparat, der das Produkt von seiner exotischen Quelle zu seinen internationalen KonsumentInnen bringt, ist das vor allem die Digitalisierung als technisches Objekt ökonomischer Vermittlung.[12] Das führt zurück zur Finanzkrise, denn „die fortschreitende Finanzialisierung des Kapitals seit den Neunzigerjahren basierte eben nicht zuvorderst auf einer erweiterten Technisierung der Produktion, sondern der grundlegenden Digitalisierung nicht nur der Produktion, sondern vor allem ihrer Distributions- und Bewertungsinstanzen. Der Fokus verschob sich von der Produktion von Waren auf deren Vermittlung“.[13] Ein bezeichnendes Beispiel dafür sind die von Rosenkranz verwendeten Wassermarken Evian und FIJI, die den Reinheitskontrast zwischen prähistorischer Vergangenheit und Gegenwart mit neuester digitaler Technologie besonders affektiert suggerieren und über das Internet zirkulieren lassen.[14] Rosenkranz wiederum schließt nicht nur an die bestehende mediale Vermarktung ihrer Referenzprodukte an, sondern integriert mit Firm Being selbst ein Strukturmerkmal digitaler Vermittlung, indem sie die Arbeiten für den Katalog von einem für kommerzielle Fotografie ausgebildeten Fotografen ablichten ließ. Dadurch präsentieren sich ihre Publikationen weniger wie eine Werkdokumentationen denn als glatte Werbeoberflächen, die die Zirkulation eines Produkts erleichtern sollen.[15]

Dass die Krise reaktionäre Topoi wie die Opposition von Mensch und Technologie aktualisierte, ist angesichts einer landläufigen Unvertrautheit mit der Funktionsweise moderner Technik wenig verwunderlich.[16] Aber sie perpetuieren den Fehlschluss, dass technische Objekte keine menschliche Wirklichkeit enthielten.[17] Rosenkranz’ Arbeiten hingegen gehören zu einer Reihe von ästhetischen Reaktionen (und Orientierungsansätzen), die gegen die Krisenhaftigkeit der Funktionalisierung technischer Objekte die Durchmischung von Mensch und Technologie, das heißt Organischem und Synthetischem, ins Zentrum stellen.[18] Wie Gilbert Simondon schon in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts forderte, inszenieren ihre Arbeiten, „dass die Kultur in der technischen Wirklichkeit eine menschliche Wirklichkeit verkennt und dass die Kultur […] die technischen Wesen […] eingliedern muss“.[19] Rosenkranz‘ Werke beschränken sich dabei nicht auf ein Spiel mit der digitalen Produktion von Subjektivitäten – schließlich ist Dragon Skin in unzähligen Filmen als reale Haut innerhalb eines fiktiven, digital bearbeiteten Szenarios zu sehen – sondern umfassen auch jene biochemische Dimension, die die Menschen als durchdrungen (Our Product) und eingefasst (Firm Being) von synthetischen Stoffen begreifen. Dass aber mit dem synthetischen Menschen, wie Susanne Pfeffer es im Saaltext für den Schweizer Pavillon postulierte, nicht etwa das Konzept eines synthetischen Subjekts einhergehen soll, sondern die Synthetisierung des Menschen von der Auflösung des Subjekts begleitet wird, ist ebenfalls keine historische Koinzidenz.

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Die Konferenz „Speculative Realism“, die 2007 am Goldsmiths College in London stattfand, gilt als Initialisierung jener philosophischen Tendenzen, die unter demselben Namen geläufig wurden.[20] Auch der Spekulative Realismus wendet sich, wie es Pfeffer für Our Product veranschlagte, gegen die anthropozentristische Vorstellung, dass das erkennende Subjekt der Umschlagpunkt jeden Weltbezugs sei. „Speculative Realism insists upon the independence of the world, and of things in the world, from our own conceptualisations of them. It rejects […] that the order of the world depends upon the way that our minds (or languages, or cultures) work to structure it. And it also rejects the phenomenological assumption of a primordial reciprocity or correspondence between self and world, or subject and object, or knower and known.”[21] Gegen die epistemologische Reflexion (dem Wie unseres Wissens), die mit der Überlegung kulminiert sei, dass wir letztlich nie über die Dinge in der Welt sprächen, sondern immer nur über uns, das heißt über unseren Prozess der Begegnung mit der Welt, mobilisiert die spekulative Philosophie eine neue Ontologie (das Was der Dinge), die nicht nur eine Welt jenseits unserer Subjektivität anerkennt, sondern das Denken über die und in der Welt vom Selbstbezug des Subjekts abzukoppeln versucht.[22]

Nicht zufälligerweise teilen sich Susanne Pfeffer, Pamela Rosenkranz und der Spekulative Realismus dieses Ziel, denn ein Symposium im Rahmen der von Pfeffer kuratierten Ausstellung „Speculations on Anonymous Materials“ (Fridericianum Kassel, 29. September 2013 – 26. Januar 2014) hatte die spekulative Philosophie (mit Iain Hamilton Grant, Robin Mackay, Reza Negarestani und anderen) als Schicksalsschwester der Kunst mit ausgestellten KünstlerInnen wie Pamela Rosenkranz zusammengebracht.[23] Vor dieser Folie lassen sich sowohl die Einladung an Susanne Pfeffer, 2015 den Schweizer Pavillon zu kuratieren, wie auch die spezifische philosophische Perspektive ihres Saaltexts erheblich besser nachvollziehen. Robin Mackay und Reza Negarestani hatte die Künstlerin schon früher eingeladen, Beiträge für ihre umfangreiche Publikation No Core (2012) zu verfassen; eine Kollaboration, die sich bei Robin Mackay bis zu dessen beratender Funktion für den Schweizer Pavillon fortsetzte.[24] Zu diesem Naheverhältnis meint Rosenkranz: „Speculative Realism is a vague umbrella term and I don’t see my work as exemplary of it in a direct way. I am just interested in engaging with philosophers who incorporate contemporary ideas in their theories. I have tried to understand the implications that Reza’s and Robin’s work holds for art.“[25] Obwohl Rosenkranz eine Zugehörigkeit ausschlägt, bleibt deutlich, dass von der Arbeit dieser Philosophen (offenbar alles Männer) eine Attraktivität ausgeht, in die einzuschreiben sich für die Künstlerin lohnt.[26] Konkret scheinen es Mackays und Negarestanis Inkorporationen neurowissenschaftlicher Erkenntnisse zu sein: „How do we connect with art biologically? […] I am concerned with exploring how scientific findings change popular conceptions of what it means to be human. […] For example, it’s interesting how advances in neuroscience challenge our understanding of identity. […] I try not to think about art in terms of the primacy of subjective interpretation, but to engage with the reality of materials beyond our affective engagement with them.“[27] In Anlehnung an den Philosophen Thomas Metzinger, der sich im Bereich der Theoretischen Philosophie an den aktuellsten Ergebnissen der Kognitions- und Neurowissenschaften orientiert, bedeutet das im Fall Robin Mackays die Verwerfung des subjektkonstituierenden Selbstbezugs, da der Selbstbezug lediglich eine evolutionsbedingte Funktion unserer neurologischen Organisation darstelle: „The first-person point of view ­– the experience of the self as an immediate yet unfathomable phenomenon through which all experience passes – is an instrumental screening that sequesters the model from the very process of representation that generates it.“[28] Negarestani wiederum veranschlagt in seinem Aufsatz „Darwining the Blue“ das Ende der Kunst als „last bastion of human narcissism“, wobei er die Kunst (Rosenkranz ausgenommen) – und wahrscheinlich auch den kritischen Diskurs dazu – über weite Strecken als eine reaktionäre Ablehnung der „sweeping scientific extirpation of the manifest image of ourselves and the world we inhabit“ begreift.[29]

Die Auflösung des Subjekts, für die sich Rosenkranz im Anschluss an diese Philosophen interessiert, ist offenbar eine naturwissenschaftliche.[30] Sie verortet den Verlust der Subjektivität im „Verschwinden des Menschen“ infolge seiner naturwissenschaftlichen Objektivierung („beyond our affective engagement“), die, wie Gerhard Gamm meint, die Menschen als Subjekte des Kalkulierens und Rechnens selbst zum Gegenstand von Kalkulation und der Berechnung werden ließ.[31]

Im Anschluss an den vorangegangenen Abschnitt ist diesem Umschlag der Kalkulationsinstanz allerdings eine entscheidende, epistemologische Komponente hinzuzufügen: die Digitalisierung naturwissenschaftlicher Methoden. Analog (und zeitgleich) zur Spekulation auf das digitalisierte Kapital, die die Finanzkrise verursachte, spekuliert die hier skizzierte Variante des Spekulativen Realismus auf die digitalisierten Naturwissenschaften, deren Daten ebenfalls maßgeblich aus computerbasierten Verfahren und Berechnungen hervorgehen. Just in der automatisierten Verarbeitung von Datenmengen, die ohne Digitalrechner (Computer) nicht verarbeitet werden könnten und deren Resultate außerhalb ihrer Digitalität kaum zu überprüfen sind, dürften diese Philosophen eine Befreiung aus der anthropozentrischen (poststrukturalistischen) Zwangsjacke sehen; schließlich hat sich die Naturwissenschaft damit über weite Strecken von einem „trivial phenomenological engagement“ mit der Natur verabschiedet, in der das Subjekt Umschlagpunkt empirischer Beobachtung war.[32] Weshalb aus einer solchen Spekulation die philosophische Verabschiedung des Subjekts zu folgen habe, ist fragwürdig. Die Beziehung von Subjekt und Technologie wird hier vom Spekulativen Realismus mit dem Argument abgebrochen, dass die Technologie (die Digitalisierung der Naturwissenschaft) das Subjekt überflüssig werden ließ. Doch dieses Argument scheint entscheidend zu verkennen, dass es sich primär nicht um eine Auflösung des Subjekts, sondern um dessen Neubestimmung vor der Folie eines naturwissenschaftlichen Dispositivs handelt, die der Spekulative Realismus hier anvisiert. Wieder auf das Gebiet der Kunstwerke hin gewendet, stellt sich vor allem die Frage, wie sehr der diskursive Anspruch, der vonseiten der Theorie oder der KünstlerInnen an die Arbeiten gestellt wird, in den Werkstrukturen eingelöst wird. Auf den Anspruch, dass sich das Subjekt in Rosenkranz‘ Werken auflöst, möchte ich nach diesem Exkurs in die diskursive Verortung ihrer Arbeit und deren Kritik zurückkommen.

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Mittagszeit an jenem kühlen Oktobertag in Venedig; erholt vom ersten Besuch des Schweizer Pavillons. Die meisten Besuchenden der Biennale verpflegen sich gerade in einem der Restaurants auf dem Areal, was einem zweiten Besuch des Pavillons mehr Erfolg verspricht.

Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Abb. 5: Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Durch den Eingangsbereich hindurch, an der Stimme vorbei, in den grünen Raum mit dem ambivalenten Moschusgeruch positioniere ich mich vor dem Durchgang, der zuvor nicht zu erreichen war. Gerahmt und mehrere Meter tief zeichnet sich am Ende des Ganges eine Brüstung ab und darüber ein rechteckig eingefasstes, graues Schimmern (Abb. 5). Letzteres lässt mich – nicht zuletzt aufgrund der Farbgebung und des Formats – an Untitled XIII (1975) von Willem de Kooning denken, in dem sich – markiert von pinken, roten und grauen Farbflächen und Pinselstrichen – ein grau-weißliches Zentrum bildet (Abb. 6). De Koonings Nass-in-Nass-Malerei wird mit ihren weiten Malgesten üblicherweise als eine abstrakte Kunst begriffen, die sich vor allem über die Einfühlung der Betrachtenden in den expressiven Prozess der Malbewegungen ästhetisch nachvollziehen lässt. Doch die Spuren geronnener Farbe und die winkeligen Pinselstriche, die im Zentrum und über das ganze Bild verstreut zu sehen sind, verweisen nicht nur auf den Maler im Material der Farbe, sondern konstituieren auch die Betrachtenden vor dem Bild: „Das Gemälde, obwohl selbst ein Wirbel aus Strichen, Feldern und Spritzern, erkennt unsere räumliche Orientierung an, das heißt, dass es für uns erscheint, die wir aufrecht vor dem Bild stehen. Seine innere Rekadrierung macht aus dem Orientierungsverlust eine Bilderfahrung, die auf den Betrachter hin ausgerichtet ist.“[33]

Willem de Kooning, Untitled XIII, 1975, Öl/Leinwand, 221,6 x 196,6 cm, Yale, Yale University Art Gallery.

Abb. 6: Willem de Kooning, Untitled XIII, 1975, Öl/Leinwand, 221,6 x 196,6 cm, Yale, Yale University Art Gallery.

In Pamela Rosenkranz‘ Pavillon kommt dem gerahmten Durchgang eine vergleichbare Funktion zu. Durch den körperlichen Prozess der Durchdringung, in den uns die Geräusche, die Gerüche und die diffusen Optiken des Pavillons stürzen, und durch die daraus resultierende Desorientierung hindurch, werde ich vor dem Durchgang als betrachtendes Subjekt optisch aufgerichtet. Die Ausgangsfrage nach der Bewerkstelligung des Übergangs zwischen den beiden Bereichen des Pavillons wird von Rosenkranz offenbar topologisch gefasst, als eine Auseinandersetzung mit räumlichen Strukturen, die wiederum als Ausprägungen eines relationalen Bezugs verstanden werden müssen.[34] Während in Firm Being die PET-Flaschen als räumliche Strukturen beziehungsweise Körper figurierten, um durch die Einstülpung der synthetischen Haut (Dragon Skin) die Synthetisierung des Subjekts, seine Beziehung zu synthetischen Stoffen und hybridisierenden Technologien, strukturell greifbar zu machen, geht Rosenkranz in Our Product noch weiter. Hier wird die räumliche Struktur des Pavillons mit ihren offenen und geschlossenen Bereichen und den darin installierten intensiven Eindrücken zur Ausprägung jener Erfahrung genutzt, wie sehr die Topoi eines körperlich-natürlichen Innen und eines synthetisch-technischen Außen, das heißt unser Selbstbild als abgeschlossenes „Firm being“, nicht zutreffen. Doch die Durchdringung durch die mysteriösen Stoffe (Geruch, Farbe) und die intensive Technik (Stimme, LED-Leuchten) führt im Pavillon nicht zur Auflösung unseres Selbstbezugs, der Anspruch der Auflösung des Subjekts löst sich hier nicht ein: Vor dem gerahmten Durchgang werden die Betrachtenden orientiert und ausgerichtet. Ich gehe in den Gang hinein und gelange zu einem Becken, gefüllt mit rosa Flüssigkeit, die mir bis zur Brust kommt (Abb. 7). Der Titel der Arbeit lässt vermuten, dass wir nach Rosenkranz die Flüssigkeit in diesem Becken sind – und damit hat sie teilweise recht. Aber wir stehen auch am Rande des Beckens und reflektieren unser Verhältnis zur Flüssigkeit und wodurch es bestimmt wird.

Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Abb. 7: Pamela Rosenkranz, Our Product, 2015, Installationsansicht, Venedig, Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia.

Programmiert nach einem Algorithmus, den die meisten nicht verstehen, bringt ein unsichtbarer Motor Bewegung in die Flüssigkeit. Die digitalisierte, biochemische Wirklichkeit indes ist eine menschliche Wirklichkeit: Ihr Umschlagpunkt sind wir, die synthetischen Subjekte.


[1] Vgl. Markus Klammer, in: Markus Klammer, Stefan Neuner, Niels Olsen, Pathmini Ukwattage, Venedig/Biennale 56. Ein Gespräch in situ Teil 2: Der Schweizer Pavillon (Pamela Rosenkranz). Terpentin.org: URL : https://www.terpentin.org/de/venedigbiennale-56-ein-gesprach-situ-teil-2-der-schweizer-pavillon-pamela-rosenkranz [04.03 2016].

[2] Susanne Pfeffer, Our Product (Saaltext für den Schweizer Pavillon der 56. Biennale di Venezia), 2015: URL : http://www.prohelvetia.ch/fileadmin/user_upload/customers/prohelvetia/Programme/Biennalen/Mediendossier_05.05.2015/E_Press_kit_2015.pdf [13. 04. 2016] Im Gegensatz zum synthetischen Moschus wird der natürliche Moschus aus einer Drüse der Moschustiere gewonnen, was zu einer starken Gefährdung der Spezies geführt hat. Vgl. URL: https://www.google.ch/search?q=musk+deer&rlz=1C1JZAP_deAT684AT684&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwiC35PhxejLAhUFWywKHcgGDWsQ_AUIBygB&biw=1706&bih=835 [15. 03. 2016].

[3] Pfeffer 2015.

[4] Vgl. Armen Avanessian/Christoph Cox/Jenny Jaskey/Suhail Malik (Hg.), Realismus, Materialismus, Kunst, Berlin 2015, S. 10.

[5] Vgl. Pfeffer 2015.

[6] Neunzig Prozent der Börsenkursbewertungen werden digital generiert. Vgl. Stakemeier  2014, S. 187.

[7] Stakemeier 2014, S. 187; Gilbert Simondon, Die Existenzweise technischer Objekte. Zürich/Berlin 2012 (Orig. 1958).

[8] Alex Kitnick, Mean Average, in: Centre d’Art Contemporain Genève/Kunstverein Braunschweig E.V./Swiss Institute, New York (Hg.), No Core. Zürich 2012, S. 78.

[9] Aoife Rosenmayer, In the Studio: Pamela Rosenkranz (Gespräch mit Pamela Rosenkranz), in: Art in America, Januar 2015, URL: http://www.artinamericamagazine.com/news-features/magazine/in-the-studio-pamela-rosenkranz/ [15. 03. 2016]

[10] Eine Konsumkritik, auf die bei solchen Arbeiten oft schnell spekuliert wird, wäre daran festzumachen, dass die Betrachtenden durch die Erfahrung dieser Werke ein Bewusstsein für ihr Eingelassensein in ökonomische Prozesse gewinnen. Vgl. Robin Mackay, No Core Dump, in: Centre d’Art Contemporain Genève/Kunstverein Braunschweig E.V./Swiss Institute, New York 2012, S. 49.

[11] Für FIJI siehe: URL: https://www.youtube.com/watch?v=MG_W3qgHNbA; für Evian siehe: URL https://www.youtube.com/watch?v=U2JA4qc4YUs [26. 03. 2016]

[12] Stakemeier 2014, S. 190.

[13] Stakemeier 2014, S. 188. Die Autorin verweist dazu weiter auf den amerikanischen Ökonomen Gerald Epstein, Financialization and the World Economy. Cheltenham 2005.

[14] Vgl. Endnote xiii.

[15] Kitnick 2012, S. 78.

[16] Davon ist anders gelagert auch die Kunsttheorie der letzten dreißig Jahre nicht ausgenommen; z.B. in Gestalt des einflussreichen October-Zirkels um Rosalind Krauss, in dessen Mediendiskussion Technologie zwar eine zentrale Rolle spielt, allerdings stets als degenerative Travestie des Kapitalismus, gegen die sich die modernistische Kunst behaupten muss. Vgl. Rosalind Krauss, Reinventing the medium. in: Critical Inquiry, Vol. 25/2 (1999), 289 – 305; und zuletzt: dies., Under Blue Cup. Cambridge, MA 2011. Ferner geht die negative Perspektivierung des Synthetischen bereits auf Clement Greenberg zurück, der 1939 den Kitsch als synthetische Form begreift. Vgl. Clement Greenberg, Avantgarde und Kitsch, in: ders., Art and Culture. Critical Essays. Boston 1989, S. 15.

[17] Simondon 2012, S. 9.

[18] Stakemeier 2014, S. 190 – 198. Während Stakemeiers sehr aufschlussreiche Lektüre Simondons in Kombination mit ihrer Zeitdiagnose vom Glauben unterlegt zu sein scheint (auch wenn nur vage angedeutet), dass der Kunst eine kritische Rolle in der Überwindung dieser gesellschaftlichen Situation zukommen könnte, wird hier eine werkästhetische Position vertreten, die das Werk als Reaktion bzw. produktionsästhetische Abbildung dieser Situation auffasst, sofern dem Werk nicht die artikulierte Intention einer transformativen Poetik attributiert werden kann. Gegen diese werkästhetische Auffassung vgl. Juliane Rebentisch, Ästhetik der Installation, Frankfurt 2003, besonders S. 276 – 289.

[19] Simondon 2012, S.9.

[20] Mit Ray Brassier, Ian Hamilton Grant, Graham Harman, Quentin Meillasoux; zu den Ergebnissen der Konferenz vgl. Dies., Speculative Realism, in: Collapse, Vol. 3, 2007, S. 307 – 449.

[21] Steven Shaviro, Speculative Realism – a Primer, in: Texte zur Kunst, Nr. 88, März 2014, S. 44.

[22] Shaviro 2014, S. 42 – 44. Ferner zur spekulativen Kritik am “Korrelationismus”, der Bezeichnung für die westliche Philosophie, die das Denken in einer Wechselbeziehung zwischen Mensch und Welt fixiert: Quentin Meillassoux, Nach der Endlichkeit. Versuch über die Notwendigkeit der Kontingenz, Zürich/Berlin 2008.

[23] Festzumachen sei eine solche Schicksalsgemeinschaft einerseits an einem Interesse für neue „realistische und materialistische“ Ideen, das sich an Begriffen wie Anzestralität, Techno-Animismus, De-Anthropozentrismus, Hyperstition etc. ablesen lasse,  sowie an historischen Kunstpraktiken, die sich sowohl gegen eine Auffassung von Kunst als symbolische Repräsentationen einer vorgegebenen Welt wie ihrem Verständnis als ontologischem Essenzialismus gegenüber widerständig gezeigt hätten. Vgl. Armen Avanessian/Christoph Cox/Jenny Jaskey/Suhail Malik 2015, S. 22 und S. 20.

[24] Centre d’Art Contemporain Genève/Kunstverein Braunschweig E.V./Swiss Institute, New York 2012. Im Impressum des e-book zum Schweizer Pavillon 2015 wird Robin Mackays Beratung verdankt, vgl. URL: http://ourproduct.net/ [12. 03. 2016]

[25] Rosenmayer 2015.

[26] Ich danke Eva Ehninger für den Hinweis auf dieses Naheverhältnis als eine Frage von Einschreibungsstrategien von KünstlerInnen in (hier) philosophische Diskurse.

[27] Rosenmayer 2015.

[28] Mackay 2012, S. 45. Ferner Thomas Metzinger, Being No One. The Self-Model Theory of Subjectivity, Cambridge, MA 2004.

[29] Reza Negarestani, Darwining the Blue, in: Centre d’Art Contemporain Genève/Kunstverein Braunschweig E.V./Swiss Institute, New York 2012, S. 128.

[30] Wie attraktiv es hinsichtlich Finanzierungen für KünstlerInnen gegenwärtig sein dürfte, die Arbeit an naturwissenschaftliche Zusammenhänge anzuschließen, soll hier weder unterstellt noch weiter untersucht werden (dasselbe betrifft, wenn auch weniger, PhilosophInnen).

[31] Gerhard Gamm, Kunst und Subjektivität, in: Michael Lüthy/Christoph Menke, Subjekt und Medium in der Kunst der Moderne, Zürich/Berlin 2006, S. 56

[32] Negarestani 2012, S. 131.

[33] Ralph Ubl, Von der Malerei zum Bild. Orientierung bei Willem de Kooning, in: Kunstmuseum Basel (Hg.), De Kooning, Paintings 1960 – 1980, Ostfildern 2005, S. 86.

[34] Wolfram Pichler, Topologische Konfigurationen des Denkens und der Kunst, in: Wolfram Pichler/Ralph Ubl (Hg.), Topologie. Falten, Knoten, Netze, Stülpungen in Kunst und Theorie, Wien 2009, S. 23.

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