Präsenz der Toten, Prozessualität der Zeichnung

Abstieg

1873 stieg Adolph Menzel in die geöffnete Gruft unter der Berliner Garnisonkirche und fertigte dort eine Gruppe von Zeichnungen an, die in dem weiten zeichnerischen Werk des Künstlers eine besondere Position einnehmen. Mit dem Bleistift erfasste Menzel die Situation in der Gruft, die willkürlich übereinandergestapelten Särge, die Dunkelheit und schließlich mehrere männliche Tote. Aufgrund eines natürlichen Mumifizierungsprozesses waren die in verschiedenen Stadien konservierten Leichen der zum Teil vor über einhundert Jahren verstorbenen preußischen Militärs noch sichtbar. Mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten, dem Miteinander von feinen, mitunter krakelig wirkenden Linien, energischen Strichen und fester Schraffur, unter ständigem Wechsel der Blickwinkel und Abstände setzte Menzel die Leichen ins Bild. Es entstanden Zeichnungen, die wirken, als hätte man sie zwar hastig, aber zugleich mit großer Entschlossenheit und geradezu zeichnerischem Furor aufs Blatt geschleudert. Weder handelt es sich dabei um Skizzen, die in einen Entwurfsprozess einzugliedern wären, noch um Zeichnungen, die ‚bildmäßig‘ sein wollen, also den spezifischen Charakter der Zeichnung abstreifen. Allerdings gewinnen die zeichnerischen Mittel eine Eigendynamik, die weit über eine Erfassung der wichtigsten visuellen Daten hinausreicht. Ein eigenartiger Überschuss kennzeichnet diese Bilder und unterläuft voreilige Versuche, ihre Funktion, ihr Anliegen und ihren Zugriff auf das, was vor Ort zu sehen war, allzu eindimensional charakterisieren zu wollen.

Orientierung

Adolph Menzel war bereits zu Lebzeiten bekannt, seine Werke wurden ausgiebig rezensiert und mit der großen Gedächtnisausstellung kurz nach seinem Tod 1905 waren umfangreiche Publikationen verbunden. Gleichwohl war die Rezeption des Künstlers im 20. Jahrhundert bald ziemlich festgefahren und man sah schablonenhaft in Menzel entweder den Ruhmesmaler Preußens oder den frühen Vertreter eines deutschen Impressionismus. Der entscheidende Schritt hin zu einer aktualisierten, komplexeren Sicht auf Menzel gelang mit der großen Ausstellung, die von Claude Keisch und Marie Ursula Riemann-Reyher konzipiert wurde und ab 1996 von Paris über Washington nach Berlin tourte. Der Katalog und die Beiträge des zugehörigen Kolloquiums sind noch immer überaus wertvoll und der beste Ausgangspunkt für weiterführende Forschungen.[1] Das Labyrinth der Wirklichkeit lautete der Untertitel der Schau, die darauf zielte, Menzel als bedeutenden, die Moderne in vielerlei Hinsicht vorwegnehmenden, universellen, europäischen Künstler des 19. Jahrhunderts ins Bewusstsein zu holen und sich stark zu machen für einen kritisch-differenzierten Blick und gegen jene festgefahrenen Klischees. Gerade Menzels Zeichnungen haben seit dieser Ausstellung immer wieder Konjunktur. Kathrin Rhomberg stellte etwa im Rahmen der 6. Berlin Biennale unter dem Titel was draußen wartet den zeitgenössischen Positionen den Zeichner Menzel zur Seite. Gerade diese Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert sollten dem durchaus als Aufforderung gedachten Ausstellungstitel Gewicht verleihen. Damit war zwar eine künstlerische Haltung ausgemacht, die für Menzel durchaus zutreffend ist, doch die Beschränkung der Ausstellung auf Zeichnungen machte Realitätsbezug zur Sache eines bestimmten Mediums und verstand die Zeichnungen wiederum simplifizierend als von künstlerischen Manierismen gänzlich unversehrt gebliebene und insofern per se besonders authentische Dokumente eines „offenen Blicks“.[2]

Menzels 1873 entstandene Zeichnungen aus der Berliner Garnisongruft wurden mehrfach in Ausstellungen gezeigt, bislang jedoch stets nur mit knappen Katalognotizen oder im Rahmen überblicksartiger Texte besprochen. Zwei Aspekte werden dabei, meist in verkürzter Form, hervorgehoben. Zum einen wird die den Blättern eigene spezifische Ästhetik vermerkt, die daraus resultiert, dass Menzel eine Schilderung oder Notierung bemerkenswerter Details mit einem Zeichengestus verbindet, der spontan und geradezu eruptiv anmutet. Michael Fried geht sogar so weit, die Zeichnungen mit ihrer „all-over composition“ als des Künstlers „most abstractly beautiful works“ zu bezeichnen.[3] Müssen wir uns also Menzel in der Gruft als einen Action-Zeichner avant la lettre vorstellen und jede krakelige Linie als direkten Ausfluss seiner intensiven Einverleibung des Gesehenen?

Ganz anders liest sich die Behauptung, Menzel sei primär als Kenner der preußischen Militärgeschichte und zur Identifizierung der mumifizierten Toten in der Gruft gefragt gewesen, die in der überwiegenden Zahl der kurzen Beiträge zu dieser Werkgruppe zu finden ist.[4] Paul Meyerheims 1906 verfasste literarisierte Erinnerungen an den berühmten Künstlerfreund, in denen er Menzel zum Künstler-Indizienwissenschaftler stilisiert, wenn er davon spricht, einzig Menzel habe bei einem abendlichen Besuch in der Gruft „im Beisein des Kaisers […] jeden Prinzen und Heerführer mit größter Sicherheit nach den vorhandenen Uniformstücken rekognoszieren“[5] können, werden in diesem Zusammenhang noch immer allzu wörtlich genommen. Doch taugen Menzels Zeichnungen als Zeugen einer offiziellen und geradezu wissenschaftlichen Expedition?

Abb. 1: Adolph Menzel, Leiche des Feldmarschalls Keith in der Gruft der Garnisonkirche in Berlin, 1873, Bleistift auf Papier, 23,8 × 33,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Die Zeichnungen, zu denen neun Blätter des Formats 23,8 x 33,2 cm sowie die Zeichnung im Skizzenbuch Nr. 38 gezählt werden können, sprechen eine ganz andere Sprache. Den Notizen nach zu urteilen, die Menzel auf den Blättern anbrachte, war ihm lediglich Keith (Abb. 1) gut bekannt – der 1758 im Siebenjährigen Krieg gefallene Feldmarschall und Vertraute Friedrichs II. zählte allerdings zu den prominentesten Mumien der Gruft.[6] Wahrscheinlich war Menzel auch der Name Truchsess von Waldburg ein Begriff; bei den anderen Toten, die er in die Zeichnungen aufnahm, konnte er jedoch lediglich Vermutungen über zeitliche Zuordnungen äußern oder notieren, was auf dem Sargdeckel an spärlichen Informationen zu finden war. Die Zeichnungen selbst taugen also keinesfalls als Beleg für Menzels außergewöhnliche Fähigkeiten, dieses historische Material einzuordnen. Im Gegenteil zeichnen sie sich, sowohl was das Erfassen der toten Körper als auch was die verfügbaren, schriftlich fixierbaren Informationen betrifft, durch eine hohe Fragmenthaftigkeit aus. Ihr irritierender Charakter resultiert aus dem Umstand, dass sie zwar ihre Entstehung direkt vor dem Objekt bezeugen, zugleich jedoch aufgrund der sich auflösenden Formen und starken Hell-Dunkel-Kontraste die Illusion einer lückenlosen Wiedergabe des Gesehenen entsprechend einer Scharfstellung aller Partien des Bildausschnitts verweigern.

Adolph Menzel, Gruft unter der Garnisonkirche mit Blick zur Treppe, 1873, Bleistift auf Papier, 23,8 × 33,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Abb. 2: Adolph Menzel, Gruft unter der Garnisonkirche mit Blick zur Treppe, 1873, Bleistift auf Papier, 23,8 × 33,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Rekonstruiert man mithilfe der wenigen Quellen den Entstehungskontext der Zeichnungen, so frappiert, wie Menzel zeichnerisch mit dem Ort und der Situation verfährt. Vermutlich war mit der Öffnung der wegen Überfüllung seit einiger Zeit geschlossenen Gruft der 1722 errichteten Garnisonkirche das Ziel verbunden, diese zu ordnen und als würdevollen Ort zum Gedenken der Toten wiederherzustellen.[7] Nur zwei Jahre nach der Gründung des Deutschen Reiches sollte diese Möglichkeit, einen Ort zum Gedenken an die sich vervollkommnende Geschichte Preußens zu schaffen, wohl nicht ungenutzt bleiben. Wahrscheinlich rechnete man allerdings nicht damit, dass die klimatischen Bedingungen vor Ort den Verwesungsprozess der Leichen aufgehalten hatten und durch einen natürlichen Mumifizierungsprozess einige der toten Körper erstaunlich gut erhalten waren. Die Entdeckung war zweifelsohne von einigem Sensationswert und mehrere Interessierte wagten einen Besuch der Gruft. Es ist davon auszugehen, dass Menzel zu einem solchen Sichtungstermin (oder mehreren) nicht vorrangig mitkam, weil er preußische Militärgeschichte studieren wollte und Leichen identifizieren sollte, sondern vor allem, weil die konservierten Leichen eine visuelle Sensation darstellten. Hier gab es etwas zu sehen, das im tagtäglichen Leben nicht zu sehen war, ähnlich einem seltenen Naturereignis oder einer exotischen Sehenswürdigkeit. Die geöffnete Berliner Garnisongruft war ein spezieller Erfahrungsraum. Im Gegensatz zum narrativ und didaktisch aufbereiteten Wachsfigurenkabinett historischer Persönlichkeiten oder der klinischen Aufreihung nackter Leiber im Leichenschauhaus begegnete man hier konservierten Leichen in Uniformen und mit Ehrenzeichen an einem unordentlichen, dunklen Ort, der nur über eine steile Treppe und mit ortskundiger Begleitung zu betreten war.[8] Mit Foucault gesprochen handelt es sich bei der Garnisongruft um eine Heterotopie, um einen Ort außerhalb aller Orte also, der zugleich genau lokalisierbar ist und mit dem eine spezielle, nur dort bereitgestellte Erfahrung verbunden ist.[9] Was hier zu entdecken war, hielt einer Vereinnahmung militärischer Helden im Rahmen der preußischen Erinnerungskultur einen Zerrspiegel vor und gemäß seiner antiidealistischen Kunstauffassung hob Menzel genau diesen Aspekt heraus. Dementsprechend verzichtete er auf eine Inszenierung, welche dem Aufsuchen der Toten explizit ihre politische Indienstnahme als Funktion zuordnet. Die von gängigen Topoi begleitete Annahme, visuell strukturiert und ikonographisch feststellbar den Totenkult und die Konstruktion einer Geschichte des jungen deutschen Staates verklammern zu können, wurde hier vielmehr erschüttert. Genauso wenig nutzte Menzel übrigens die vorgefundene Situation, um in der Tradition der Schwarzen Romantik und der Schauerästhetik des 18. Jahrhunderts etwa eine geisterhafte Atmosphäre mitsamt Auferstehung der Toten zu evozieren. Stattdessen konzentrierte er sich ganz auf das schwierige Projekt, die starke Präsenz der Toten im Bild zu repräsentieren.

Die Heterotopie, die dieses Projekt forciert, akzentuiert Menzel auf einem der Blätter (Abb. 2) mit Blick zur steilen Treppe und zum Eingang, durch den etwas Licht hereinfällt. Eine schmale Schneise bahnt den Weg durch die Särge. Mit dem Bleistift sind große Teile des Blattes geschwärzt, die Dunkelheit verwischt die Konturen und nimmt zum Inneren der Gruft hin zu. Eine Bleistiftzeichnung im Skizzenbuch Nr. 38 (Abb. 3) spitzt diesen Raumeindruck noch zu: Im Vordergrund ragt ein Sarg in den spärlich beleuchteten Raum und wird in fragiler Position von mehreren aufgetürmten Särgen wie von einer Welle getragen. Die Lichtsituation lässt die Särge als dunkle, kastenförmige Ungetüme erscheinen und unter Verzicht auf jegliches Detail wird hier vor allem die Atmosphäre einer unwirtlichen Totenstätte evoziert. Der weiche Bleistift und der Einsatz des Wischers suggerieren diffuses Licht und füllen diesen gezeichneten Raum mit einer von kleinen Staubpartikeln gesättigten Luft. Wie von einer tektonischen Verschiebung übereinander geschobene Gesteinsbrocken erscheinen die Särge. Der obere Sarg ragt auf bedrohliche und monströse Weise in den Raum hinein und droht jederzeit abzurutschen. Angezeigt wird mit dieser zeichnerisch verdichteten Konstellation bereits der Moment des Aufbrechens, in dem das Verborgene sichtbar wird.

Adolph Menzel, Aufgetürmte Särge in einem Gewölbe, 1873, Skizzenbuch 38, Bleistift auf Papier, 10,5 × 17 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Abb. 3: Adolph Menzel, Aufgetürmte Särge in einem Gewölbe, 1873, Skizzenbuch 38, Bleistift auf Papier, 10,5 × 17 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Entdeckung

Abb. 4: Adolph Menzel, Totenschädel und Stiefel in der Gruft der Garnisonkirche in Berlin, 1873, Bleistift auf Papier, 23,8 × 33,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

An den geöffneten Särgen, in die wohl mit einer Lampe hineingeleuchtet wurde, tritt Menzel in einen Dialog mit den in unterschiedlichen Zuständen mumifizierten Toten ein. Die so entstandenen Zeichnungen entwickeln keine Erzählung und sind nicht als strenge Bildfolge oder gezeichnete Reportage anzusprechen ‒ vielmehr versammeln sie intensive Eindrücke. Die Linie ergreift auffallend viel Besitz vom Zeichengrund und nicht zuletzt aufgrund des Montageprinzips erscheinen die Blätter beinahe ausgefüllt. Im Gegensatz zu den Figurenstudien zum Eisenwalzwerk, die ab 1872 entstehen, hebt Menzel die Figur nicht isoliert vom weißem Grund ab, sondern skizziert grob, wie sie vom Sarg ‚eingefasst’ wird oder ihr Kopf auf dem Kissen ruht. Eine räumliche Disposition wird allerdings nur angedeutet. Trotz der Tendenz, die Linien bis an die Ränder des Blattes zu führen und der Zeichnung durch das Beschneiden der Bildelemente raumsprengenden Charakter zu verleihen, schafft Menzel also keine illusionistische Raumwirkung. Mit der offen gehaltenen, mitunter brüchigen Beziehung, die Linie und Zeichengrund zueinander unterhalten, bleibt ein zentrales Charakteristikum der Zeichenkunst bewahrt, das schon Joseph Meder in seinem 1923 erschienenen Standardwerk zur Handzeichnung herausstellte.[10] Die Zeichnungen wirken extrem skizzenhaft, wenngleich sie streng genommen weder als Skizze noch als Studie angesprochen werden können, da sie keine vorbereitende Funktion hatten. Die starken Hell-Dunkel-Kontraste schließlich belegen keineswegs bloß Menzels künstlerisch-handwerkliches „Interesse an schwierigen Lichtsituationen“[11], sondern sie tragen in jede Zeichnung den unterirdischen und unheimlichen Ort ihrer Entstehung ein und verweisen damit stets auf den sehenden Zeichner, der sich durch eben diesen Raum bewegt und in immer neuen Perspektiven die Toten in den Blick nimmt. Der Kopf im rechten Bereich des Blattes bildet stets das Gravitationszentrum (Abb. 4), dort setzt Menzel auch die stärksten, dunkelsten Schatten mit breitem Strich. Damit verleiht Menzel seinen Zeichnungen porträthaften Charakter, obwohl die Kategorie der Ähnlichkeit hier äußerst fragwürdig geworden ist. Die Toten sind zwar noch als menschliche Wesen erkennbar, aber sichtbar sind eben auch die Zurichtungen der langen Phase des Tot-Seins: Lederartig vertrocknete Haut, verknöcherte Hände, leere Augenhöhlen, aufgelöste Nasen, schädelartige Köpfe. Menzel war mit der gängigen (auch fotografischen) Praxis des Totenbildnisses, das den letzten, gleichsam auf sich selbst konzentrierten Anblick eines Verstorbenen zum Andenken für die Hinterbliebenen festhielt, vertraut. Die verschiedenen Blickwinkel und Einstellungen, die Menzel beim Zeichnen in der Garnisongruft wählte, lassen sich wie ein Durchspielen der für diese Gattung bekannten Darstellungsoptionen lesen. Doch Menzels Bilder der Toten sind nicht als ‚letzte‘, sondern vielmehr als ‚erste‘ Porträts zu verstehen. Sie widmen sich der eigenartigen Präsenz dieser Wesen, die ein natürlicher Prozess geschaffen hat. Die Initialen auf dem Sargdeckel, die verrutschten Uniformen, der vertrocknete Lorbeerkranz (Abb. 5) erscheinen als seltsame Requisiten, mit denen diese entstellten, geschrumpften und hässlichen Wesen kaum mehr etwas zu tun haben. Die Merkmale der menschlichen Gestalt sind erkennbar und doch bis hin zum Monströsen verformt.

Adolph Menzel, Generalsleiche aus der Zeit Friedrich Wilhelms III., Beine und der Oberkörper einer weiteren Leiche, 1873, Bleistift auf Papier, 23,8 × 33,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Abb. 5: Adolph Menzel, Generalsleiche aus der Zeit Friedrich Wilhelms III., Beine und der Oberkörper einer weiteren Leiche, 1873, Bleistift auf Papier, 23,8 × 33,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Indem Menzel diese in der Gruft entdeckten grotesken Geschöpfe in ihrer Kontingenz als bildwürdig anerkennt, können seine Zeichnungen als eine Art Aufnahme dieser Kreaturen in den Bestand der Schöpfung verstanden werden. Sie verweisen damit auf die wichtige Bedeutung des Hässlichen und des Grotesken für Menzels künstlerische Haltung, die in ästhetischen Diskursen wie Karl Rosenkranz‘ Ästhetik des Hässlichen sowie Victor Hugos Ästhetik des Grotesken zu verorten und ganz generell auf eine christliche Mimesistradition zurückzuführen ist, wie sie von Erich Auerbach in seiner noch immer grundlegenden Analyse für die Literatur herausgearbeitet wurde.[12] Diese Haltung führte im 19. Jahrhundert zu einer Ausweitung des visuellen Feldes und erlaubte die Darstellung der abnormen Hässlichkeit der Kreatur ebenso wie der kruden Zurichtungen durch den Tod. Erkennt der moderne Blick die Welt als eine groteske, so kann das Groteske schließlich als realistisches Gestaltungsprinzip zum Ausdruck besonderer Wahrhaftigkeit werden.[13] Dass Menzel die entstellten Wesen in der Garnisongruft als bildwürdig empfindet, ist dementsprechend als Ausweis seines modernen Blicks zu verstehen, dem sich die ‚wahre’ Wirklichkeit mit ihren Brüchen, Deformationen und Mischverhältnissen zeigt. Mit der zeichnerischen Verarbeitung werden diese toten Kreaturen, die so lange verborgen und unsichtbar waren, gleichsam dem Bestand der geschaffenen Welt (noch einmal) hinzugefügt. Die Repräsentation im Bild kommt dabei einem Prozess des Entdeckens und Erkennens gleich.

Zeichnung

Damit ist ein ästhetisches Verfahren benannt, das uns auch über das Verhältnis von Zeichnung und Realismus bei Menzel Aufschluss geben kann. Die verschiedenen Vorschläge, die zur Charakterisierung von Menzels Praxis des Zeichnens von der Forschung vorgebracht werden, wären eine eigene kritische Zusammenstellung wert. Auf der einen Seite werden Menzels Zeichnungen „preußische Distanziertheit“[14] und „unerbittliche Radikalität“[15] attestiert, andererseits wird betont, dass für den „obsessiven Zeichner“ stets „Zweckmäßigkeit“[16] an erster Stelle gestanden habe. Die Skizzenbücher hätten der „Wissensproduktion“ gedient und seien als „Synonym für Menzels Realismus“ zu verstehen, meinte jüngst Jörg Probst.[17] Dem Klischee von Menzel als unersättlicher Zeichenmaschine, die, bewaffnet mit dem Bleistift, alles erfasst und objektiv aufs Blatt überträgt, steht die nicht weniger simplifizierende Vorstellung von den Zeichnungen als höchst subjektiven, intimen Dokumenten gegenüber. In ihnen offenbare sich der private Menzel, sie bildeten gleichsam den Subtext zu den öffentlichen Gemälden und erzählten von der Isolation des Künstlers und seiner Wahrnehmung einer fragmentierten Wirklichkeit, deutete Françoise Forster-Hahn.[18]

Menzels zeichnerisches Projekt läuft unter dem Banner einer gesteigerten, fast schon überspannten Aufmerksamkeit für die Wirklichkeit und jede Zeichnung versucht, dieser Wirklichkeit gerecht zu werden. Gleichzeitig aber muss der Künstler sich gewissermaßen von dieser Wirklichkeit abstoßen, denn das Produkt seiner Schöpferkraft will eben „nicht mehr nur etwas bedeuten, sondern es will etwas sein[19], wie Hans Blumenberg in anderem Kontext formulierte. Das mag für Zeichnungen hochgegriffen wirken, aber Menzels starkes künstlerisches Selbstbewusstsein und sein hoher Anspruch, der ihn im Rückblick oft kritisch auf frühere Werke zurückschauen ließ, müssen als Kräfte auf das Zeichnen und Malen gleichermaßen gewirkt haben. Die Spannung liegt in Bezug auf Menzels Zeichnungen also darin, dass sie einerseits meist vor Ort und vor dem Objekt gefertigt wurden und insofern immer in einem dialogischen Verhältnis zur Realität stehen. Andererseits scheint der Künstler aber ständig dazu bereit zu sein, diesen Dialog so weit zu treiben und sich darin gewissermaßen frei zu zeichnen, bis am Ende ein, womöglich fragmentarisches und skizzenhaftes, Bild stand, das eine eigenständige Position gegenüber der Wirklichkeit einnimmt.

Adolph Menzel, Selbstbildnis mit Arbeiter am Dampfhammer, 1872, Gouache, 16 × 12,5 cm, Leipzig, Museum der Bildenden Künste.

Abb. 6: Adolph Menzel, Selbstbildnis mit Arbeiter am Dampfhammer, 1872, Gouache, 16 × 12,5 cm, Leipzig, Museum der Bildenden Künste.

Michael Glasmeier hat den Versuch unternommen, aufgrund des Miteinanders von subjektivem Ausdruck und objektivierenden Tendenzen Menzels Haltung mit Egon Erwin Kischs Definition des Reporters zu vergleichen. Kisch schrieb, dass ein guter Reporter nicht nur „unbefangene Zeugenschaft“ zu leisten habe, sondern sich eben auch durch „Erlebnisfähigkeit zu seinem Gewerbe, das er liebt,“[20] auszeichne. Glasmeier führt das Selbstbildnis mit Arbeiter am Dampfhammer (Abb. 6) von 1872 als Beleg dafür an, dass Menzel selbst sein Zeichnen im Sinne eines unbefangenen Bezeugens der sensationellen Gegenwart verstanden wissen wollte. Tatsächlich inszenierte Menzel sich mit diesem Bild als eine Art Künstler-Reporter, der sich vor Ort ein Bild macht und dabei keine Widrigkeiten scheut. Indem dieses Bild aber auch die körperliche Anstrengung des Arbeiters in Analogie zum ebenfalls mit der Hand ausgeführten Zeichnen des bürgerlichen Künstlers setzt, ist es noch komplexer angelegt. Zwei Formen eines mit Anstrengungen verbundenen Abarbeitens an der materiell vorhandenen Wirklichkeit und zugleich zwei Möglichkeiten eines Schöpfungsprozesses thematisiert Menzel hiermit – und gibt so ein Statement zu seinem künstlerischen Selbstverständnis in der für ihn so wichtigen Phase der Arbeit am Eisenwalzwerk ab, das über die selbstbewusste Betonung des treffsicheren, schnellen, zeichnerischen Zugriffs auf das Gesehene hinausweist. Auch in dem 1878 entstandenen Selbstbildnis (Abb. 7) zeigt sich Menzel mit einem scharfgestellten Blick durch das Brillenglas und vermittelt so Unbestechlichkeit, nicht aber kühle Unerbittlichkeit. Die Ernsthaftigkeit vor der kontingenten, in ständiger Veränderung begriffenen Wirklichkeit und vor sich selbst als schaffendem Künstler trägt Menzel hier bezeichnenderweise im Modus des gezeichneten Fragments vor. Diese Haltung ist weder als neutrale Sachlichkeit noch als knorrige Verbissenheit misszuverstehen.

Adolph Menzel, Selbstbildnis, 1876, Skizzenbuch 51, Bleistift auf Papier, 14,9 × 17,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

Abb. 7: Adolph Menzel, Selbstbildnis, 1876, Skizzenbuch 51, Bleistift auf Papier, 14,9 × 17,2 cm, Berlin, Kupferstichkabinett.

In Bezug auf die Kategorien des Hässlichen und des Grotesken war davon die Rede, dass Menzel durchaus im Anschluss an Hugo jenen modernen Blick auf die Wirklichkeit richtete, der die Kreatur in all ihren Facetten sehen wollte. Menzel ging es nicht darum, alles zu zeichnen im Sinne einer wahllosen Hingebung an alles, was ihm unter die Augen kam. Universalität spielte gleichwohl eine Rolle: Auch wenn die Welt von Menzel als chaotisch, zersplittert und dissoziiert wahrgenommen wurde, so lässt sich sein großes künstlerisches Projekt doch als ein Aufsammeln verstreuter Wirklichkeitspartikel und eine Aufnahme derselben in den Kosmos des Künstlers begreifen. Mit der Rede von Menzels Realismus stößt man spätestens hier auf ein Problem. Denn es stellt sich die Frage, ob dieses Aufsammeln im Sinne eines modernen Realismus auch eine analytische Funktion hatte. Ging es Menzel, mit Erich Auerbach gesprochen, darum, „beliebige Personen des täglichen Lebens in ihrer Bedingtheit von den zeitgeschichtlichen Umständen zu Gegenständen ernster, problematischer, ja sogar tragischer Darstellung“[21] zu machen? In seiner ganzen Bandbreite lässt sich dieses Unterfangen für Menzel wohl nicht in Anspruch nehmen. Und doch kommt man dieser Frage durch einen Seitenblick auf die zeitgenössische Literatur näher. Weder mit dem Realismuskonzept Balzacs noch mit dem Fontanes ist hierbei zu verfahren, vielmehr ist der nur zwei Jahre vor Menzel geborene Georg Büchner heranzuziehen. Den Schriftsteller Lenz lässt Büchner in der gleichnamigen Erzählung gegenüber einem Anhänger des Idealismus folgenden Ausspruch tätigen:

„Der liebe Gott hat die Welt wohl gemacht wie sie sein soll, und wir können wohl nicht was Besseres klecksen, unser einziges Bestreben soll sein, ihm ein wenig nachzuschaffen. Ich verlange in allem Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist’s gut; wir haben dann nicht zu fragen, ob es schön, ob es häßlich [sic] ist, das Gefühl, daß [sic] Was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen Beiden, und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen.“[22]

Mit dieser Aussage ist zweierlei verbunden: Sowohl ein bestimmter, von Ernsthaftigkeit auch gegenüber dem Hässlichen geprägter Blick auf die Schöpfung als auch ein daraus abgeleiteter Anspruch an die künstlerische Schöpfung. Vitalität als oberstes Prinzip, darin lässt sich Menzels Faszination für das Bild als Medium der Verlebendigung durchaus wiederfinden. Was aber bedeutet das für die Zeichnungen aus der Garnisongruft? Der schöpferische Akt ist hier das Sichtbarmachen eines aus der Dunkelheit hervorkommenden Bestandteils der Wirklichkeit. Diese ‚Bestandsaufnahme’ ist so gestaltet, dass die Befremdlichkeit der konservierten Toten nicht beseitigt, sondern erfahrbar gemacht wird. Denn die Präsenz, die diese Toten im Bildmedium erreichen, resultiert gerade aus der extremen Skizzenhaftigkeit der Zeichnungen. Menzel hat diese an einigen Stellen so strapaziert, dass für einen nachträglichen Betrachter dort nichts mehr erkennbar beziehungsweise benennbar ist, fast so, als würde der furiose, hingeworfene Einsatz der Linien, Striche und Schraffuren hier etwas Sichtbares nicht herausarbeiten, sondern geradezu angreifen. Indem sich allerdings plötzlich ein groteskes Wesen aus diesem Getöse der Striche, Häkchen und geschummerten Schraffuren herauskristallisiert, indem plötzlich eine Hand greifbar und ein individuelles Gesicht erkennbar wird, vermitteln die Bilder unmittelbar die sehende, zeichnerische Annäherung als ein Sammeln intensiver, auch disparater Eindrücke des lebendigen, zur Erfahrung fähigen Subjekts. Es ist diese Gleichzeitigkeit von Schärfung und Auflösung, auch im Sinne einer Vermischung von modellierten und fast ornamental gestalteten Partien, die den Eindruck begünstigen, dass in diesen Zeichnungen etwas im Begriff ist, sich entweder erst herauszubilden oder zu zerfallen. Der ambivalente Status der konservierten Toten wird also gleichsam in die mediale Verarbeitung hineingelegt. Norman Bryson hat den prozessualen Charakter der Zeichnung so beschrieben: „Die gezeichnete Linie existiert in gewisser Weise immer in der Gegenwart, in der Zeit ihrer eigenen Entfaltung, der voranschreitenden Zeit einer Gegenwart, die beständig vorwärts drängt. […] Wenn die Malerei das Sein präsentiert, so präsentiert die gezeichnete Linie das Werden.“[23] Menzel nutzte die medialen Möglichkeiten der Zeichnung voll aus. Seine Blätter aus der Garnisongruft beließ er letztlich so, als sei die Arbeit, sowohl am Toten als auch am Bild, noch nicht vollendet. Der zeichnerische Gestus macht das Ereignis der Entdeckung dieser Kreaturen als lebendigen, schöpferischen Prozess nachvollziehbar.


* Der vorliegende Aufsatz basiert auf zwei Kapiteln meiner Magisterarbeit zu Adolph Menzels Zeichnungen aus der Berliner Garnisongruft.

[1] Claude Keisch/Marie Ursula Riemann-Reyher (Hg.), Adolph Menzel 1815‒1905. Das Labyrinth der Wirklichkeit (Kat. Nationalgalerie und Kupferstichkabinett Berlin), Köln 1996/1997. Als grundlegende Beiträge zum Zeichner Menzel sind zu nennen: Marie Ursula Riemann-Reyher, Der Zeichner. Meister des Augenblicks, in: Keisch/Riemann-Rheyer 1996/1997, S. 445 ‒ 456; Claude Keisch, ‚Alles zeichnen‘ und kein Ende. Blicke nach außen und Blicke nach innen in Adolph Menzels Zeichenwerk, in: Iris Lauterbach/Margaret Stuffmann (Hg.), Aspekte deutscher Zeichenkunst, München 2006, S. 149 – 160.

[2] Vgl. Kathrin Rhombergs Einführungstext zur 6. Berlin Biennale 2010, URL: http://bb6.berlinbiennale.de/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=141&Itemid=99 [07.09.2014].

[3] Michael Fried, Menzel’s realism. Art and embodiment in nineteenth century Berlin, New Haven/London 2002, S. 202.

[4] Vgl. etwa Andreas Heese, Leiche des Feldmarschalls Keith, in: Keisch/Riemann-Reyher 1996/1997, S. 265 – 266; Claude Keisch, Tage und Werke. Zeitpunkte und Zeiträume bei Menzel, in: Bernhard Maaz (Hg.), Adolph Menzel. Radikal real (Kat. Kunsthalle Hypo-Kulturstiftung München), München 2008, S. 24 – 34 und S. 28; Barbara Kündiger, Kirche und Personen. Skizziert und porträtiert, in: Barbara Kündiger/Dieter Weigert (Hg.), Der Adler weicht der Sonne nicht. 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, Berlin 2004, S. 164 – 171, hier S. 164.

[5] Paul Meyerheim, Adolf von Menzel. Erinnerungen, Berlin 1906, S. 47 – 48.

[6] Vgl. hierzu etwa eine Notiz in der Rubrik „Lokales“, in: Vossische Zeitung, 15.4.1908, Morgenausgabe, Erste Beilage.

[7] Gruft und Kirche sind heute nicht mehr erhalten, der ehemalige Standort ist jedoch als Garnisonkirchplatz bezeichnet.

[8] Vgl. Major von Siefart, Ein Erlebnis im Grabgewölbe der Garnisonkirche, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jg. 25, 1908, S. 134 – 136.

[9] Zu jenen als Heterotopien bezeichneten Gegenorten bzw. Gegenplätzen („contre-emplacements“) vgl. Michel Foucault, Des espaces autres [1967/1984], in: Ders., Dits et Écrits, Bd. 4, Paris 1994, S. 752 – 762.

[10] Vgl. Joseph Meder, Die Handzeichnung. Ihre Technik und Entwicklung, Wien 1923, S. 286.

[11] Andreas Heese, Gruft unter der Garnisonkirche in Berlin, in: Keisch/Riemann-Rheyer 1996/1997, S. 264 – 265.

[12] Vgl. Erich Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur [1946], Tübingen/Basel 2001. Zu Menzels Beziehung zum Grotesken vgl. auch Gregor Wedekind, Menzels Selbstbildnis als Antiquar, in: Jahrbuch der Berliner Museen, Bd. 41, Beiheft, 1999 (Adolph Menzel. Im Labyrinth der Wahrnehmung. Kolloquium anlässlich der Berliner Menzel-Ausstellung 1996/1997, hg. von Thomas W. Gaehtgens, Claude Keisch und Peter-Klaus Schuster), S. 117 – 129.

[13] Christian W. Thomsen, Groteske, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stuttgart/Weimar, 2004, S. 240, geht sogar so weit, zu sagen: „Das Groteske ist heute weltweit als eine moderner Lebenserfahrung und Weltsicht angemessene Darstellungsweise anzutreffen.“

[14] Michael Glasmeier, Der Menzel geht um!, in: Stephan Berg (Hg.), Tauchfahrten. Zeichnung als Reportage (Kat. Kunstverein Hannover), Düsseldorf 2004, S. 29 ‒ 37, hier S. 34.

[15] Bernhard Maaz, Sehend zeichnen, schauend malen. Adolph Menzel zwischen Skizzenbüchern und Bildern, in: Maaz 2008, S. 11 – 20, hier S. 12.

[16] Christine Lange, ‚Alles Zeichnen ist nützlich und Alles zeichnen auch’, in: Maaz 2008, S. 68 – 74, hier S. 68.

[17] Jörg Probst, Adolph von Menzel. Die Skizzenbücher. Sehen und Wissen im 19. Jahrhundert, Berlin 2005, S. 7.

[18] Françoise Forster-Hahn, Authenticity into Ambivalence. The Evolution of Menzel’s Drawings, in: Master Drawings, Bd. 16, 1978, S. 255 – 283, hier S. 255.

[19] Hans Blumenberg, Nachahmung der Natur. Zur Vorgeschichte der Idee des schöpferischen Menschen, in: Ders., Wirklichkeiten, in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede, Stuttgart 1981, S. 55 – 103.

[20] Egon Erwin Kisch, Der rasende Reporter [1925], Weimar 1990.

[21] Auerbach 2001, S. 515.

[22] Georg Büchner, Lenz, in: Ders., Werke und Briefe, München 1988, S. 135 – 158, hier S. 144.

[23] Norman Bryson, Ein Spaziergang um seiner selbst willen, in: Friedrich Teja Bach/Wolfram Pichler (Hg.), Öffnungen. Zur Geschichte und Theorie der Zeichnung, München 2009, S. 27 – 42, hier S. 28.

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Die Fliege im Bernstein

Teil II[1]

Rudolf Steiner Andrei Tarkovski

Gawan Fagard: Man spürt auch in Ihrem Text Der Brunnen der Götter, dass ein gewisses Missverständnis zwischen Ihnen und Tarkowski im Spiel war.

Alexander Kluge: Aber das hätten wir versucht zu verfilmen. Dieses Missverständnis hätten wir beide nicht unterdrückt. Darüber hatten wir uns in Berlin verständigt. Das ist so ein Dämmerstundengespräch. Das fängt, sagen wir mal so um vier Uhr an, und geht dann so bis neun Uhr etwa, und langsam wird es dunkel. Und Tarkowski hat kein Licht machen lassen. Man kann ja nicht sagen: Schalten Sie mal das Licht ein, sondern das geht wie am Hofe. Wie am Hofe eines Weisen. Und die Frau wartet, bis er sagt: Wir zünden irgendeine Kerze oder Glühbirne an. Hat er aber nicht gemacht. Also es wurde dunkler. Was dem Gedanken gut bekommt. Und wir haben uns über diesen einen Punkt gut verständigt. Keiner von beiden hätte sich verstellt. Natürlich hatten wir verschiedene Einstellungen. Das fing damit an, dass ich weniger reisen wollte als er. Tarkowski wollte ja sofort nach Tibet. Ich dachte, dass wir wenigstens die Passfrage vorher klären sollten.

Gawan Fagard: Sie haben auch erwähnt, dass er dort wie ein Wagner aufgetreten wäre. Sie haben sich gefragt, ob Tarkowskis „Genie ökonomischen Exzess brauche“, um sich abzuheben vom Durchschnitt.

Alexander Kluge: Ja, ja. Zu diesem ökonomischen Exzess wäre es auch in diesem Film gekommen.

Gawan Fagard: Genau. Und dann gibt es auch das fiktionale Element, das Sie eingebracht haben: die Figur des Landvermessers.

Alexander Kluge: Das hat übrigens nichts mit Kafka zu tun, sondern mit Heiner Müller. Heiner Müller bezeichnet sich selbst als Landvermesser.[2] Und ich muss Ihnen sagen, das Landvermessen ist eigentlich die Bruchstelle, wo die Natur auf eine sehr gütige Weise domestiziert wird. Auch Alexander von Humboldt, der den Ural bereist, ist ein Landvermesser.

Gawan Fagard: …und ist auch der Prototyp dieses Charakters.

Alexander Kluge: Der Prototyp, der Charakter. Aber auch Aristoteles habe ich im Auge gehabt, denn hinter den Heeren Alexanders des Großen zogen Landvermesser des Aristoteles und die hatten ein Gerät, mit dem man die Entfernung messen konnte. Am Abend konnte man dann ablesen, wie viele Parasangen gelaufen wurden. So konnten sie Meter für Meter, durch Füße und dieses Gerät, den Weg bis zum Indus markieren. Das ist Landvermessung.

Gawan Fagard: Was passiert dann genau in einer solchen Landvermessung?

Alexander Kluge: Man hat zunächst eine Ahnung oder eine physische Vorstellung von dem Land, aber man hat es noch nicht besetzt.

Gawan Fagard: Man tendiert aber dazu, es sich anzueignen.

Alexander Kluge: Das muss nicht so sein. Die Messung wird zunächst erst mal an die Akademie übergeben, das heißt an die Wissenschaft. Sie haben jetzt nicht mehr eine beliebige, selbst ausgedachte Vorstellung von der Welt. Dem hätte Tarkowski nicht widersprochen. Er hätte wohl lediglich eingewandt, dass man mit dieser Messung des Aristoteles keine Geisteswesen vermessen kann.

Andrei Tarkowski, Geologische Karte des Kurejka-Flusses in Sibirien, 1953 – 1954.

Andrei Tarkowski, Geologische Karte des Kurejka-Flusses in Sibirien, 1953 – 1954.

Gawan Fagard: Genau. Und da ist die Schnittstelle zum Problem Tarkowskis, dass er sehr problematisch mit der Technologie umgegangen ist. Die Technologie ist zwar Voraussetzung für das Kino, aber gleichzeitig hat nach Tarkowski mit der Renaissance die Entfremdung der Spiritualität durch die technologische Perspektive ihren Ursprung. Das impliziert, dass wir überhaupt keinen unvermittelten Kontakt mit der Welt haben können. Dass wir also Messgeräte immer brauchen…

Alexander Kluge: Das Instrument stellt sich zwischen den Menschen und die Dinge. Was ich ja nicht besonders fürchte, weil in dem Instrument die Lebenszeit von Menschen enthalten ist. Alle Dinge sind verzauberte Menschen. Denn diese Dinge haben immer Menschen gemacht. Und insofern würde ich leicht glauben, dass sich ein direkter Kontakt auch wiederherstellt; dass sich die Art, wie ein Arbeiter eine Schraube befestigt – sitzt, passt, wackelt und hat Luft – zwischen einem deutschen Arbeiter und einem chinesischen ohne Sprachkenntnisse vermitteln lässt. Trotzdem ist die Schraube technisch.

Gawan Fagard: Das ist auch die Kunst.

Alexander Kluge: Ja, das ist wirklich Kunst. Beim Arzt ist es noch mehr Kunst. Der arbeitet nicht mit einer Schraube sondern mit einem Körper. Und von daher hat die Renaissance uns eigentlich kein Leid getan. Also dieses bisschen, was man mit einem Instrument machen kann (zum Beispiel mit einer Kanone schießen) ist sehr endlich. Napoleons Kanonen kommen 1812 nach Moskau und schmelzen entweder in einem Brand oder wurden stehen gelassen.

Gawan Fagard: Die Kanone ist ein Instrument, aber als Waffe zeigt sie ihre gefährliche Seite.

Alexander Kluge: Ja, aber in diesem Sinne sind auch Hammer und Sichel gefährlich. Für die Dinge, worauf sie einhauen, ist der Hammer vielleicht kein Griff, kein Feininstrument. Die Fingerspitze ist Feinsteuerung. Wenn die Hebamme ein Kind in einem Mutterleib umdreht, das in der falschen Lage da sitzt, ist das auch Feinsteuerung. Ich glaube, dass ich mich mit Tarkowski da sehr schnell verständigt hätte.

Es gibt aber einen grundsätzlichen Temperamentsunterschied zwischen uns beiden. Das war in diesem Gespräch sehr schnell zu bemerken. Er hätte auf der einen Seite schärfer zugepackt. Er nimmt stärker Besitz von etwas, gleichzeitig ist er schneller verzweifelt und negativ eingestellt und sagt, die Welt geht herunter. Sein Pessimismus ist ausgeprägt.

Gawan Fagard: Sie haben den Gott Kairos ins Spiel gebracht, ein Gott des glücklichen Augenblicks, der mitmachen muss, um solche Filme zu gestalten.

Alexander Kluge: Das ist der Name meiner Firma, Kairos. Aber das ist ein sehr eigenartiger Gott, eigentlich sollten wir sagen ein Glücksgott, oder Gott der Zeit. Aber beide Ausdrücke passen nicht zu ihm, weil er ist nicht ein Gott der Zeit, so wie Kronos ein Gott der Zeit ist. Es sind einfach ganz verschiedene Wirklichkeiten von Zeit. Der Kairos kommt nur in Form von Unterströmungen vor. Sie können ihn nicht fassen.

Gawan Fagard: Anscheinend hat er dann auch nicht mitgewirkt – Tarkowski ist zu früh verstorben.

Alexander Kluge: Er war krank, ja. Er hat mir noch einmal eine Nachricht geschickt, dass wir demnächst anfangen sollten. Und ich habe auch tatsächlich auf Schloss Elmau mal gesagt, dass wir die Räume bräuchten. Tarkowski hatte vor, dass wir nach Süditalien fahren. Das war der letzte große Plan. Für eine Reise in den Hindukusch hätten wir russische Pässe und Visa gebraucht. Wo sollten wir einreisen? Welche Schutzimpfung macht man? Da bin ich von meiner Mutter her zu praktisch geprägt, um zu sagen, das machen wir jetzt so wie Werner Herzog. Abgesehen davon, dass mir Tarkowski gar nicht robust genug schien für das Reisen.

Gawan Fagard: Also für Sie ist die imaginäre Geographie irgendwie wichtiger als die konkrete. Die Reise führt sozusagen ins „innere Atlantis“[3].

Alexander Kluge: Ja. Also, entweder haben wir das in uns und es gibt alles, oder wir werden es nicht finden.

Gawan Fagard: Aber Tarkowski braucht schon das Wirkliche.

Alexander Kluge: Ja, und das achte ich auch. Wir hätten zuerst mit den Gegenden in der Nähe des Vesuvs, unterhalb der Lava und oberhalb der Siedlung, anfangen können. Es ist tatsächlich verbürgt, dass dort bei einem Brunnen ein Zugang zur Unterwelt sein müsste. Da gibt es verlässliche Quellen und Sie dürfen ja nicht denken, dass ich das für etwas Fremdes halte, was man esoterisch nennt. Sondern das ist etwas Wirkliches. Das sind sozusagen Reste eines atlantischen Leibes, den wir noch in uns tragen.

Joseph Mallord William Turner, The Bay of Baiae with Apollo and the Sybill at the Entrance of the Underworld, 1823.

Joseph Mallord William Turner, The Bay of Baiae with Apollo and the Sybill at the Entrance of the Underworld, 1823.

Gawan Fagard: An diesem Ort gäbe es dann einen Untergrund, vielleicht sogar eine Unterwelt, und doch gibt es auch Berge. Die Berge weisen nach Steiner auf ein Geheimnis hin.[4]

Alexander Kluge: Ja, die Berge bewegen sich und sie leben. Darüber haben wir auch gesprochen – dass der Pazifik wahrscheinlich ein Lebewesen ist, dass auch er auf andere Gestirne reagiert und sich bewegt. Aber die Berge des Himalaya bewegen sich auch – nur sehr viel langsamer.

So ein Bild fesselt mich sehr, dass sozusagen ein Gesandter, ein Botschafter des Präsidenten Obama, Richard Holbrooke, in Afghanistan umherfährt und sich unter ihm drei große Bewegungen vollziehen. Diese Bewegungen habe ich mit Tarkowski besprochen. Die Belutschistanplatte kommt vom Süden und drängt seit zehntausend Jahren sehr energisch gegen die Pamirplatte und dann wiederum gegen die Hindukuschplatte. Und diese drei Bewegungen pressen und schaffen eigentlich in der Gegend von Afghanistan ein permanentes, leichtes Erdbeben. Und oben haben Sie jetzt unsere kleinen krisseligen Menschen, und die machen Bürgerkrieg – und darüber existiert eine Superstruktur der amerikanischen Versuche, mit so etwas umzugehen. Und darüber im Orbit nun ein Späher und unten wieder Drohnen. Das sind sehr eigenartige, gegenläufige Wirklichkeiten. Die kann man als Chor beschreiben. Eine Oper des 21. Jahrhunderts müsste so was zeigen und zum Summen bringen.

Ich glaube, dass Tarkowski mir für so etwas zehn Minuten zugestanden hätte, wenn ich wiederum ganz tolerant gewesen wäre für das, was er machen wollte, einschließlich dem Reisen.

Er erwartete von mir wohl, dass ich das Geld besorge. Das hätte ich dann auch gemacht. Sodass wir, so ähnlich wie eine Sibirische Eisenbahn, die Arbeit in Wegstrecken aufgeteilt hätten, das heißt zweitausend Meter macht Firma A, zweitausend Meter macht eine französische Firma, dann kommt eine britische Firma für eine Brücke; und so wird diese Riesenstrecke verteilt in Abschnitte, die hinterher zueinander passen, gebaut. So ähnlich kann man Filme machen und so etwas hätten wir vorgehabt. Das wären nicht neunzig Minuten geworden, sondern deutlich mehr.

Gawan Fagard: Anders als Tarkowskis eigenes Kino wäre dieser Film dann nicht ästhetisch kohärent gewesen.

Alexander Kluge: Ich bin ganz sicher, dass er seine Stücke kohärent gemacht hätte, aber ich hätte ihn allerdings versucht aufzuwiegeln, dabei gewissermaßen nicht wagnerianisch zu sein (oder zu studieren wie Wagner als Kammermusiker eigentlich arbeitet). Das heißt, diese Vielfalt ist eine andere Seite vom Monumentalbau des Kinos: der Mut zum Fragment. Der Mut, sich etwas vorstellen zu können, wie es aussähe in fünftausend Jahren. Dann wird es ja eine Ruine. Ich finde, das gehört zum Film dazu – also lieber nicht pessimistisch über die Welt denken, aber dennoch zugestehen, dass die Filmgeschichte einmal vorüber und vertan ist und nur noch in Filmmuseen und Festivals eine Zeitlang vorkommt, festen Glaubens, dass sie woanders wiederkehrt – so zum Beispiel auf YouTube.

Gawan Fagard: Und dazu hätten Sie Tarkowski sozusagen herausgefordert?

Alexander Kluge: Das wäre die Verführungskunst von meiner Seite gewesen.

Gawan Fagard: Das hätte er aber nicht in seiner Natur gehabt.

Alexander Kluge: Nein, nein. Aber er kann es; Fragmente eines Genies sind manchmal das Schönste was es gibt. Bei Leonardo sind ja auch die Skizzen das Beste und nicht die fertigen Gemälde.

Gawan Fagard: Das hätte Tarkowski auch geschätzt.

Alexander Kluge: Nehmen wir Adorno und dessen Kunstverstand. Er sammelt ja wie ein Brennglas das, was Schönberg kann, was Webern kann, was Stockhausen weiß und was die Musik weiß. Nun ist Tarkowski unendlich musikalisch, aber er hat nur eine musikalische Vorstellung bis Mussorgski. Er ist musikalisch nicht modern. Die Moderne ist aber die Emanzipation der Form und das hätte ihm gefallen.

Tarkowski liest den Film von der Musik ab. Der Film kommt nicht von der Fotografie. Der kommt als Bewegbild aus der Musik. Tarkowski ist demnach ein bisschen akademisch gebildet und hat auch eine akademische Vorstellung von Film: Er muss neunzig Minuten lang sein, er muss auf einem Festival spielbar sein, es muss eine Eintrittskasse geben und so weiter. Das ist ja alles nicht gegeben – der Film ist ja absolut.

Gawan Fagard: Er hat dann aber 1985 in Schweden Das Opfer gedreht.

Alexander Kluge: Genau. Es wäre mein großer Wunsch gewesen, ihn noch ein ganz kleines bisschen für diese offene Form zu begeistern. Seine Krankheit hätte an und für sich dem sogar zugearbeitet. Denn wenn man müder wird, muss man Fragmente machen. Das kann sehr schöne, große Kunstwerke hervorbringen. Die Fliege im Bernstein fängt dort an zu leben.

[Schweigen]

Ich vermisse ihn, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Wir haben nicht so ganz viele wie Tarkowski.

Gawan Fagard: Wie änderte sich dann nach Tarkowskis Tod das Nachleben seines Werkes?

Alexander Kluge: Die ihn mögen, kennen ihn. Mit Fassbinder hatte ich eine Verabredung getroffen, als er noch lebte, 1971. Wenn ich früher sterbe, macht er ein paar Filme – Fakes von mir. Und wenn er früher stirbt, mache ich dasselbe bei ihm. Und das mache ich auch. Das könnte ich bei Tarkowski nicht. Bei Tarkowski hätte ich ja eine heilige Achtung vor dem was er tut. Insofern ist er sozusagen bis zum Bauch ein Filmemacher und darüber hinaus ist er noch was anderes. Es gibt am Schwarzen Meer in Kolchis diese Verteidiger Medeas. Das sind gepanzerte Wesen, keine Menschen, die sind bis zum Bauch in der Erde und darüber hinaus Verteidiger des Landes. So kommt mir Tarkowski vor. Er ist amphibisch.

Gawan Fagard: Was wäre er gewesen, wenn es kein Kino gegeben hätte?

Alexander Kluge: Dann hätte er Bilder gemalt. Für Musik ist er zu ungeduldig.

Gawan Fagard: Zwischen der Persönlichkeit Tarkowskis und dem Bild der Ruine gibt es eine Verbindung, die, wie Sie sagten, in einer pessimistischen oder melancholischen Sphäre gehalten wird. Tarkowski war sehr von den Ruinen fasziniert – das verdeutlichen nicht zuletzt die Polaroids. Im Brunnen der Götter wird die Ruine auch als Sinnbild abgebildet.

Alexander Kluge: Tarkowski hatte ja davon gesprochen, dass ihn das interessiert. Wenn man in Ruinen sucht und dort in einer sehr tiefen Schicht den Brunnen findet, dann kommt man dort in eine andere Welt.

Friedrich Gilly, Tempel der Einsamkeit, 1799 – 1800.

Friedrich Gilly, Tempel der Einsamkeit, 1799 – 1800.

Gawan Fagard: Die Ruine ist sozusagen der Weg.

Alexander Kluge: Der Weg. Es ist also ein Zeitbild, das er da im Auge hat. Das heißt, Sie können nicht von einer Gegenwart direkt in eine andere Welt. Wir leben nicht Wand an Wand mit der Parallelwelt, sondern man muss Glück haben und gewissermaßen über eine andere Zeit eindringen – und andere Zeit heißt Tiefe bei ihm.

Gawan Fagard: Das Bild der Ruine erinnert an eine Zeit, die nicht zu behalten war, aber kündigt auch eine neue Zeit an, die ein Gegenbild produziert.

Alexander Kluge: Das ist das eine, andererseits gibt es alle Zeiten, auch in unserer Gegenwart. Die sehen wir bloß nicht. Wir illusionieren, dass es den Moment gibt. Dieser besteht aber aus allen Elementen anderer Zeiten, übrigens auch der Zukunft. Das heißt, das Bild von Benjamin ist nicht nur, dass aus der Vergangenheit ein Sturm weht, sondern auch aus der Zukunft weht dieser Sturm. Was immer dieser Sturm anrichtet, er ist ja kein Wetter. In der Generosität der Zeiten existiert etwas Vergangenes und Unerlöstes: Da liegen die Eingänge. Es ist nicht gesagt, dass diese Eingänge nicht auch in der Jetztzeit gefunden werden könnten; dass ich bei Neapel also, in den Brunnen hinabsteigend, einfach durch eine Tür gehe oder durch ein Glas gehe oder durch einen Spiegel gehe – und so in die Parallelwelt käme.

Gawan Fagard: Anlässlich Ihres Gesprächs mit Tarkowski hatten Sie Bilder der Kunstgeschichte gewählt, von Jean-Jacques Lequeu (einem ganz sonderbaren, klassischen Phantasie-Architekten) und dann von Friedrich Gilly, einem romantischen Vorgänger Schinkels.

Jean-Jacques Lequeu, Le Phare, 1777 – 1814.

Jean-Jacques Lequeu, Le Phare, 1777 – 1814.

Alexander Kluge: Die habe ich gewählt, weil Lequeu zum Beispiel einen Leuchtturm entworfen hat, der den Wanderer in der Wüste retten kann und als Leuchtfeuer dient. Stellen Sie sich ein Leuchtfeuer in der Wüste vor. Das war in Paris produziert und sollte in der Wüste aufgestellt werden. Ein hoffnungsloses Unternehmen, denn es gibt zu viel Wüste und zu viel Möglichkeiten sich zu verirren, sodass die Chance, dass irgendeiner auf dieses Unikat da stößt, ganz gering ist. Trotzdem – die Idee hat mir so gefallen.

Gawan Fagard: Das Potenzial der Architektur.

Alexander Kluge: Das Potenzial des Rettens. Das Potenzial, dass man Orientierung selbst am unmöglichen Ort hat – in der Erwartung, dass vielleicht noch einer gerettet wird. Vielleicht ist es aber auch nur ein Denkmal.

Gawan Fagard: Und in der Zeichnung gibt es eine Tür, ein Tor der Eremitage als Zugang zum Garten. Also eine Öffnung sozusagen in den geschlossenen Garten, den hortus conclusus, über den wir zuvor sprachen.

Jean-Jacques Lequeu, Porte de l’eremitage, 1777 – 1814.

Jean-Jacques Lequeu, Porte de l’eremitage, 1777 – 1814.

Alexander Kluge: Ja. Und jetzt kann ein Liebespaar im Bett liegen und die Laken sind richtig verschwitzt. Da kann die Tür auch verschwinden. Wie etwas aussieht, was zu einem Garten führt, das würde Tarkowski niemals vorschreiben.

Gawan Fagard: Er hätte aber Bilder gehabt, so wie das Einhorn oder die durch Lysimachus gepflanzten Baumalleen.

Alexander Kluge: Diese Bilder wären nicht Gegenstand von Kompromissen geworden, sondern Tarkowski hätte sie auf das Intensivste eingebracht. Und ich hätte meine Bilder und auch meine Nicht-Bilder. Ich würde auf Bilder auch oft verzichten, also sie bekämpfen.

Gawan Fagard: Mit Wörtern?

Alexander Kluge: Wie auch immer. Sie können mit Pausen kämpfen, Sie können mit Musik ein Bild ersetzen und Sie können ein Bild durch ein Bild vernichten. Sie können also Ikonoklasmus betreiben. Und ich bin starker Ikonoklast vom Temperament her.

Gawan Fagard: Das steht auch Tarkowski gegenüber.

Alexander Kluge: Tarkowski ist ein Ikonodul. In Byzanz waren diese beiden Parteien tätig. Ich bin nicht gegen Bürgerkriege, das heißt, ich bin dafür, beide umso intensiver Bilder erzeugen zu lassen, weil sie letztlich doch nicht bloß im Film stecken, sondern in den Köpfen der Menschen. Das heißt, wir sind beide Archäologen, die Bilder ausgraben – Bilder und Nicht-Bilder.

Gawan Fagard: Sie würden sich eher für die Nicht-Bilder interessieren?

Alexander Kluge: Das können Sie nicht so generell sagen, man kann die Nicht-Bilder nicht herstellen, ohne Bilder zu haben. Aber Bilder erlauben, dass man durch sie hindurchblickt: Epiphanie. Wenn wir über das Licht nachdenken, dann können Sie nicht zweifelsfrei sagen, dass es sich um ein Bild handelt.

Gawan Fagard: Genau. Das Licht wäre ein Ursprung des Bildes.

Alexander Kluge: Der Ursprung des Bildes als Weg aller Bilder und gleichzeitig sieht es so aus wie durchsichtig, diaphan. Wenn Sie einen Sonnenstrahl sehen, dann ist er sehr hell, sehr klar und dem, was er abbildet, überlegen. Das würde Tarkowski übrigens keine Sekunde bezweifeln.

Wir würden wie zwei Rabbis dasitzen. Voraussetzung ist, dass jeder sein Thema hat. Es hat keinen Sinn, Kompromisse zu machen. Wenn man ganze Sequenzen montiert ist es eine stärkere Form als wenn man nur mit Einstellungen montiert. Das ist eigentlich die Art von Film, an die ich innerlich glaube. So wie Deutschland im Herbst: Dadurch, dass mehrere Regisseure an etwas arbeiten, wird der Film reicher als ein Film, der von einem Autor gemacht ist. Bei Tarkowski ging es allerdings nur mit zwei Regisseuren und das wäre eine sehr intime Tätigkeit mit ihm gewesen: Ich kann meine Ich-Schranke und er kann seine nur senken, wenn man alleine ist…

Ich bin schon traurig, dass er tot ist.

[Stille]

Gawan Fagard: Wäre für Sie zusammenfassend also die Gegenüberstellung des Ikonoklasten Kluge und des Ikonodulen Tarkowski der Kern des gemeinsamen Projekts gewesen?

Alexander Kluge: Ja absolut, und wir hätten beide Einstellungen nacheinander gemacht. Selbstverständlich wäre das beides auf Zelluloid gebannt gewesen. Und es ist ja nicht so, dass ich Schwarzfilm sende. Sie können sogar behaupten, dass es für den Zuschauer sogar einen Genuss enthält, die Abwechslung zu sehen.

So was kann sich übrigens drehen. Tarkowski ist zwar sehr willensstark und idiosynkratisch, aber auch unglaublich neugierig und er ist auch ein Schauspieler seiner besten Ideen. Sie können ja Solaris nicht wirklich gleichsetzen mit den anderen Filmen. Das bewegt sich ganz eigen. Und warum sollte er sich nicht verführen lassen?

Umgekehrt ist es schwerer, weil ich eine bestimmte Kraft, die er hat, gar nicht aufbringen kann. Er ist Barbar, also im positiven Sinne.

Gawan Fagard: Aber ein sehr kultivierter Barbar…

Alexander Kluge: Ja. Er ist Thoras, und ich bin sozusagen der Bruder von Iphigenie.


[1] Der erste Teil des vorliegenden Gesprächs erschien in der Ausgabe Nummer 6 von all-over im Frühjahr 2013, URL: http://allover-magazin.com/?p=1704

[2] Alexander Kluge verweist hier auf seine Gespräche mit Heiner Müller, vgl. Alexander Kluge und Heiner Müller, Ich bin ein Landvermesser. Gespräche, neue Folge. Hamburg 1996. Es ist wahrscheinlich, dass Heiner Müller sich seinerseits auf die Figur des Landvermessers in Kafkas Das Schloss bezieht.

[3] Die Formulierung eines „inneren Atlantis“ bezieht sich auf einen Aufsatz des deutschen Autors und Filmemachers Rüdiger Sünner, der auf sehr aufschlussreiche Weise das gemeinsame Interesse von Tarkowski und Kluge an Steiner gedeutet hat. Vgl. Rüdiger Sünner, Das innere Atlantis. Zum Akasha-Projekt von Alexander Kluge und Andrej Tarkowski, in: Info3, Juli/August 2008, S. 45 – 49.

[4] Vgl. „Der Berg als solcher bedeutet immer, wenn es sich um eine okkulte Sache handelt, dass diejenigen, die den Berg hinaufgeführt werden, zu gewissen Geheimnissen des Daseins hingeführt werden.” Rudolf Steiner, Das Markus-Evangelium, GA 139, 4. Aufl. 2010, 8. Vortrag, Basel, 22. September 1912, S. 149.

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White Noise

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Dash and a Dot

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Vertikale, Horizontale

Alois Riegls Konzept vom optischen und vom taktischen Sehen entspricht ganz dem modernen Paradigma von reiner Visualität: Auch wenn das Adjektiv „taktisch“ oder auch „taktil“ Assoziationen zu haptischen Qualitäten, Oberflächenbeschaffenheit oder hervortretender Materialität weckt, ist es doch nur die visuelle Repräsentation vom Haptischen, die im taktischen Sehen eingeschrieben ist.

Ein moderner Theoretiker, der seiner zeitgenössischen Kunst – unserer klassischen Moderne – zugewandt arbeitete, passt zu einem modernen Paradigma? Nicht sonderlich überraschend. Will man Yves-Alain Bois’ Aufzählung moderner Paradigmen folgen, dann sind neben der reinen Visualität auch die Vertikalität – die Adressierung des Subjekts als ‚erect being’ – und eine lineare, progressive Temporalität die Koordinaten der klassischen Moderne.[1]

Interessant ist, dass Riegls Aufsatz Die Stimmung als Inhalt in der modernen Kunst auch Lesarten zulässt, die einen Zusammenhang zwischen seiner Beschreibung von Nahsicht und einer gewissen Horizontalität herstellen. Bei der im Zentrum stehenden Problemstellung, wie mit der impliziten Horizontalität im Stimmungsaufsatz Riegls umzugehen ist, stellt sich auch die Frage, inwieweit die Trennung von Vertikalität und Horizontalität fruchtbar bleibt – und falls dies abzulehnen sei, welche Implikationen die Annäherung der Begrifflichkeiten auf die paradigmatisch moderne Verknüpfung von (reiner) Vertikalität und (reiner) Visualität hat. Auf der Ebene der künstlerischen Strategien müssen sich Fragen nach den Mechanismen dieser Annäherung stellen: Wie kann sich aber Horizontalität im klassischen Tafelbild artikulieren, das sowohl in der Vertikale produziert als auch präsentiert wird? Und wie kann innerhalb eines Paradigmas der reinen Visualität mit besonders hervortretender Materialität – Materialität, die sich der Form widersetzt – umgegangen werden?

Stimmungsvolle Vertikalität?

In Riegls Aufsatz Die Stimmung als Inhalt der modernen Kunst versetzt der Autor die LeserInnen in eine Alpenlandschaft; der Erzähler sitzt auf einem Gipfel, unter ihm die Schlucht und er blickt über die Gesamtheit des sich ihm bietenden Panoramas. Indem er die Landschaft überschaut und sich des Kreislaufs des Lebens, der als kraftvolle, unerbittliche Bewegung beschrieben wird, im Klaren ist, überfällt ihn „ein unaussprechliches Gefühl der Beseeligung, Beruhigung und Harmonie“[2]. Diese Ruhe sei mit dem Wissen um ein Kausalitätsgesetz verbunden, mit dem Wissen um die (Natur-)Wissenschaft. Riegl war nicht der erste Mann der Ideengeschichte, der sich bemüßigt gefühlt hatte, den eigenen Blick in die Alpen zu kommentieren, man erinnere sich etwa an Hegels „Es ist so.“ nach einer Wanderung durch die Berner Alpen.[3] Im Gegensatz zu Hegels Anekdote folgt in Riegls Version von „der Mann und der Berg“ eine plötzliche Unterbrechung der so gelobten und von religiöser Ergriffenheit getragenen Harmonie: Eine Gämse springt unvermittelt in das Gesichtsfeld des Erzählers. Und es ist nicht nur die Störung der einträchtigen Ruhe, sondern auch das Erwecken seiner Instinkte, die unmittelbar in die Situation eingreifen, die er beschreibt: „Unwillkürlich zuckt die Rechte, wie nach der Flinte, es meldet sich das Raubtier, das das Schwächere als Beute in den Bereich seiner Testorgane bringen möchte.“[4] Diese Stelle ist von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur die Fähigkeit zur Bifokalität, dem Springen zwischen Fern- und Nahsicht, als genuin menschliche Fähigkeit verdeutlicht, wie Werner Hofmann vorschlägt.[5] Es tut sich auch eine Kluft auf, zwischen dem Menschen als vernunftbegabtem Wesen, dem Subjekt der Wissenschaft und dem Menschen als Teil eines alltäglichen Kampfes, dem Menschen als animalischem, triebgesteuertem Wesen – das nie nur (vertikal) rational und wissend ist, sondern immer auch (horizontal) mit den Füßen im Dreck steht[6]. Dass es nicht nur um einen Instinkt, einen animalisch verstandenen Jagdinstinkt geht, sondern auch um andere Situationen, die den Menschen auf seine Körperlichkeit zurückwerfen, wird offenbar, als Riegl erklärt, wie schnell sich die erhebende Stimmung, hervorgerufen durch die Fernsicht, verflüchtigen könne, etwa auch, wenn ein kalter Windstoß ein leichtes Frösteln hervorruft. Daneben ist es noch die Bewegung selbst, die uns „in den Kampf ums Dasein“[7] zurückschleudern würde. Grundsätzlich könne alles Motiv der Stimmung sein – die besagte Gämse findet sich nicht per se auf der Liste der Feinde jener Stimmung –, ihr größter Feind allerdings, was das Argument der Erweckung der triebhaften menschlichen Seite durch die Nahsicht noch unterstreicht, sei der Mensch selbst.

Die Wandlung, die mit dem Sprung von Fern- zu Nahsicht einhergeht, erinnert stark an George Batailles Worte zur Metamorphose:

„Man kann den Zwang zur Metamorphose als ein gewaltsames Bedürfnis definieren, das sich übrigens mit allen unseren tierischen Bedürfnissen vermischt und das den Menschen dazu anstachelt, sich plötzlich der Gesten und Posen zu entledigen, die vom menschlichen Wesen gefordert sind: Zum Beispiel wirft sich ein Mensch in einer Wohnung inmitten anderer Menschen auf den Bauch und frisst das Hundefutter. In jedem Menschen gibt es also ein Tier, das wie ein Sträfling im Gefängnis eingeschlossen ist, und eine Tür – und wenn man die Tür halb öffnet, stürzt sich das Tier nach draußen, wie ein Sträfling, der den Fluchtweg gefunden hat […].“[8]

Das Auftauchen der Gämse evoziert das Öffnen dieser Tür und aktiviert den Mensch als Tier in Riegls Anekdote. Der Mensch oszilliert zwischen den beiden Polen, zwischen dem zivilisierten und dem animalisch, triebhaft gesteuerten Menschen, zwischen Kultur und Natur und eben zwischen Stimmung und dem Kampf ums Überleben. Batailles Eintrag zu „Mund“ im Kritischen Wörterbuch führt diese Stellung des Menschen zwischen Kultur und Natur noch weiter aus: Die gewaltvolle Bedeutung des Mundes (im Vergleich zum Tier) sei auch beim Menschen noch erhalten, erklärt der Autor. Der Mund zeige sich im Speziellen als Vexierbild, das den Menschen erschreckend nahe an das Tier heranrücke: der Zorn, der die Zähne zum Knirschen bringe, das Geschrei, das danach aus dem Mund folge. Bemerkenswert sei außerdem die Annäherung des Vertikalen an die Horizontale:

„Es ist leicht hierbei zu beobachten, daß das erschütterte Individuum den Kopf hebt, indem der Hals wie besessen gereckt wird, auf eine Weise, dass der Mund sich, soweit es möglich ist, in die Verlängerung der Wirbelsäule stellt, das heißt in die Position, die er normalerweise beim Tier einnimmt.“[9]

Der Moment des Zornes ergreift den Menschen so sehr, dass er, obwohl er noch aufrecht steht, den Mund in die Verlängerung seiner Wirbelsäule, wie eben dies ein Tier in der Horizontale auch machen würde, bringt. Allgemeiner gesprochen finden wir in Batailles Theorie Dichotomien, die sich auch mit den begrifflichen Schienen in Riegls Aufsatz vergleichen lassen: Bei Bataille steht der Mensch zwischen Architektur als Repräsentation von Macht (wenn man so will auch ‚Kultur’) und Natur, der entfesselten Unordnung des tierischen Reichs. Bei Riegl hingegen ließen sich (auf der Seite der Ordnung) dem Begriff der Fernsicht Stimmung, Ruhe, der moderne Menschen und die moderne Wissenschaft zuordnen; der Nahsicht hingegen Bewegung, der unerbittliche Kampf ums Dasein, und blinder Gottesglaube, wo Wissen angebracht wäre.

Trennung oder Integration der Grundbegrifflichkeiten? Krauss vs. Hofmann.

„For no matter how riven the body is, between up and down, front and back, and right and left, and thus how unequal the spatial coordinates, it is the centering of the conscious subject through the experience of the Gestalt itself as centrically organized image that is continually mapped onto this perceptual field.“[10]

Rosalind Krauss erläutert in ihrem Eintrag zum Stichwort „Gestalt“ in der einem Wörterbuch gleichenden Monografie Formless. A User’s Guide den ideen- und kulturhistorischen Hintergrund zum scheinbar fundamentalen Gegensatz zwischen Vertikalität und Horizontalität. Sie bezieht sich dafür vorerst auf die Gestaltpsychologie, die sich vor allem mit der Organisation der menschlichen Wahrnehmung beziehungsweise von perzeptiven Räumen auseinandergesetzt hat. Der Wahrnehmungsraum der Gestaltpsychologie geht grundlegend vom Subjekt aus (entsprechend der anleitenden Fragestellung, Ordnungsprinzipien der menschlichen Perzeption zu destillieren) und so ist ein Objekt, das wahrgenommen wird, immer auf das Subjekt ausgerichtet. Das oben stehende Zitat fasst zusammen, dass die Konzeption des gestaltpsychologischen Wahrnehmungsraums eine Spiegelung der Konzeption von Gestalt selbst ist, einem symmetrisch und von einem zentralen Punkt aus gedachten Ganzen; zudem legt es die Subjektkonzeption der Gestaltpsychologie dar, die von einem aufgerichteten, der Schwerkraft unterliegenden Subjekt ausgeht. Damit Krauss die Relevanz dieser Koordinaten für die Subjektkonstitution einführen kann, argumentiert sie weiter, dass in Lacans frühem (aber für seine Rezeption zentralem) Aufsatz Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion der Einfluss der Gestaltpsychologie deutlich sichtbar sei, ja dass neben dem Erkennen einer Gestalt, die sich als einheitlicher Körper darbietet, Lacan selbst nur das Moment der Identifikation hinzufügt.[11] Das Moment der Identifikation (das Kind erkennt sich selbst im Spiegel) ist zentral, um zu erklären, wie sich durch das Sehen und Erkennen eines externen Bildes die tragende Rolle des Spiegelstadiums für die Subjektkonstitution herausbildet. Man kann selbstredend einwenden – diesem Einwand stellt sich Krauss auch im direkten Anschluss – dass diese Spiegeloberfläche kein vertikal ausgerichteter Spiegel sein muss, also beispielsweise auch eine horizontale Wasseroberfläche sein kann. Die Spiegelung auf der Wasseroberfläche ist allerdings nur von einem externen Standpunkt aus gesehen eine horizontale, weil das Bild, welches das sich selbst betrachtende Subjekt erlangt, immer durch die Verbindung einer Normalen repräsentiert wird. Die Spiegelung mag horizontal sein, das Bild bleibt vertikal.

„It is the painting itself, then, that converts the actual bodily position into a visual Gestalt, thereby dramatizing that for the subject of vision, the subject who is using the image to stabilize his own ego around a center of consciousness, all images – whether seen on a horizontal plane or not – will enter the space of his or her imagination as upright: aligned with the verticality of the viewer’s own body.“[12]

Dieser Umstand lässt Krauss schließen, dass das Sehen in zwei Schienen zerfällt: Es gibt einerseits das Sehen der Tiere, eben jener Wesen, die in einer Parallele zum Erdboden leben. Es handelt sich dabei um ein Sehen, das den Blick auf den horizontalen Grund lenkt – kurz zusammengefasst: „merely an extension of the sense of touch“[13]. Andererseits, als zweite Schiene, kann man das Sehen der Menschen beschreiben, das vertikal ausgerichtet ist und eine Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt inkludiert, sodass spezifisch menschliche Sehweisen Raum finden: die kontemplative Betrachtung, der wissenschaftliche Blick, der ästhetische Genuss oder auch die zögernde, staunende Verwunderung. Und nur folgerichtig bleibt zu schließen: „And in turn, the distance built into the very mechanisms of beholding is a function of the upright posture with its dissociation of vision from the horizontality of the ground.“[14] Man braucht nicht zu wiederholen, wie luzide ihre Argumentation für die Parallelität zwischen den Riegl’schen Begriffspaaren Vertikalität/Horizontalität und Fernsicht/Nahsicht ist.

Die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt – in Erinnerung behaltend, dass diese Unterscheidung für das Selbstbewusstsein des Subjekts von enormer Bedeutung ist – wird an einer Normalen, die vom aufrechten Menschen ausgeht, ausgerichtet. Diese Unterscheidung, wenngleich aus einer theoretisch ganz anderen Richtung argumentiert, zeigt sich als Knotenpunkt zu Riegls Grundbegriffen: Die Herangehensweise von Krauss, die die spezifisch moderne Vertikalität mithilfe von Gestaltpsychologie und Strukturaler Psychoanalyse zu erklären versucht, zeigt offensichtliche Parallelen zu der Beschreibung von Nah- und Fernsicht in Alois Riegls Stimmungsaufsatz. Die Fernsicht des aufrechten Riegls, die ihm die Möglichkeit zur beruhigenden Kontemplation in einer Welt voller Bewegung gibt, steht gegen die triebhafte Nahsicht, die durch die Gämse, die seine Jagdinstinkte weckt, hervorgerufen wird. Interessant bleibt hierbei, dass diese Unterscheidung bei Krauss eben nicht auf die menschliche Kompetenz der Bifokalität bezogen wird, wie Werner Hofmann vorschlägt, sondern dass es sich um zwei ganz unterschiedliche Arten von Sehen handelt und gerade dies für die Subjektkonstitution von Bedeutung ist.[15]

Horizontalität im vertikalen Werk?

Eine Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, ist, wie Horizontalität dann überhaupt in einem vertikalen Bild ankommen kann – ein Problem, das Krauss unter „Horizontality“ in der genannten Monografie diskutiert. Anhand von Jackson Pollock, dem sich eben jene Problemstellung Mitte der 1930er Jahre, geleitet von David Siqueiros, bei der Herstellung von Transparenten auf einer horizontalen Arbeitsfläche gestellt habe, eröffnet Krauss die Geschichte des Horizontalen im vertikalen Werk. Auch wenn dieses Vorgehen dezidiert der vertikalen Ausrichtung der Staffelei zuwider läuft, musste Pollock folgendes feststellen: „But the product of this horizontal site was cultural nonetheless in that it continued to be a representation – the inevitable verticality of its Gestalt left entirely intact.“[16] An dieser Stelle erwähnt Krauss ausdrücklich noch einmal die Identifikation des Vertikalen mit Kultur (hier vielleicht eher mit dem Gegensatz des Unterbewussten, nicht des Animalischen) und vielleicht noch wichtiger: die unterschiedliche Reichweite eines Übertritts des Horizontalen in die Vertikale, also die Frage, ob wir nach dem Horizontalen im Werk in Bezug auf seine Form suchen – oder in Bezug auf seinen Inhalt. Auch wenn sie dies in dem Aufsatz nicht explizit herausarbeitet, stehen zwei ihrer weiteren Beispiele für jeweils das eine beziehungsweise das andere Vorgehen: Robert Morris‘ Felt Pieces und Jackson Pollocks Full Fathom Five. Robert Morris’ Felt Pieces verfolgen den Gegensatz von Horizontalität und Vertikalität in ihrer Formgebung: Die Filzstoffe werden zuerst am Boden liegend in lineare Muster geschnitten, danach aufgehoben und an der Wand befestigt. Die am Boden liegende Form wird durch die Aufhängung am Wandhaken und durch die Schwerkraft unweigerlich in einem Ausmaß verändert, das die Schnitte und die am Boden entstandene Form unkenntlich werden lässt. Das lineare Muster der Schnitte verschwindet, es bleiben aber Lücken an den Stellen der Schnitte, die sich durch die Aufhängung auftun:

„Now scattered, the pattern would disappear; instead, the gaps would become the index of the horizontal vector understood as a force constantly active within the vertical field – a force that had been put in play in a move to disable the very formation of form.“[17]

Eine weitere Lesart wäre jene des indexikalischen Charakters der Lücken als Verweis auf die Rotation selbst, also auf den Moment, in dem der Künstler die Bewegung von der Horizontalen in die Vertikale vollzieht, und damit auch auf die Prozessualität der Produktion. Im selben Atemzug könnte man fragen, welchen Stellenwert die vertikal hängenden Felt Pieces einnehmen: Sind sie als Dokumentation der Rotation zu lesen? Oder, wie Krauss vorschlägt, als das vertikale Objekt, in dem sich horizontale Kräfte zeigen?

Jackson Pollocks Full Fathom Five hingegen zeugt von anderen Strategien in Hinblick auf den Bestand des Horizontalen in der Vertikalen: Eben keine, gemäß der Schwerkraft nach unten laufende Farbe ist in Full Fathom Five zu finden; ohne den Prozess der Rotation genauer zu repräsentieren, wird durch die an der Ölfarbe klebenden Nägel, Zigaretten, Knöpfe und sonstigen, allenfalls auf einem Studioboden herumliegenden Dinge auf die Situation der Herstellung und damit auf den Boden selbst verwiesen. Auch diese Arbeit zeigt ihren Herstellungsprozess, aber nicht, indem auf die Rotation verwiesen wird, sondern durch die Spuren von Pollocks Drips und den festgeklebten Müll. Krauss arbeitet insbesondere die Materialität von Full Fathom Five als Ausdruck von Widerständigkeit des Horizontalen im Vertikalen hervor:

„The power of Pollock’s mark as index meant that it continued to bear witness to the horizontal’s resistance to the vertical and that it was the material condition of this testimony – the oily, scabby, shiny, ropey qualities of the self-evidently horizontal mark – that would pit itself against the visual formation of the Gestalt, thus securing the condition of the work as formless.“[18]

Um noch einmal kurz zurück zu blicken: In Referenz auf Rosalind Krauss wurden Arbeiten von Robert Morris und Jackson Pollock besprochen, die – ganz allgemein – das Horizontale in der Vertikalen auf verschiedene Weise zum Thema machen. Interessant – und in der Pollock-Rezeption unterschiedlich diskutiert – ist dabei besonders, dass die Drip-Paintings auch aufgrund ihrer stimmungshaften Qualitäten beziehungsweise in ihrer Harmonie zwischen Chaos und Ordnung hervorgehoben wurden.[19] Und tatsächlich mag das nachvollziehbar erscheinen: Die gebannte Spur von Bewegung und die Ungleichmäßigkeit des getropften Farbauftrags erheben sich zur beruhigenden Gleichmäßigkeit – fast unwillkürlich kann man sich vor dem inneren Auge Alois Riegl auf seinem einsamen Alpengipfel vorstellen, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen aufgrund der beruhigenden Wirkung des Gesehenen. Nachdem mit Krauss der besondere Bezug der Horizontalität auf die hervortretende Materialität in Full Fathom Five herausgearbeitet wurde, kann an dieser Stelle zu den Gegensatzpaaren Nahsicht und Horizontalität beziehungsweise Fernsicht und Vertikalität auch noch hervortretende Materialität, die sich der Form widersetzt, beziehungsweise andererseits geformte Materie, die sich einer Form unterordnet, hinzugefügt werden.

Nahsicht als besondere Eigenschaft der Fernsicht?

Werner Hofmann legt in seinem Aufsatz Riegl, der Emanzipator (die Gämse und das Alpenpanorama) einen Versuch der Integration der beiden Qualitäten Nah- und Fernsicht in den Riegl’schen Grundbegrifflichkeiten dar. Hofmann argumentiert, dass nahsichtige Qualitäten ganz zentral für die Harmonie der Fernsicht seien, dass in jedem funktionierenden fernsichtigen Bild eine harmonische Spannung läge, die letztlich aus der Integration nahsichtiger Qualitäten folge. Hofmann reiht Riegl damit neben seinen Zeitgenossen ein:

„Das Denken in Äquivalenzen, dem sich in jeder Struktur mehrere potentielle Lesarten erschließen, empfing noch von zwei anderen Emanzipatoren entscheidende Argumente: von Schönberg in Wien und von Kandinsky in München. […] Riegls Rolle in diesen Öffnungs- und Emanzipationsprozessen ist die eines Emanzipators, der letztlich als Integrator wirkt. In dieser Doppelrolle schließt er sich der Künstlerästhetik an, die mit der Entdeckung der Hässlichkeit und der Erprobung von Disharmonien um etwa 1800 beginnt.“[20]

Als Emanzipator bezeichnet er Riegl, da er das Intervall – den Zwischenraum ebenso wie das Ornament, das Kunstgewerbe und manche als Verfallsepochen gekennzeichnete Abschnitte der Kunstgeschichte – aus ihrer untergeordneten Stellung geholt hat. Zwischenräume werden nun Teil eines Musters, die Unterscheidung zwischen Vorder- und Hintergrund fällt. Auch die Idee der Integration der beiden Grundbegriffe ist etwa bei Hofmanns Hinweis auf die beiden Pole, zwischen denen sich das Kunstwollen seiner Zeit laut Riegl bewege, nachvollziehbar: zwischen Schönheit/Harmonismus und Lebendigkeit/Organismus[21]. Dennoch wird Hofmanns Argumentation schwierig, wenn auch das Ziel nachvollziehbar sein mag, da er diese Integration auch in Riegls Stimmungsaufsatz sieht: Statt den Gegensatz zwischen dem wissenden Menschen und dem triebgesteuerten Menschen zu sehen, liest Hofmann darin schlichtweg den Gegensatz zwischen Alois Riegl, dem Kunsthistoriker – blickend auf das Alpenpanorama – und Alois Riegl, dem Bergwanderer – gierig die Gämse fixierend. Der Unterschied, der sich gemäß dieser Lesart vorerst aufmacht, ist einer zwischen den verschiedenen Reichweiten wissenschaftlicher Fragestellungen: „Die Nahsicht dient der auf das Einzelne gerichteten Spezialforschung, die Fernsicht entspricht der universalhistorischen Perspektive.“[22] Hofmann fügt außerdem hinzu, dass in dieser Episode auch die menschliche Fähigkeit exerziert werde, zwischen Extremen zu wählen. Gerade letzteres ist fraglich: Handelt es sich in der Geschichte, die Riegl darbietet, um eine freie Wahl? Riegl formuliert tatsächlich passiv und spricht schon mit dem ersten Wort dem Subjekt die Handlungsfähigkeit ab: „Unwillkürlich“, so Riegl, „zuckt die Rechte, wie nach der Flinte, es meldet sich das Raubtier […].“[23] Ebenso wird der Verlust der Stimmung sprachlich als fremdbestimmt beschrieben: „So ein subtiles Ding ist diese Stimmung, daß eine Lebensregung in der Nähe genügt, um sie hinwegzublasen.“[24]

Es ist Hofmann zwar zuzustimmen, wenn er meint, dass es nicht die Gämse per se wäre, welche die Stimmung zerstört, erwähnt Riegl doch dezidiert, dass es nicht um das Motiv gehe, wenn man Stimmung hervorrufen wolle. Ohne den Mensch oder ein bestimmtes Tier auf eine schwarze Liste zu setzen, spricht er aber dennoch davon, dass „notwendig nur Ruhe und Fernsicht“[25] wären, um die Stimmung hervorzurufen. Auch Hofmann zieht Jackson Pollock heran, um zu erläutern, wie sich die Spannung zwischen Nähe und Ferne sichtbar in Harmonie auflösen könne. Allein seine Wortwahl des „harmonischen Ineinanders“ weist schon auf die implizite Vorherrschaft der fernsichtigen Qualitäten hin, indem sich offenbare Anklänge an Riegls Erklärung von Stimmung wiederfinden: „Diese Ahnung aber der Ordnung und Gesetzlichkeit über dem Chaos, der Harmonie über den Dissonanzen, der Ruhe über den Bewegungen nennen wir die Stimmung. Ihre Elemente sind Ruhe und Fernsicht.“[26] Die Argumentation zugunsten der Äquivalenz von Nah- und Fernsicht endet in der Einverleibung von taktilen in optische Qualitäten, was nur schwer als gleichwertige Stellung verstanden werden kann. Die Dynamik, die nahsichtige Qualitäten zum besonderen Reiz der fernsichtigen Qualitäten macht, beruht vor allem auf Bewegung. Es sei die „spontane Lebendigkeit“, die als „stimulierender Akzent“[27] diene, obwohl Riegl selbst die Bewegung im Stimmungsaufsatz auf die Seite der Nahsicht schiebt. Es ist eher die gebannte Bewegung oder die Möglichkeit zur Bewegung – vielleicht auch ein gewisses Maß an Kontingenz -, welche die Bewegung in eine optisch-fernsichtige Darstellungsweise einführt. Mit einem Rekurs auf Riegls Augustinus Rezeption unter Betonung der wechselseitigen Bedingung von Schönheit und Hässlichkeit verstärkt Hofmann die Argumentation, Riegl als Integrator der beiden Qualitäten zu lesen.

„Civitas Dei und Civitas Terrena sind demnach nicht manichäisch aufgespalten, kein Bereich ist eindeutig, beide Reiche werden in der ‚innigsten Verflechtung’ geschildert. Mit anderen Worten: Jeder Formhaushalt trägt potentiell seine ‚Selbstwidersprüche’ in sich – gleichsam als ‚Möglichkeitsformen’ (Musil). Demnach steckt die Gämse im Alpenpanorama.“[28]

Selbst wenn man Werner Hofmann sonst nicht zustimmen will: Die beiden Welten, obgleich trotz der vorgeschlagenen Augustinus-Rezeption nicht mit irdischen und himmlischen Sphären zu identifizieren, sondern vielmehr mit dem Horizontalen und dem Vertikalen, können dennoch dynamisch Hand in Hand auftauchen. Was Hofmann schuldig bleibt, ist letztlich eine Ausführung der Strategien, die ebenjenes Versprechen einlösen können: Hofmanns Argumentation ist vorerst am Beispiel des spätrömischen Reliefs nachzuvollziehen, da bei der Betrachtung aus der Ferne durch den dynamischen Schattenwurf der Figuren ein anderer Eindruck entsteht als bei Betrachtung aus der Nähe, welche die Figuren als isokephal, starr und gedrungen hervortreten lässt. Es mag Hofmann zuzustimmen sein, dass die Möglichkeit von unterschiedlichen bildlichen Qualitäten in die Grundbegriffe eingeschrieben ist – aber kann man von einer tatsächlichen Integration der Grundbegriffe sprechen, wenn es letztlich der Bewegung des/der BetrachterIn bedarf, um diese zu erleben?

Mein Ausgangspunkt war die Feststellung, dass Riegl in seinem Aufsatz Die Stimmung als Inhalt der modernen Kunst ebenso implizit Vertikalität in seine Vorstellungen zu Fernsicht einschreibt wie er Horizontalität in seine Vorstellung von Nahsicht integriert. Nachdem die Begrifflichkeiten, angereichert von George Batailles Gedanken zur Stellung des Menschen zwischen Natur und Kultur, noch einmal sortiert wurden und das klassische Tafelbild mit Rosalind Krauss als vertikal, ausgerichtet an einer Normalen zum blickenden Subjekt, beschrieben wurde, hatte sich die Frage gestellt, wie Horizontalität mittels verschiedener Strategien in eine Vertikale, etwa das Bild, eingeschrieben werden kann. Werner Hofmann lieferte uns eine dritte Herangehensweise im Zuge der Annäherung von Horizontale und Vertikale: Nach der Verklammerung der Begriffe durch die Stellung des Menschen zwischen Kultur und Natur (Bataille), und der Erläuterung des ideengeschichtlichen Hintergrunds der Trennung eben jener Begriffe und der Diskussion von gegenläufigen, künstlerischen Strategien (Krauss), war es Hofmann, dem in seinen Erklärungen zur Integration von Nah- und Fernsicht bei Riegl kaum zugestimmt werden konnte. Was dennoch bei Hofmann hervorstach, war die Formulierung der „Selbstwidersprüche“ der polaren Grundbegrifflichkeiten, die ihn letztlich wieder näher an Bataille brachte als zuerst gedacht. Abseits der offensichtlichen Motivation, die Brüchigkeit eines spezifisch modernen Paradigmas bei einem modernen Denker zu zeigen, wurde versucht, die klar polar geordnete Begriffsstruktur der reinen Vertikalität und Visualität aufzubrechen – zugunsten einer Lesart, die den impliziten Selbstwiderspruch in Riegls Stimmungsaufsatz exponiert.


[1] Yves Alain Bois, The Use Value of ‚Formless‘, in: Yves Alain Bois/Rosalind Krauss, Formless. A User‘s Guide, Cambridge/London 1997, S. 25f.

[2] Alois Riegl, Die Stimmung als Inhalt der modernen Kunst, in: Alois Riegl, Gesammelte Aufsätze, Wien 1996 (1899), S. 27.

[3] Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Tagebuch der Reise in die Berner Oberalpen, in: Ders., Frühe Schriften. Werke I, Frankfurt a. M. 1986, S. 618.

[4] Riegl 1996, S. 28.

[5] Vgl. Werner Hofmann, Riegl, der Emanzipator (Die Gämse und das Alpenpanorama), in: Peter Noever/Artur Rosenauer/Georg Vasold (Hg.), Alois Riegl revisited: Beiträge zu Werk und Rezeption, Wien 2010, S. 13 – 20.

[6] Vgl. Bois 1997, S. 25.

[7] Vgl. Riegl 1996, S. 28.

[8] Georges Bataille u.a., Kritisches Wörterbuch, Berlin 2005, S. 40.

[9] Bataille 2005, S. 64.

[10] Rosalind Krauss, Gestalt, in: Bois/Krauss 1997, S. 89.

[11] Vgl. Jacques Lacan, Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint (1949), in: Norbert Haas (Hg.), Jacques Lacan, Schriften I,, Weinheim/Berlin 1991, 61 – 70.

[12] Krauss 1997a, S. 90.

[13] Krauss 1997a, S. 90.

[14] Krauss 1997a, S. 90f.

[15] Vgl. Hofmann 2010.

[16] Rosalind Krauss, Horizontality, in: Bois/Krauss 1997, S. 93.

[17] Krauss 1997b, S. 98.

[18] Krauss 1997b, S.97.

[19] Clement Greenberg, Jackson Pollock: Inspiration, Vision, intuitive Entscheidung (1967), in: Clement Greenberg, Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays und Kritiken, Amsterdam/Dresden 1997, S. 353 – 361. Vgl. auch: Regine Prange, Konjunkturen des Optischen. Riegls Grundbegriffe und die Kanonisierung der künstlerischen Moderne, in: Noever/ Rosenauer/Vasold 2010, S. 109 – 128.

[20] Hofmann 2010, S. 16 – 17.

[21] Hofmann 2010, S. 14.

[22] Hofmann 2010, S. 15.

[23] Riegl 1996, S. 28.

[24] Riegl 1996, S. 28.

[25] Riegl 1996, S. 29.

[26] Riegl 1996, S. 28.

[27] Hofmann 2010, S. 16.

[28] Hofmann 2010, S. 19.

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